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Separatismus in Spanien
"Tabarnia": Das nächste Katalonien?

Gedacht war das Ganze als Gag: Gegner einer Unabhängigkeit Kataloniens haben eine Online-Petition gestartet, um die spanientreuen Gebiete von den Separatistenhochburgen abzuspalten. Inzwischen hat die Kampagne mehr als 70.000 Unterstützer und erste Politiker reagieren irritiert. Von einer eigenen Fahne ist bereits die Rede.

Von Oliver Neuroth | 28.12.2017
    Die spanische und katalonische Fahne: Kommt hier bald noch Fahne der Region "Tabarnia" hinzu? Das hoffen die Initiatoren einer Online-Kampagne.
    Die Fahnen von Spanien und der Region Katalonien. Kommt hier bald eine Fahne der Region "Tabarnia" hinzu? (dpa/Andrej Sokolow)
    Die Idee ist nicht neu: Seit Jahren schon wollen vielen Katalanen an der Mittelmeerküste nicht mehr zum Rest Kataloniens gehören. Sie nennen ihr Gebiet "Tabarnia": Es umfasst die Städte Barcelona und Tarragona, außerdem die Landstriche drumherum. Das Besondere: In diesem Bereich Kataloniens sind die Befürworter einer Unabhängigkeit schwach. Bei der Regionalwahl vergangene Woche hat eine deutliche Mehrheit dort für Parteien gestimmt, die Katalonien nicht von Spanien abspalten wollen. Nach der Wahl entstand die Idee, eine Online-Petition zu starten – mit dem Ziel, "Tabarnia" zu einer eigenen spanischen Region zu machen, die nichts mit den katalanischen Gebieten zu tun hat, in der die Separatisten stark sind. Ein interessanter Vorstoß, sagt Francisco Marhuenda, Direktor der konservativen Zeitung "La Razón".
    "Für mich eine sehr erfinderische Idee. Das Ganze macht den Unabhängigkeitsprozess ein Stück weit kaputt. Denn bei der Wahl hat sich ja klar gezeigt, dass es zwei Katalonien gibt: Ein Katalonien, das weltoffen ist, europäisch, fortschrittsdenkend, das bei Spanien bleiben will. Und ein Katalonien, das Herrn Puigdemont repräsentiert, rückwärtsgewandt ist."
    "Tabarnia": Das reichste Gebiet Kataloniens?
    Die Macher der Kampagne zählen weitere Argumente auf, warum "Tabarnia" nicht zu Katalonien gehöre. Zum Beispiel hätten Umfragen ergeben, dass meisten Bewohner dort hauptsächlich Spanisch sprechen und nicht Katalanisch. Auf der Website heißt es: Tabarnia sei "eine Region, die sich in vielen Aspekten vom Rest der Region unterscheidet, zu der sie gehört". Die Initiatoren der Petition wählen damit ähnliche Worte wie die Unabhängigkeitsbefürworter – die immer wieder die ihrer Meinung nach deutlichen Unterschiede zwischen Spanien und Katalonien herausstellen. Carlos Carrizosa, katalanischer Parlamentsabgeordneter der liberalen Partei Ciudadanos, sieht weitere Parallelen in der Tabarnia-Kampagne:
    "Die Macher sagen, dass die Menschen in "Tabarnia" sehr wütend seien, weil Katalonien das Gebiet ausraube. Denn diese Zone ist die reichste Kataloniens und füttert die anderen ein Stück weit mit durch. Wir sind nicht auf der Seite der ‚Tabarnia‘-Unterstützer – aber die Kampagne hält den Separatisten und ihren Forderungen quasi den Spiegel vor und zeigt, dass sie absolut unvernünftig sind."
    Der nächste Schritt: Die Produktion eigener Fahnen
    Ciudadanos-Chef Albert Rivera twitterte: "Wenn die Nationalisten das nicht existierende Recht auf Teilung beanspruchen, dann kann es jeder tun. Aber ich bevorzuge die Einheit." Und für die spanischen Sozialisten ist der einzige Zweck der "Tabarnia"-Kampagne, die Schwächen der Unabhängigkeitsbewegung aufzuzeigen – so formuliert es ein Sprecher.
    Die Initiatoren der "Tabarnia"-Kampagne wollen als nächsten Schritt eigene Fahnen herstellen: Sie sollen sowohl das Logo der Flagge von Barcelona beinhalten – als auch das der Flagge von Tarragona. Auf der Website heißt es: Mit den neuen Fahnen sollten die Balkone von "Tabarnia" geflutet werden. Sollte die Petition sechs Millionen Unterstützer haben, wollen die Initiatoren einen Weg einschlagen, der ebenfalls sehr an den der Unabhängigkeitsbewegung erinnert: Sie verlangen dann ein Referendum über die Loslösung "Tabarnias" von Katalonien. Allerdings sind sechs Millionen Unterstützer hoch gepokert – wo Katalonien doch gerade einmal siebeneinhalb Millionen Einwohner hat.