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Seperatistische Bewegungen
Westbalkan blickt auf Katalonien

Auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien sind in den vergangenen drei Jahrzehnten viele neue Staaten entstanden - bis heute gibt es in der Region separatistische Bewegungen. Die Entwicklung in Katalonien wird deshalb dort genau beobachtet.

Von Srdjan Govedarica | 02.11.2017
    Der Präsident der Republik Srpska, Bosnien-Herzegowina, Milorad Dodik.
    Auch in der bosnischen Teilrepublik Srpska wird die Entwicklung in Katalonien genau beobachtet. Der Präsident der bosnischen Serben Milorad Dodik droht seit Jahren mit einem Referendum über eine Loslösung seines Teilstaats von Bosnien Herzegowina. (picture-alliance/dpa/apa/Georg Hochmuth)
    Der ehemalige Präsident und Vater der slowenischen Unabhängigkeit Milan Kučan sieht nur wenig Parallelen zwischen der katalonischen Unabhängigkeitsbewegung und dem Austritt seines Landes aus dem Bundesstaat Jugoslawien: "Wir hatten jedes Recht zu gehen, denn wir sind freiwillig beigetreten und freiwillig sind wir auch gegangen."
    Ähnliche Töne kommen auch aus Kroatien, dass sich 1991 für unabhängig erklärt. Es habe sich damals um den Zerfall eine Staates gehandelt, aus dem neue Staaten entstanden sind heißt es aus dem kroatischen Außenministerium. Kroatien halte den Fall für eine innerspanische Angelegenheit und hoffe, dass sich die Frage im Einklang mit der spanischen Verfassung lösen lässt.
    Vučić prangert "schreiende Doppelmoral" der EU an
    Auch Serbien stärkt der Madrider Zentralregierung den Rücken ist damit voll auf EU-Linie. Gleichzeitig empört sich Staatspräsident Aleksandar Vučić aber auch über die EU mit Blick auf die von Belgrad abgelehnte Eigenständigkeit der ehemals serbischen Provinz Kosovo:
    "Ich weiß, dass es jedem Serben schwer fällt, diese schreiende Doppelmoral anzusehen, die jeden Tag aufs Neue den Respekt vor der staatlichen Integrität einfordert. Weil zu mir kommen sie jeden Tag mit dem Satz: Du, Vučić, musst die territoriale Integrität des Kosovo respektieren. Moment mal, die Integrität Serbiens vor neun Jahren musste nicht respektiert werden?"
    Doch der Vergleich hinkt, sagt Professor Florian Bieber vom Grazer Zentrum für Südosteuropastudien. Der Unabhängigkeit Kosovos sei neben dem Krieg 1998 ein Jahrzehnt der Apartheid vorausgegangen. Damit sei eine Grundlage für die Abspaltung von Serbien geschaffen worden:
    "Das ist ein ganz dramatischer Unterschied zu Katalonien, wo zunächst einmal nicht einmal eine knappe Mehrheit für die Unabhängigkeit ist, wo viele Katalanen sich mit Spanien identifizieren, wo es in der jüngeren Vergangenheit keine Geschichte der Unterdrückung und der extremen Diskriminierung gegeben hat, wie das im Kosovo der Fall war."
    Auch die bosnische Teilrepublik Srpska will sich abspalten
    Auch in der bosnischen Teilrepublik Srpska wird die Entwicklung in Katalonien genau beobachtet. Der Präsident der bosnischen Serben Milorad Dodik droht seit Jahren mit einem Referendum über eine Loslösung seines Teilstaats von Bosnien Herzegowina. Im Gegensatz zum Kosovo wird er dabei von der internationalen Gemeinschaft nicht unterstützt. Darin erkennt auch er eine Doppelmoral: "Einmal geht es, ein anderes Mal nicht, ein drittes Mal geht es wieder, und wenn es um uns geht, wird es wieder nicht gehen."
    Die Republik Srpska ist bei der eigenen Unabhängigkeit auf die Unterstützung Serbiens angewiesen, was Serbien wiederum in einer schwierige Lage bringt, sagt Florian Bieber vom Grazer Zentrum für Südosteuropastudien: "Wenn man eine Anerkennung der Republik Srpska anstreben würde, kann man eigentlich kaum die Loslösung Kosovos ablehnen. Da besteht ein gewisses Spannungsverhältnis in der eigenen Vorstellung von einem zukünftigen Staat."
    Sympathien für Separatisten auch in anderen Provinzen
    Auch in anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens gibt es auch heute noch separatistische Bewegungen, etwa in der kroatischen Provinz Istrien, der hauptsächlich von Muslimen bewohnten serbischen Region Sandžak oder der Vojvodina, die als autonome Provinz Teil Serbiens ist. Hier gibt es durchaus Sympathien für die katalanische Unabhängigkeitsbewegung. In der Vojvodina wehten am Tag des dortigen Referendums gar katalanische Flaggen. Florian Bieber vom Zentrum für Südosteuropastudien glaubt aber nicht daran, dass der Fall Katalonien auch in Südosteuropa ernste politische Folgen haben wird:
    "All diese Bewegungen sind im Großen und Ganzen nicht mehr relevant, das heißt es gibt dort kaum politisch relevante Akteure, die eine Loslösung von dem jeweiligen Staat anstreben Sie haben gesehen, dass man damit keine Chance auf Erfolg hat. Lediglich wenn Katalonien erfolgreich die Unabhängigkeit erreichen würde, dann wäre es vielleichteine Ermutigung, aber das lässt sich momentan kaum absehen."