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Serie "Branchen im Klimawandel"
Zwischen Umweltschutz und PS-Boliden

Auf der einen Seite versucht die Autoindustrie, Fahrzeuge zu bauen, die die Umwelt weniger belasten – auf der anderen Seite sieht man auf den Straßen immer mehr dicke Geländewagen. Wie passt das zusammen? Ein Erklärungsversuch zum Zwiespalt der deutschen Autobauer.

Von Thomas Wagner | 22.10.2015
    Die SUV-Flotte von Mercedes auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) 2015 in Frankfurt.
    Die SUV-Flotte von Mercedes auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) 2015 in Frankfurt. (picture alliance / dpa / Susannah V. Vergau)
    "Wir haben uns überlegt, vor der Show Ohrenschützer auszugeben. Aber dann haben wir gedacht: Bei dem Sound wachen wenigstens alle auf."
    Genfer Auto-Salon 2015: Als Dieter Zetsche, Vorstandschef der Daimler AG, mit seiner Präsentation beginnt, steht er vor einem 550 PS starken AMG GT 3. Schadstoffausstoß? Spritverbrauch? Klimaschutz? Darüber spricht in diesem Moment keiner: Daimler - das ist immer noch die Marke mit dem Stern auf der Motorhaube - und mit vielen PS unten drunter. Aber das Unternehmen bemüht sich redlich, auch seine andere Seite zu zeigen, wenn auch nicht ganz so laut:
    "Wir haben für jedes Fahrzeugprojekt klare Vorgaben. Da gibt es jeweils einen CO-2-Zielwert, den das Fahrzeug und die Fahrzeuge der jeweiligen Baureihen erreichen sollen. Und das wird über den gesamten Entwicklungsprozess 'controlled' und verifiziert, dass die angeplanten Zielwerte auch eingehalten werden können."
    So Udo Hartmann, Konzernbeauftragter der Daimler AG für Umweltschutz. Und die klaren Vorgaben für all das, was da an Schmutz und Dreck aus dem Auspuff herauskommt, hätten bereits Früchte getragen – und das obwohl der Anteil sogenannter SUVs, also straßentaugliche Geländewagen, in den zurückliegenden Jahren stets gewachsen ist:
    "Das geht sehr wohl zusammen. Und wie das zusammengeht, sehen sie in der Entwicklung unserer CO-2-Flottenwerte, die sich in den letzten Jahren sehr, sehr signifikant entwickelt haben: Also 40 Prozent Rückgang in zwei Fahrzeuggenerationen auf einen Wert von 129 Gramm. Das hätte uns, glaube ich, vor so zehn Jahren niemand zugetraut."
    Geschönte Angaben beim Treibstoffverbrauch?
    Doch genau diese Darstellung halten Umweltverbände für eine Milchmädchenrechnung. Dazu gehört auch die Deutsche Umwelthilfe, der gerade bei der Daimler AG noch ein weiterer Punkt aufstößt: Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch wirft dem Konzern geschönte Zahlen bei Angaben zum Treibstoffverbrauch vor.
    "Heute ist es so, dass Daimler im Durchschnitt 50 Prozent danebenliegt und von den deutschen Herstellern mit an der Spitze liegt derjenige, die den Verbraucher täuschen bei den Spritverbräuchen. Das ist eine neue Untersuchung des ICCT, der Organisation, die auch die betrügerische Machenschaften der USA festgestellt hat."
    Doch auch bei Nutzfahrzeugen aus dem Hause Daimler übt Resch Kritik. Vor allem überhöhte Stickoxid-Emissionen bei Stadtbussen der Daimler-Tochter Evo-Bus.
    "Und zwar einfach deswegen, weil bei niedrigen Abgastemperaturen, bei diesem typischen Stop-and-go-Verkehr, der Stickoxid-Katalysator nicht anspringt. Das weiß Daimler. Und Daimler stellt sich auf den Standpunkt: Das ist legal, das dürfen wir so machen."
    Spielraum für klimafreundliche Fahrzeuge
    Daimler kontert wiederum damit, gerade im Nutzfahrzeugbereich auf besonders spritsparende Technologien zu achten, und zwar nachweisbar. Vorstandschef Dieter Zetsche erläutert dies am Beispiel des LKWs "Actros", der sich in sogenannten "Spritduellen" mit LKW anderer Hersteller wacker geschlagen habe:
    "Dabei fährt der Actros im realen Einsatz gegen den sparsamsten LKW aus der Flotte eines Kunden. Fast 600 Mal haben wir das letztes Jahr gemacht. Und in über 90 Prozent hat der Actros gewonnen."
    Fazit: Autokonzerne wie die Daimler AG haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Technologien zur Schadstoffreduzierung entwickelt, beispielsweise sparsamere Motoren und Getriebe. Häufig aber werden diese Bemühungen wieder konterkariert durch größeres Gewicht der Fahrzeuge und durch mehr Stellmotoren und Elektronik, beides ausgesprochene Energiefresser. Hier, heißt es, gebe es noch viel Spielraum für klimafreundlichere Fahrzeuge.