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Serie "Klimakommunen" (2/6)
Ökostromvorbild? Stadtwerke Bonn setzen auf Erneuerbare

Knapp 70 Prozent Ökostromanteil - damit sind die Stadtwerke Bonn deutschlandweit führend. Sie beteiligen sich zum Beispiel auch am Ausbau von Windenergie. Doch Kritiker meinen, die Stadtwerke rechnen sich grüner als sie sind.

Von Katja Scherer | 12.08.2019
Ein Windrad am blauen Himmel
Die Stadtwerke Bonn beteiligen sich auch am Ausbau von Windenergie (picture alliance / dpa / blickwinkel)
Auf den ersten Blick kann sich die Klimabilanz der Stadtwerke Bonn sehen lassen. Einer Untersuchung des Vereins "Klima ohne Grenzen" von 2017 zufolge, nutzt das Unternehmen mehr erneuerbare Energie und verursacht weniger CO2 als alle anderen deutschen Kommunalversorger. Ein Grund: Die Bonner Stadtwerke setzten schon seit den 1990er Jahren auf Nachhaltigkeit, sagt Christoph Caspary, zuständig für den Vertrieb bei den Stadtwerken:
"In dieser Verantwortung sehen wir uns heute auch noch und haben mittlerweile die vier großen Es, denen wir uns verpflichtet fühlen: Energieeinsparung, Energieeffizienz, Eigenerzeugung und die erneuerbaren Energien."
Die Bonner Stadtwerke bieten zwei Stromarten an: Einerseits 100prozentigen Ökostrom aus Wind, Sonne, Wasserkraft und Biogas. Andererseits konventionellen Strom, in dem neben Erneuerbaren auch Erdgas und zu einem kleinen Anteil Kohle drinstecken. Die CO2-Bilanz falle so gut aus, weil in den vergangenen Jahren der Ökostrom-Anteil stetig erhöht und der konventionelle Strom sauberer gemacht worden sei, sagt Caspary. Etwa durch die Modernisierung eines Erdgas-Heizkraftwerks:
"Wir sparen allein durch die Erneuerung über 200.000 Tonnen CO2 pro Jahr ein - im Vergleich zu einer ganz konventionellen Energieerzeugung."
Vorwurf: Stadtwerke rechnen sich schön
Insgesamt stammen mittlerweile 69 Prozent des Bonner Stroms aus erneuerbaren Energien. Allerdings: Kritiker wie der Ökostromanbieter Lichtblick halten diese Zahl für schöngerechnet. Laut dem Hamburger Konkurrenten liegt der Ökostrom-Anteil bei den Stadtwerken nur bei 45 Prozent. Dahinter steht eine grundsätzliche Kritik, die nicht nur Bonn, sondern kommunale Versorger generell betrifft. Diese dürfen in ihrer Bilanz nämlich auch Öko-Strom ausweisen, den sie weder selbst produzieren noch gezielt von anderen Erzeugern einkaufen. Dominik Seebach vom Freiburger Ökoinstitut erklärt, was sich hinter jenem Ökostrom-Anteil verbirgt, den Stadtwerke meist kryptisch als "Erneuerbare Energien finanziert aus der EEG-Umlage" deklarieren:
"Es ist der erneuerbare Strom, für den Verbraucher nach der gesetzlichen Vorgabe zahlen. Das ist eben mehr oder weniger eine zwangsweise Zuordnung."
Konkret heißt das: Momentan bezahlt jeder Verbraucher seinem Energieversorger einen finanziellen Aufschlag, die sogenannte EEG-Umlage. Dieses Geld reichen die Stadtwerke weiter und es geht an Ökostrom-Erzeuger - und damit auch teils zurück an Stadtwerke.
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Unabhängig davon ist es aber per Gesetz so, dass auch Stadtwerke, die sich nicht aktiv an der Erzeugung von grünem Strom beteiligen, den durch die EEG-Umlage finanzierten Öko-Strom in ihrer Energiebilanz ausweisen können:
"Das sagt aber nichts darüber aus, wie das individuelle Unternehmen selbst jetzt im energiewirtschaftlichen Sinn agiert, ob die selbst neue Anlagen bauen."
Stadtwerke Bonn errichten Photovoltaikanlagen
Umweltverbände und der Bundesverband Verbraucherzentrale fordern daher transparentere Regeln für das Ausweisen von Strom. Die will auch Dominik Seebach, er fordert zudem: Stadtwerke sollten die eigene grüne Stromerzeugung ausbauen – oder zumindest Öko-Strom zukaufen, der extra für sie zusätzlich produziert wurde und icht ohnehin schon auf dem Markt vorhanden ist.
"Die eigentlich entscheidende Frage für die Energiewende ist nicht: Bekomme ich als Verbraucher erneuerbaren Strom, sondern die Frage bekommt die Welt mehr erneuerbaren Strom?"
Die Stadtwerke Bonn etwa beteiligen sich am Ausbau von Windenergie und errichten Photovoltaik-Anlagen – auch wenn das nicht immer einfach ist, sagt Christoph Caspary:
"Wir ermitteln zurzeit auf den kommunalen Liegenschaften die Dächer. Aber die dürfen natürlich nicht zu alt sein, weil wir sonst Schwierigkeiten mit der Undichtigkeit haben."
Klar ist: Die Herausforderungen bleiben groß. So soll in Bonn mittelfristig auch das Heizkraftwerk auf Erdgas-Basis durch noch sauberere Lösungen ersetzt werden. Wie das technologisch gelingen kann, muss aber erst noch erforscht werden.