Freitag, 19. April 2024

Archiv

Sexismus in der Werbung
"Die Konsumenten schauen genauer hin"

Beim Deutschen Werberat gingen im letzten Jahr zwölf Prozent mehr Beschwerden ein als im Vorjahr - und die Kritik richtete sich dabei vor allem gegen geschlechterdiskriminierende Werbung. "Die Konsumenten sind sensibler geworden und schauen genauer hin", sagte Julia Busse vom Werberat im Dlf.

Julia Busse im Gespräch mit Bettina Köster | 15.03.2018
    Die jüngste Plakatkampagne des französischen Modehauses Yves Saint Laurent zeigte schlanke Frauen in Netzstrumpfhosen, hochhackigen Rollschuhen und knappen Bodys. Die Models posierten mit hochgerecktem Hinterteil, wirkten dürr, devot und stark sexualisiert
    Die jüngste Plakatkampagne des französischen Modehauses Yves Saint Laurent wurde nach Protesten eingestellt (dpa picture alliance/Leon Tanguy/MAXPPP )
    Insgesamt 1389 Beschwerden zu 787 Fällen sind im Jahr 2017 beim Deutschen Werberat eingegangen - diese Bilanz zog der Werberat heute in Berlin. In 135 dieser Fälle teilte der Rat die Kritik und beanstandete die Werbung bei den Unternehmen. Einen Großteil dieser Beanstandungen machte sexistische Werbung aus. Dabei gehe es nicht um Erotik und auch nicht um nackte Haut - damit habe der Deutsche Werberat kein Problem, so Julia Busse, Geschäftsführerin des Werberats im Dlf.
    "Aber wenn eine Person - meistens ist es eine Frau - als potenzielles Objekt sexueller Bedürfnisse vorgeführt wird, wenn es sehr respektlos ist gegenüber Frauen, wenn Frauen in der Werbung eine Fleischkeule schultern und das Ganze überschrieben ist mit: 'Wir suchen neues Frischfleisch' und es wird für einen Ausbildungsplatz in einer Metzgerei geworben - dann überschreitet das nach unserer Auffassung die Grenze und dann beanstanden wir das."
    Diese Beanstandungen zeigen in der Regel Wirkung. Der Werberat hatte laut Busse im letzten Jahr eine Durchsetzungsquote von 90 Prozent - nur wenige Unternehmen würden dem Votum des Werberats nicht folgen.
    "Nicht jede Werbung mit Augenzwinkern rechtfertigen"
    Die Geschäftsführerin des Deutschen Werberates beobachtet in den letzten Jahren, dass die Konsumenten sensibler geworden sind bei Themen wie Sexismus oder Geschlechterdiskriminierung. "Man schaut genauer hin und man will sich einfach auch einbringen. Das ist auch das, was wir von Kollegen hören von anderen Werberäten in Europa oder anderen Selbstkontrolleinrichtungen. All die verzeichnen mehr Beschwerden, weil die Menschen sich einbringen wollen und möchten, dass ihre Kritik gehört wird."
    Zwar lebe Werbung oft von Humor und Provokation, aber es gebe gewisse Grenzen. "Man kann nicht jede Werbung mit dem berühmten Augenzwinkern rechtfertigen. Aber umgekehrt ist es auch wichtig, dass die Umworbenen vielleicht nicht alles allzu ernst nehmen. Wir versuchen immer, die Balance zu wahren. Unsere Aufgabe ist es, bei berechtigter Kritik für einen Stop oder eine Änderung der Werbung zu sorgen. Aber wenn eine Werbung humorvoll ist und das ist auch erkennbar und es wird niemand herabgesetzt, es wird niemand beleidigt - dann stellen wir uns auch vor das Unternehmen und verteidigen das Unternehmen."