Donnerstag, 25. April 2024

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Sexuelle Gewalt im Boxen
"Die Boxhalle ist kein Ort, an dem sich eine emanzipierte Frau wohlfühlt"

Die Boxerin Sarah Scheurich hat die Kampagne "Coach, don't touch me" ins Leben gerufen, um sexualisierte Gewalt im Sport zu bekämpfen. Bei anderen Boxerinnen erhielt sie Zuspruch - vom Boxverband nicht. Daraufhin trat sie als Athletensprecherin zurück. Boxen sei immer noch ein sehr männerdominierter Sport, sagte sie im Dlf.

Sarah Scheurich im Gespräch mit Astrid Rawohl | 08.07.2018
    Die Boxerin Sarah Scheurich.
    Die Boxerin Sarah Scheurich. (Deutschlandradio / Sarah Scheurich)
    Als Scheurich im Mai bei den Europameisterschaften in Polen kämpfte, habe der Deutsche Boxverband eine Vorstandssitzung angesetzt, bei der das Thema Prävention sexualisierter Gewalt auf der Tagesordnung stand. Scheurich habe auch in ihrer Funktion als Athletenverteterin dabei sein wollen, doch ihre Bitte um eine Terminverlegung sei abgelehnt worden, berichtete sie.
    "Ich habe das Gefühl, dass ich als Athletenverteterin nicht ernst genommen wurde und auch nicht die Möglichkeit hatte, dass der Verband nicht genug darauf eingeht, was wir Sportler verändern wollen", sagte sie im Deutschlandfunk. "Deshalb bin ich als Athletensprecherin zurückgetreten." Das solle auch als Zeichen verstanden werden. "Der Verband hat uns Gespräche angeboten, aber wir haben uns gewünscht, dass er sich öffentlich in sozialen Medien positioniern und die Kampagne unterstützen würde." Doch das habe er nicht getan.
    Die Boxerin Sarah Scheurich.
    "Wir haben viel zu lange geschwiegen." Die Boxerin Sarah Scheurich (#KDLP)
    Ein Ehrenkodex ohne Sanktionen
    Für betroffene Sportlerinnen werde nicht genug getan, sagt die 24-Jährige. Ein Ehrenkodex, der zwar unterschrieben, aber nicht gelesen werde und keine konkreten Sanktionen enthalte, sei nicht sinnvoll, beklagte sie.
    Ein Missbrauchsfall von vor fünf Jahren sei kürzlich aufgedeckt worden. "Die Sportlerin wurde alleingelassen, der Verband hat sich nicht einmal bei ihr gemeldet", sagte Scheurich. Die Frau sei in ihrem Verein bei einer Sitzung in Hamburg beschimpft worden - doch der Verband habe nicht eingegriffen.
    Die Boxerin Sarah Scheurich.
    "Es ist doch komisch, dass wir nicht füreinander da sind, wenn so etwas passiert", sagt Sarah Scheurich. (Deutschlandradio / Sarah Scheurich)
    "Alltagschauvinismus ist der Näherboden für sexuelle Gewalt"
    Boxen sei immer noch ein sehr männerdominierter Sport, man müsse sich Sprüche gefallen lassen. "Aber dieser Alltagschauvionismus, sexuell angehauchte Kommentare - das ist der der Nährboden, aus dem sexuelle Gewalt entstehen kann", sagt Scheurich. "Die Boxhalle ist kein Ort, an dem sich eine emanzipierte Frau wohlfühlt."
    Zwischen Sportlerin und Trainer bestehe oft eine emotionale Bindung, aber auch ein Abhänghigkeitsverhältnis. Das sei oft vorteilhaft, aber es sei eben auch leicht, dass sowas ausgenutzt wird. Nach ihrer Meinung solle es nicht mehr erlaubt sein, dass Trainer mit minderjährigen Sportlerinnen im selben Zimmer übernachten. "Solche Situationen begünstigen Gewalt. Deshalb brauchen wir mehr Regel nund Sanktionen."
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.