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Sicherheit im Fußballstadion
Die englische Null-Toleranz-Taktik

Kein Alkohol, keine Ultras, keine Stehplätze: Die Unterschiede zwischen deutschen und englischen Fußballstadien sind groß. Um sich über das strenge Sicherheitskonzept der Premier League zu informieren, waren Vertreter des NRW-Sportausschusses zu Besuch beim FC Chelsea.

Von Friedbert Meurer | 15.11.2015
    Ein Hinweisschild unterstreicht das Alkoholverbot im Stadion des FC Chelsea an der Stamford Bridge in London.
    Ein Hinweisschild unterstreicht das Alkoholverbot im Stadion des FC Chelsea an der Stamford Bridge in London. (dpa / picture alliance / Friso Gentsch)
    Die Fulham Road im Londoner Stadtteil Chelsea, an Spieltagen strömen hier 41.000 Fans ins Stadion, eine andere Zufahrt gibt es nicht. Holger Müller, sportpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in NRW, staunt noch über das, was er vom Sicherheitsbeauftragten des FC Chelsea gerade gehört hat.
    "Was mich überraschte hatte, ist, dass es hier keinen kontrollierten Anmarsch der Gäste-Fans gibt. Sondern dass alle zusammen kommen und anscheinend scheint das zu klappen."
    Nur 3000 Tickets erhalten die Gäste-Fans - im Benehmen mit dem Bezirksrat von Kensington und Chelsea kann die Zahl jederzeit reduziert werden. Eine ähnliche Maßnahme von Borussia Dortmund zuhause gegen Schalke 04 war auf massiven Protest gestoßen. Die englischen Fans beißen da auf Granit, auch mit ihrem Wunsch nach Stehplätzen. Delegationsleiterin Helene Hammelrath von der SPD-Fraktion:
    "Also da bin ich etwas zwiegespalten, und zwar weiß ich wie toll das sein kann, wenn man in so einer Fankurve steht und das ist ja irgendwie total mitreißend. Auf der anderen Seite leuchtet mir ein, dass man hier ganz davon abgekommen ist. Weil einfach die Gewalt Ausmaße angenommen hat, wo man gesagt hat, also wenn Tote nach einem Fußballspiel zu verzeichnen sind, dann muss man konsequent handeln."
    Keine Stehplätze
    Sitzplätze sind in der Premier League per Gesetz vorgeschrieben. Die Vorteile: Stehplätze bedeuten Kontrollverlust, Zuschauer verändern ihre Plätze und ihr Verhalten. Außerdem lässt sich dank der 100 Kameras jeder Zuschauer einem Ticket und einem festen Sitzplatz zuordnen. Selbst in der U-Bahn werden die Fans noch gefilmt, ob sie unter Alkohol zu randalieren anfangen. Mancher hat sich in der U-Bahn sein Stadionverbot eingefangen.
    Jede Saison verhängt der FC Chelsea zwischen 200 und 300 Stadionverbote. Mit den Fangruppen wird darüber nicht lange diskutiert. Josefine Paul von den Grünen meint:
    "Es gibt eine sehr harte Rechtsprechung, also Stadionverbote sind hier keine Hausrechte, sondern sind gerichtlich festgelegt. Das hat natürlich den Vorteil, dass es auch ein Widerspruchsrecht gibt. Es ist aber natürlich eine Straftat, das ist schon mal eine ganz andere Hausnummer."
    Ausschussvize Hammelrath, Mitglied und Fan des 1. FC Köln, meint lakonisch, hier hätten die Boys, eine berüchtigte Kölner Ultra-Gruppe, im Wortsinn schlechte Karten.
    "Was ich für sehr interessant halte, ist, dass es hier offenbar gelungen ist, schneller Straftäter zu belangen. Das heißt also, Leute sofort zu verhaften, wenn man ihrer habhaft wird. Und ansonsten, wenn man sie seitens Scotland Yard entdeckt hat, dann sofort mit der Staatsanwaltschaft Kontakt zu haben und es sehr schnell auch zu Gerichtsverhandlungen kommt."
    Tickets ab 70 Euro
    Für eine gewisse soziale Auslese sorgen die Ticketpreise: bei Chelsea liegen sie umgerechnet zwischen 70 Euro für das billigste und 120 für das teuerste Ticket. Für die Sicherheit sorgt der Verein weitgehend selbst, 800 Ordner sind pro Spieltag im Einsatz. Sie sperren die Fulham Road, nicht die Polizei. Sogar die Spürhunde werden vom Club gestellt. Während der Führung durch das Stadion taucht zum Abschluss plötzlich ein Falkner auf, der gewissermaßen auch Stadionverbote verhängt: und zwar gegen die Tauben, dafür sorgt mit scharfen Augen und Krallen ein Falke auf seinem Arm.