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Sicherheit im Straßenverkehr
"Falschparken ist kein Kavaliersdelikt"

Die Berliner Polizei nimmt diese Woche verstärkt Falschparker ins Visier. Was vielfach als harmlos wahrgenommen wird, stellt tatsächlich eine erhebliche Gefährdung von Radfahrern dar. Es wird auf Radwegen, auf Busspuren direkt an Kreuzungen oder in zweiter Reihe geparkt. Der Verkehrsclub Deutschland fordert höhere Bußgelder.

Von Manfred Götzke | 04.06.2019
Eine Aktivistin zeigt auf der Karl-Marx-Straße ein Schild mit der Aufschrift "Stoppt Falschparker". Der Verkehrsclub Deutschland VCD und die Initiative Clevere Städte richteten zur bundesweiten Falschparker-Woche einen Not-Radweg ein, der durch die rot-weißen Verkehrshütchen markiert wird.
Bundesweite Aktion gegen Falschparker (dpa/ picture alliance/ Britta Pedersen)
"Sie stehen auf einem Fahrradschutzstreifen, das ist eine Ordnungswidrigkeit, sie können sich dazu äußern müssen aber nicht. Ich hätte gerne Ihre Fahrzeugpapiere…"
Polizeikommissarin Katarzyna Soska spricht einen älteren Herrn im Benz an. Der hält auf dem Fahrradstreifen - nur ganz kurz – während seine Frau ihren Lottoschein ausfüllt. "Sie bekommen Post von uns und dann müssen sie die Strafe zahlen. Weil sie dürfen hier nicht halten – wenn sie warten wollen kurz, parken sie dahinten oder fahren sie kurz rum. Und für die Zukunft: Sie befinden sich auf einem Fahrradstreifen – sie sehen ja diese Fahrräder da und das ist sehr gefährlich, wenn die Fahrräder hier ausweichen müssen. Die werden dann von den Fahrzeugen oft erwischt."
30 Euro kostet den Herrn das Falschparken auf dem Radweg – der zeigt sich nur bedingt einsichtig: "Find ich nicht ok – zu teuer! Ja für mich zu teuer."
Falschparken ist kein Kavaliersdelikt
Die Berliner Polizei ist in dieser Woche verschärft auf Falschparkerfang. Hier an der Schlüterstraße am Kurfürstendamm wie an vielen anderen Straßenecken der Hauptstadt. Denn Falschparken ist nicht nur ein Ärgernis – seit mehr und mehr Radfahrer unterwegs sind, führt Falschparken auch öfter zu gefährlichen Unfällen – vor allem auf Radstreifen und im Kreuzungsbereich, erläutert Polizeihauptkommissar Rainer Paetsch, Leiter der Berliner Verkehrsüberwachung: "Wo diese Sonderwege blockiert sind durch Falschparker, habe ich immer eine Behinderung – und in den allermeisten Fällen auch eine Gefährdung in der Großstadt. Und deswegen ist das auch kein Kavaliersdelikt."
Im vergangenen Jahr sind in Deutschland 455 Radfahrer ums Leben gekommen – die meisten im Kreuzungs – und Abbiegebereich. Sehr oft werden Radfahrer oder Fußgänger von abbiegenden Autos schlicht nicht gesehen – weil Falschparker die Sicht versperren.
"Hier ist absolutes Halteverbot vor den Einmündungen, so dass man gefahrlos aus den rechten Fahrstreifen abbiegen kann. Aber wenn der zugeparkt ist, zwingt das die Abbiegenden auf die Busspur, da müssen sie dann halten möglicherweise, weil sie nicht gleich in einem Zug abbiegen können – also auch dieses Zuparken von Kreuzungen kann genauso gefährlich sein, wie das Zuparken von Schutzstreifen."
Aktionswoche soll zum Umdenken anregen
Allein in Berlin wurden im vergangenen Jahr etwa 130.000 Parkverstöße angezeigt, davon mehr als 40.000 auf den Radwegen. 26.000 auf den Busspuren und 61 in zweiter Reihe. Lieferanten, die ihre Ware abgeben. Leute, die nur kurz was einkaufen – aber auch Menschen, die wie in der Schlüterstraße mit ihren vielen Restaurants, etwas essen gehen – und sich die lästige Parkplatzsuche ersparen, erzählt Paetsch. "Und dieses Titulieren des eigenen Fehlverhaltens 'ich hab doch keinen gestört ich bin doch gleich weg' - das zieht sich durch alle Gesellschaftsgruppen und deswegen kommt es ja so häufig vor. Leider Gottes."
Dass die Polizei mit ihrer Aktionswoche ein Umdenken bei den Autofahrern bewirkt, da macht sich Paetsch keine großen Illusionen.
"Wir alle haben schon mal falsch geparkt. Wenn ich jetzt ein Bußgeld von 15, 30 Euro zahlen muss und dazu selbst in einem Gespräch verdeutlicht bekomme, wie gefährlich und eigensüchtig das ist, dann hält das vielleicht eine Woche an. Aber in der zweiten Woche – wenn ich es dann vorher her schon gewissenlos gemacht habe – werde ich es wieder tun. Definitiv ist Falschparken zu billig. Wir haben keine ausreichenden Sanktionsmöglichkeiten!"
Anika Meenken vom Öko-Verkehrsclub Deutschland sieht das ganz ähnlich – und verweist auf unsere Nachbarländer: "Wir sagen 100 Euro und einen Punkt in Flensburg - wir sind einfach zu billig. Wenn wir uns angucken. In Dänemark kostet es 90 Euro in Spanien sogar 200."
Anwohnerparken verteuern?
Ganz unabhängig von den niedrigen Bußgeldern gebe es aus Sicht der Fahrradlobbyistin in den Städten einfach zu viele Autos und nach wie vor eine zu schlechte Fahrradinfrastruktur: "Man muss ganz stark den Radverkehr fördern und den Öffentlichen Verkehr, damit mehr Menschen auch umsteigen. Wir brauchen weniger Autos in den Städten, wir brauchen auch eine durchgängige Parkraumbewirtschaftung. Wenn man sich diese Anwohnerparkausweise anschaut: Das sind alle zwei Jahre 26 Euro so in dem Rahmen und wenn man sich das mit den Mieten anguckt - der öffentliche Raum diese 13 Quadratmeter die 26 Euro für zwei Jahre, das ist einfach viel zu wenig."
Polizeikommissarin Katarzyna Soska spricht einen weiteren Fahrer an, der den Radweg als Parkplatz zwischennutzt. Es ist der häufigste Verstoß bei der Kontrolle an diesem Tag – die sechs Beamten erwischen 20 Falschparker in nicht einmal einer halben Stunde. Diesmal versperrt ein Sprinter nicht nur den Fahrradfahrern den Weg, er hat auch einen anderen Lieferanten zugeparkt, der längst weg wollte.
Soska fragt den Falschparker: "Möchten Sie noch was dazu sagen?" - "Nein!" Auch dieser Falschparker sieht nicht wirklich ein, dass sein Verhalten nicht in Ordnung war. 30 Euro kostet auch ihn das ganze heute – was soll‘s, sagt er: "Ich zahle nicht, mein Chef zahlt."