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Sicherheit von Atomkraftwerken

In Deutschland schlug der Zwischenfall im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark hohe Wellen. In Schweden hingegen wurde er in der Öffentlichkeit kaum beachtet. Dabei zählte das Ereignis vom 25. Juli 2006 zu den Alpträumen aller Kraftwerksfahrer. Kann sich dieser Zwischenfall auch bei uns ereignen? Zehn Tage nach dem Ereignis begann die öffentliche Diskussion.

Von Dagmar Röhrlich | 29.08.2006
    " Nur wenige Minuten vor dem GAU. "

    So titelt die Tageszeitung TAZ am 3. August 2006 und schreibt dann weiter:

    " Vor einer Woche kam es zu einer Beinahe-Katastrophe im schwedischem Atomreaktor Forsmark I. Nach einem Kurzschluss fielen dort mehrere Sicherheitssysteme aus. Ein Reaktorkonstrukteur hält es für Zufall, dass keine Kernschmelze erfolgte. "

    Der Vorfall in Schweden begann am 25. Juli kurz vor 14 Uhr. Wartungsarbeiten liefen im Umspannwerk, dort, wo der Strom ins Netz eingespeist wird. Ein Kurzschluss: 400.000 Volt. Die Anlage reagiert automatisch. Sie trennt die Turbinen vom Netz, und der Reaktor schaltet sich schlagartig ab: Die Turbinen sollen jetzt nur noch genug Strom für die Notsysteme produzieren. Aber die Trennung vom Netz dauert Sekundenbruchteile zu lange: Der Spannungsimpuls schlägt durch - und das löst eine ganze Kette von Fehlern aus.

    Zunächst sollten die beiden Turbinen für die Stromproduktion im Notfall sorgen. Sie versagen jedoch, weil ihnen jetzt die Schmierung fehlt. Aber auch der abgeschaltete Reaktor muss unbedingt gekühlt werden. Als mit den Turbinen die erste Sicherungslinie nachgibt, soll ein Reservestromnetz einspringen. Das schlägt fehl. Das Netz ist zu instabil. Jetzt ist das Notstromsystem dran. Doch der Kurzschluss, der noch nicht einmal einen Wimpernschlag zuvor durch die gesamte Versorgungskette gelaufen ist, hat zwei von vier Notstrom-Aggregaten außer Gefecht gesetzt. Nur zwei Generatoren laufen planmäßig an und liefern den Strom für zwei Notkühlsysteme.

    " Die zwei Notstromschienen, die funktioniert haben, haben auf der einen Seite für die überlebensnotwendigen Systeme die Mindestversorgung garantiert, auf der anderen Seite für die Anzeigen im Kontrollraum nicht die Mindestversorgung garantiert. "

    Michael Sailer vom "Ökoinstitut Darmstadt" und Mitglied der deutschen Reaktorsicherheitskommission, die mit schwedischen Partnern in diesen Sicherheitsfragen eng zusammenarbeitet, zum Beinahe-Gau von Forsmark 1:

    " Die Mannschaft war im Teilblindflug, weil ein Teil der Anzeigen hat funktioniert, und ein Teil der Anzeigen hat verrückte Sachen angezeigt. Das ist eigentlich der schwierigste Fall, denn man muss ja ganz schnell entscheiden, welcher Anzeige glaube ich und welcher glaube ich nicht. "

    Wie in vielen schwierigen Lagen gibt es oftmals ein Theorie/Praxis-Problem: Eine halbe Stunde lang soll ein Reaktor im Notfall ganz ohne menschliche Eingriffe automatisch reagieren - und die war in Schweden fast abgelaufen, ehe die beiden ausgefallenen Generatoren wieder per Hand gestartet werden konnten. Erst nach fast 22 Minuten wusste die Mannschaft, dass ihr Reaktor ordnungsgemäß funktioniert, die beiden laufenden Notfallsysteme ausgereicht hatten und alles immer im grünen Bereich gewesen war.

    In Deutschland schlug der Zwischenfall im Kernkraftwerk Forsmark, das zum schwedischen Energieproduzenten Vattenfall gehört, hohe Wellen. In Schweden hingegen wurde er in der Öffentlichkeit kaum beachtet. Dabei zählt das Ereignis vom 25. Juli 2006 zu den Alpträumen aller Kraftwerksfahrer:

    Eine ganze Kaskade von Fehlern führte dazu, dass eine Rettungsleine nach der anderen riss und schließlich gleich zwei unabhängig voneinander arbeitende Sicherheitssysteme aus ein und demselben Grund ausfielen. Den Zwischenfall macht so bedrohlich, dass alle vier Systeme gleich aufgebaut sind - und sie hätten auch alle vier versagen können. Warum die beiden anderen Notstromanlagen funktioniert haben, erscheint bei heutiger Betrachtung als ein Rätsel.

    " Insgesamt kann man von Glück sagen, weil nur zwei dieser Geräte ausgefallen sind. Wenn vier ausgefallen wären, dann hätten wir sehr kurz vor einer Katastrophe gestanden oder es wäre sogar bis in die Katastrophe gekommen. Wenn ein weiterer Fehler dazugekommen wäre, wäre es dann allerdings nicht mehr möglich gewesen, die Mindestmenge an lebensnotwendigen Systemen zu betreiben. "

    Kein Wunder also, dass einen Tag nach dem Zwischenfall durch die Veröffentlichung der Meldung bei der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO in Wien hierzulande Betreiber und Bundesbehörden alarmiert waren: Die nahe liegende Frage:

    Kann sich dieser Zwischenfall auch bei uns ereignen? Zehn Tage nach dem Ereignis begann die öffentliche Diskussion. Im Eilverfahren lässt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel die deutschen Kernkraftwerke prüfen. Und Spiegel-online meldet dazu am 8. August:

    " Keine Gefahren für deutsche Kernkraftwerke sehen die Atomaufsichten mehrerer Bundesländer nach dem schweren Störfall am schwedischen Reaktor Forsmark. Die Notstromsysteme hierzulande seien nicht dem von Forsmark vergleichbar. "

    So lautet das Ergebnis. Wolfgang Renneberg, Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium BMU:

    " Die Schnellprüfung, die wir durchgeführt haben, sollte ausschließen, dass wir genau diesen Störfall, der in Forsmark geschehen ist, auch in unseren Anlagen unterstellen müssen. Wir haben deswegen Fragen formuliert, die genau auf diesen Störfall zugeschnitten waren. Diese Fragen sollten dann sehr kurzfristig von den Landesbehörden und natürlich auch dann von den verantwortlichen Betreibern beantwortet werden. "

    Eine der Fragen zielte auf den Start der Notstrom-Aggregate ab. Sie brauchen Strom für ihre Steuerung. Wenn das Notfallsystem gefordert ist, soll die so genannte "Unterbrechungsfreie Stromversorgung" dafür sorgen, dass unverzüglich Dieselgeneratoren anspringen. Die notwendige Energie liefert dabei eine Batterie.

    In Forsmark sowie einigen weiteren schwedischen Kernkraftwerken, die inzwischen abgeschaltet worden sind, werden an dieser Stelle Systeme einer älteren Generation eingesetzt. Die brauchen Wechselstrom, um zu funktionieren - eine Batterie liefert jedoch nur Gleichstrom. Also muss erst einmal ein Wechselrichter den Batteriestrom für die Dieselsteuerung sozusagen "verdaulich" machen.

    In Forsmark hatte eine Überspannung in zwei Notstromschienen die "Sicherungen" dieser Wechselrichter rausfliegen lassen. Der Grund: In Forsmark hatte man diese "Sicherungen" zu empfindlich eingestellt. Ohne Wechselrichter bekommt die betroffene Schiene kein Startsignal- und die Generatoren springen nicht an. Obwohl alle vier Systeme nicht auf diese Überspannung eingerichtet waren, liefen zwei trotzdem an, wie gesagt - bis heute ist es ein Rätsel, warum. Wie ist nun diese "Unterbrechungsfreie Stromversorgung" in deutschen Kernkraftwerken aufgebaut? Michael Sailer vom Ökoinstitut Darmstadt stellt fest:

    " Die bisherige Überprüfung hat ergeben, dass man nicht genau diese Geräte in Deutschland einsetzt. "

    Bruno Thomauske, Geschäftsführer der Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH zur Problematik:

    " Wir haben die Situation - was ist in Schweden vorgefallen, wie ist die Anlagenauslegung - natürlich unmittelbar untersucht und bewertet und sind aufgrund der unterschiedlichen Auslegung zu dem Ergebnis gekommen, dass ein derartiges Ereignis in unseren Anlagen ausgeschlossen werden kann. Der Ablauf wäre ein völlig anderer aufgrund der anderen Konzeption der Anlage. "

    Der Grund: In deutschen Kernkraftwerken funktionieren die Notstromgeneratoren mit Gleichstrom: Moderne Systeme für die "Unterbrechungsfreie Stromversorgung" umgehen also die Batterieprobleme. Wolfgang Renneberg vom Bundesumwelt-Ministerium:

    " Wenn wir also keine Umformer von Gleichstrom zu Wechselstrom brauchen, dann können diese Teile bei uns auch nicht ausfallen. "

    Zunächst sah alles also ganz gut aus, aber vergangene Woche zeigte eine Sitzung der deutschen Reaktorsicherheitskommission, dass diese Aussage nicht für alle deutschen Kernkraftwerke gilt. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist der Reaktor von Brunsbüttel die Ausnahme - ein Kraftwerk, das nach der Übernahme der Hamburgische Elektrizitäts-Werke HEW zur schwedischen Vattenfall gehört. Brunsbüttel ist ein älterer Reaktor, und auch in ihm brauchen die Generatoren Wechselstrom für ihre Steuerung.

    Die Wechselrichter in Brunsbüttel seien jedoch so massiv gebaut, dass sie keinen Überspannungsschutz brauchen - und deshalb könnten sie auch nicht ausfallen, so die Argumentation von Vattenfall. Gestern teilte das in Schleswig-Holstein für Brunsbüttel zuständige Sozialministerium auf einer Pressekonferenz mit:

    " Wie der Betreiber heute schriftlich nochmals dargelegt hat, ist eine solche Überspannungsabschaltung auf der Eingangsseite der Wechselrichter in der Anlage Kernkraftwerk Brunsbüttel nicht vorhanden. Daher könne ein vergleichbarer Störfall mit gleicher Wirkungskette nach derzeitigem Kenntnisstand in der Anlage Kernkraftwerk Brunsbüttel nicht ablaufen. Dies muss jetzt gutachtlich geprüft werden "

    Brunsbüttel gehört zu den Anlagen, die den Atomkraftgegnern ein besonderer Dorn im Auge sind. 2002 waren dort plötzlich Schwachstellen entdeckt worden, die man jahrzehntelang nicht gesehen hatte.

    " Brunsbüttel war aufgefallen bei einer Simulationsprüfung des Notstromsystems. Dabei hat man festgestellt, dass das Notstromsystem gar nicht so funktionierte, wie es hätte funktionieren sollen nach den Plänen, weil nämlich die Pläne beim Bau gar nicht so umgesetzt worden sind wie die ursprünglich festgelegt worden sind. Dies ist etwas, was uns dann tatsächlich auch sehr überrascht hat. "

    Der Störfallbericht der Bundesregierung zu Brunsbüttel erwähnt "Planungsfehler in der Steuerung der Notstromversorgung und der Steuerung von Not- und Nachkühleinrichtungen". Also in dem Bereich, der auch in Forsmark betroffen war.

    " Im schlimmsten Fall hätten bei einer bestimmten Kombination von Störfallereignissen die Notstromversorgung nicht ausreichend zur Verfügung gestanden. Das heißt, wir hätten ein ernsthaftes sicherheitstechnisches Problem bekommen. "

    Also wurden in Brunsbütel zahlreiche Nachrüstungen fällig, erläutert Wolfgang Renneberg vom Bundesumweltministerium in Bonn:

    " Die Anlage ist so geändert worden, dass sie ihre Funktion erfüllen kann. Allerdings hat die Reaktor-Sicherheit-Kommission - und nicht nur die, sondern auch die Aufsichtsbehörden - festgestellt, dass die Anlage so, wie sie dasteht, nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Ihr System ist veraltet und aufgrund dieses veralteten Systems ist sie prinzipiell fehleranfälliger. "

    Vattenfall ist in der Wiederanfahrgenehmigung verpflichtet worden, eine detaillierte Sicherheitsanalyse für das Notstromsystem durchzuführen. Das SPD-geführte schleswig-holsteinische Sozialministerium, in dem nach dem Regierungswechsel die Reaktorsicherheit angesiedelt worden ist, prüft derzeit die Unterlagen, sieht aber für ein schnelles Eingreifen noch keine Handhabe. Die gemeinnützige Organisation, Deutsche Umwelthilfe, die bereits seit einiger Zeit über vertrauliche Unterlagen aus den Sitzungen der Reaktorsicherheitskommission verfügt, warnt jedoch in einer Pressemitteilung vom 16. August eindringlich:

    " Problemreaktor Brunsbüttel - gefährlicher als Forsmark. "

    Doch Vattenfall wehrt sich gegen diese Vorwürfe. Bruno Thomauske:

    " In dem KKW Brunsbüttel ist ein unabhängiges Notstandssystem eingerichtet worden, das auch dann funktioniert, wenn die übrigen, also das KKW in seinen Funktionen, nicht mehr ordnungsgemäß ablaufen würde, dann dieses unabhängige Notstandssystem zu 100 Prozent die sicherheitstechnische Leistung für den Reaktor erbringen kann. "

    In Brunsbüttel gebe es drei Notfallsysteme, die jeweils die volle Leistung brächten. Das sei mehr als in Forsmark, wo die Mannschaft - anders als in Deutschland - noch nicht einmal vom Nachbarreaktor aus den Zustand ihrer Anlage einsehen oder die wichtigsten Funktionen von dort aus steuern konnte. Das sei bei deutschen Atomkraftwerken das Mindeste. Die meisten - darunter auch Brunsbüttel - besäßen für die Notversorgung sogar ein eigenes, unabhängiges Notstandssystem: "Das alles ist nicht mit Forsmark zu vergleichen", so Thomauske.

    Diese Notstandssysteme verfügen über eigene Dieselgeneratoren und Sicherheitssysteme, erläutert denn auch Horst May, Pressesprecher bei der GRS, der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit in Köln, die im Auftrag des Bundesumweltministeriums arbeitet:

    " Das ist völlig unabhängig von den anderen Sicherheitseinrichtungen und tritt auch nur dann in Aktion, wenn wirklich alle Dinge versagen. Die letzte Instanz sozusagen, um das KKW noch zu steuern und im sicheren Zustand zu halten. "

    In deutschen Anlagen sollen auch die in den Notfallszenarien so zentralen Batterien größer dimensioniert sein und eine längere Pufferung für die notwendigsten Systeme wie die Funktion der Anzeigentafeln bieten, erläutert Bruno Thomauske.

    " Diese Batterien decken einen Zeitraum von zwei Stunden ab, so dass hinreichend Zeit besteht, die Diesel in dieser Zeit selbstverständlich auch zum Laufen zu bringen. "

    Und so stellte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel Anfang dieser Woche klar, laut FAZ von heute, dass eine vorzeitige Abschaltung des Kernkraftwerks Brunsbüttel derzeit nicht geplant sei - vorausgesetzt, der Betreiber könne bestehende Sicherheitsbedenken zerstreuen.

    Die Debatte um Brunsbüttel geht also munter weiter. Die Zentralfrage nach Forsmark lautet jedoch: Sind deutsche Atomkraftwerke wegen ihrer anderen Konzeption vor einem gleichen oder ähnlichen Störfall wie in Forsmark wirklich sicher? Dazu Michael Sailer:

    " Die Frage stellt sich in Deutschland schon, wenn ähnlich große Impulse reinkommen, welche Geräte fallen dann aus? Es könnten andere sein, aber die Folgen könnten auch nicht sehr schön sein. Deswegen darf man sich nicht nur darauf konzentrieren, ob genau das gleiche Gerät an der Stelle eingebaut ist, sondern die weitergehenden Fragen sind eigentlich, ob solche Fehler vom Grundsatz her in deutschen Anlagen gut genug abgeschirmt sind. "

    Zwar müssen die deutschen Kernkraftwerksbetreiber im Zulassungsverfahren nachweisen, dass weder Blitzschlag noch Kurzschlüsse ihrer Anlage etwas anhaben können. Aber im Lauf der Zeit altern die Bauteile, oder die Kernkraftwerke werden modernisiert und dabei umgebaut:

    " Und deswegen ist es sicher gut rechtfertigbar, das elektrische System und das Notstromsystem durchzuchecken, auch in den 17 deutschen KKW. Es muss ja auch immer gegenüber den Betreibern gerechtfertigt werden. Es gibt Abwägungsgebote, Verhältnismäßigkeitsgrundsätze und ähnliche Dinge, die dann in eine Behördenentscheidung einzufließen haben. "

    Zwar werden Atomkraftwerke mit Sicherheitsreserven gebaut, so dass viele Bauteile versagen müssen, ehe die Lage eskalieren kann - aber Forsmark zeigt, dass eine solche Kette von Fehlern durchaus möglich ist, erklärt Wolfgang Renneberg vom BMU:

    " Die Wirklichkeit zeigt, dass man immer etwas übersehen hat, die Frage ist, sind dann die Reserven groß genug? "

    Sailer:
    " In Deutschland hatten wir aber zum Glück noch nie den Fall, dass diese vierfach vorhandenen Systeme vollständig ausgefallen sind. Insofern sind die bisherigen Ereignisse um einige Stufen harmloser als das, was da in Forsmark jetzt passiert ist. "

    Aber auch in Deutschland hat es bereits Zwischenfälle mit den Notstromsystemen gegeben. Horst May, Pressesprecher der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit GRS in Köln:

    " Das kommt durchaus häufiger vor, dass zum Beispiel Blitzeinwirkungen in den deutschen KKW sind seit 1973 21 mal aufgetreten. Das sind aber alles Einwirkungen gewesen, die dann von der Anlage letztendlich beherrscht worden und auch nicht zu größeren Auswirkungen geführt haben. "

    Die schwersten Folgen eines Blitzschlags hatte ein Zwischenfall in den 70er Jahren in Gundremmingen A - einem "Atomei" aus der ersten Generation der Leistungsreaktoren für die Stromproduktion. Damals traf ein Blitz die ins Netz führenden Stromleitungen. Der Reaktorblock war zwar gerade abgeschaltet, aber er wurde trotzdem weit über seine sicherheitstechnische Auslegung hinaus belastet. Sailer:

    " Es sind ja auch zum Beispiel Sicherheitsventile abgerissen worden. Zum Glück haben die Kühlsysteme überfunktioniert, das heißt, zu viel Wasser ins System reingebracht. Und deswegen war der Reaktorkern in dem Fall immer unter Wasser gewesen, also gut gekühlt. Wenn sich in der Folge große Wasserverluste ergeben hätten, dann hätte es sich möglicherweise in Richtung einer Kernschmelze entwickeln können. Aber vom Grundansatz wurde das beherrscht, weil über die ganze Zeit genügend Kühlwasser dann in das Reaktorsystem eingebracht wurde. "

    Gundremmingen A wurde so stark beschädigt, dass sich eine Reparatur nicht lohnte. Das Kernkraftwerk war schrottreif. Aber das Überkompensieren war nur Zufall, sozusagen die glückliche Folge des Blitzschlags.

    " Es ist nur immer so, dass man mit diesen Anlagen ein bestimmtes Risiko hat, dieses Risiko ist gering, aber es kann eben jederzeit sich realisieren. Das ist wie in jeder anderen Technik auch so. Die ganz besondere Gefahr ergibt sich daraus, dass diese Unfälle enorme Auswirkungen hätten, wenn sie denn passieren, die im schlimmsten Fall dazu führen, dass ganze Landstriche radioaktiv kontaminiert und im schlimmsten Fall unbewohnbar werden. "