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Siegeszug der Aromatase-Hemmer

Medizin. - In Deutschland werden im Jahr rund 52.000 Frauen mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert. Für sie steht bei der Einführung einer neuen Medikamentenklasse viel auf dem Spiel. Natürlich auch für die pharmazeutische Industrie, für die der Brustkrebs einen riesigen Markt darstellt. Deshalb, und auch wegen ihrer hervorragenden Studienergebnisse, sind die Aromatase-Hemmer diese Woche bei der Europäischen Brustkrebskonferenz in Hamburg in aller Munde.

Von Grit Kienzlen | 19.03.2004
    Die ganz wichtige Neuerung, die bei dieser Brustkrebskonferenz ganz im Vordergrund der Diskussion stehen ist sicherlich: die Hormontherapie nach der Operation, die dazu da ist, das Auftreten späterer Metastasen, Absiedelungen zu verhindern, hat sich deutlich verbessert.

    Kongress-Präsident Fritz Jänicke, Professor für Gynäkologie am Hamburger Klinikum Eppendorf, sagt einen Wandel bei der Hormontherapie voraus, weg vom Standardmedikament Tamoxifen hin zu den sogenannten Aromatase-Hemmern. Sieben von zehn Brusttumoren brauchen Östrogen für ihr Wachstum. In all diesen Fällen macht eine Hormontherapie - sprich die Blockade der Östrogen-Wirkung - Sinn. Bislang erreichten die Mediziner das, indem sie die Östrogen-Rezeptoren auf dem Tumor blockiert.

    Tamoxifen ist das klassische Standard-Antiöstrogen, was man nach der Brustkrebsbehandlung gibt und wir haben große Erfolge diesem Tamoxifen zu verdanken. Es kann bei bestimmten Gruppen von Patienten die Metastasierungsrate fast halbieren, indem man es nach der Operation gibt und das über zehn bis 15 Jahre nach der Operation. Und jetzt haben wir durch diese Aromatase-Hemmer noch einmal eine Verbesserung, also das ist ein echter Fortschritt.

    Mit den Aromatase-Hemmern nimmt die Metastasenbildung und damit letztlich die Zahl der Rückfälle noch einmal um 30 bis 50 Prozent ab, verglichen mit Patientinnen, die Tamoxifen bekommen. Offenbar ist der Wirkmechanismus der neuen Substanzen effektiver. Sie blockieren nicht die Rezeptormoleküle für Östrogen auf dem Tumor, sondern sorgen dafür, dass Östrogen gar nicht erst gebildet wird. Das erreichen sie, indem sie einen wichtigen Schritt bei der Östrogensynthese, die Aromatisierung eines Kohlenstoffrings verhindern. Jänicke:

    Dieser Produktionsschritt bei der Herstellung der weiblichen Hormone, der wird durch diese modernen Aromatase-Hemmer, Enzymhemmer sind es eigentlich, blockiert. Und damit ist die Umwandlung in Östrogene gleich null - die werden praktisch im Körper unter die Nachweisgrenze gedrückt und damit wird dem Tumor der Treibstoff entzogen.

    Zu den Nebenwirkungen der Aromatase-Hemmer gehören daher auch Symptome, die Wechseljahrsbeschwerden ähneln, was allerdings auch für Tamoxifen gilt. Da die meisten Studien mit den Aromatase-Hemmern wegen der guten Ergebnisse sehr früh, nach rund 30 Monaten abgebrochen wurden, gibt es nur wenige Erkenntnisse über Langzeitfolgen der Einnahme, bemerkt Martine Piccart vom Institut Jules Bordet in Brüssel:

    Wir wissen nicht, ob sie nicht schwere Probleme mit den Knochen zu Folge haben, das müssen wir noch abwarten. Zu diesem Zeitpunkt mehren sich Berichte über Osteoporose und es gibt einen leichten Trend hin zu Knochenbrüchen. Eine andere Nebenwirkung könnten Herzkreislauf-Probleme sein. Aber um das zu sehen, brauchen wir Folgestudien von zehn Jahren bei älteren Frauen.

    Einstweilen kämpfen drei große Firmen mit ihrem jeweiligen Aromatase-Hemmer um Marktanteile. Novartis verkauft seinen Wirkstoff Letrozol unter dem Namen Femara. Astra Zenecas Produkt, der Stoff Anastrozol ist als Arimidex im Handel und Pfizer stellt nun zuletzt seine in der Apotheke als Aromasin erhältliche Substanz Exemestan vor. Exemestan ist auch Gegenstand der neuesten großen Studie, die in Hamburg vorgestellt wurde. Behandelt wurden dabei 382 Patientinnen, bei denen der Krebs bereits nicht mehr heilbar war; die eine Hälfte mit Exemestan, die andere mit Tamoxifen. Die Ärzte um Robert Paridaens von der Uniklinik im belgischen Leuven analysierten dabei, wie lange und gut sie den Tumor schrumpfen lassen konnten, beziehungsweise wie viele zusätzliche Monate die Patientin durch das Medikament zu leben hatte. Bei Tamoxifen entsprachen die Ergebnisse früheren Erfahrungen. Piccart:

    Es sind im Schnitt sechs Monate, die man die Krankheit aufhalten kann. Bei Exemestan dagegen sogar zehn Monate, also ein Gewinn von vier Monaten.

    Unklar bleibt dabei, wie gut das Exemestan im Vergleich mit anderen Aromatase-Hemmern abschneidet. Eine solche Studie steht noch dringend aus. Robert Paridaens kann sich aber gut vorstellen, dass Ärzte die drei Substanzen schon sehr bald alternativ zueinander einsetzen werden. Tamoxifen, da sind sich die Mediziner einig, wird als Standardtherapie bald verdrängt sein.

    Tamoxifen war zuletzt ein recht günstiges Medikament, die Patente abgelaufen. Die Aromatase-Hemmer dagegen werden nun erst einmal ihre Entwicklungskosten einbringen müssen, räumt der Hamburger Brustkrebsexperte Fritz Jänicke ein:

    Das wird ein sehr großes Problem werden für die Kostenträger, weil man kann etwas sagen, dass die Aromatase-Hemmer etwa 20 bis 30 Mal so teuer ist wie Tamoxifen.