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Sieglinde, Granola und Co

Biologie. - Rund 500 Teilnehmer zum Teil auch aus außereuropäischen Ländern werden zur 15. "Triennal Conference of the European Association for Potato Research" erwartet. Allein in Deutschland existieren über 180 verschiedene Kartoffelsorten, von denen nur ein kleiner Teil auf dem Teller landen. Der Hauptteil der Knollen mit schillernden Sortennamen wie Sieglinde , Granola, Wally oder Desiree dient zur Alkohol- und Stärkeproduktion oder dient als Tablettengrundlage. Mit Hochdruck arbeiten Forscher an ersten gentechnisch veränderten Kartoffeln, die so einen veränderten Stärkeanteil, zusätzliche Vitamine oder Schädlingsresistenzen erhalten könnten.

15.07.2002
    Von Florian Hildebrand

    Wir haben eine Reihe hochinteressanter Vorträge, etwa auch zu der Produktion von Impfstoffen, die ja in der Regel auch Proteine darstellen, die in der Kartoffel produziert werden können, sodass man mit der Aufnahme der Kartoffel gleichzeitig eine Impfung bekommt, was dann auch für Entwicklungsländer interessant ist

    resümiert Gerhard Wenzel vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der Technischen Universität München-Weihenstephan. Gerade das Massennahrungsmittel Kartoffel biete sich den Gentechnikern als Transportmittel für allerlei gesundheitsfördernde Zusatzstoffe an. Wenzel:

    Man hat jetzt Wege gefunden, wie man in der Kartoffel Karotine einlagern kann. Die Kartoffel hat nicht wie die Möhre oder Gemüse relativ viele Karotine. Karotine nimmt der Mensch in der Regel zu wenig zu sich, bei unserer etwas schnelllebigen Fastfood-Nahrung. So ist der Gedanke, dass man in die Kartoffel, die sehr stark gegessen wird, in Chips, in Pommes frites solche wichtigen Vitaminvorstoffe einbaut und so das zu wenig gegessene Gemüse ersetzen soll

    Vitamin A geht beim Frittieren nicht verloren, im Gegenteil, durch Erhitzung entfaltet es sich erst. Doch dürfen Sieglinde, Granola, Wally, Desiree, Nicola und andere verbreitete Kartoffelsorten in Deutschland nicht mit fremder Erbsubstanz angebaut werden. Das gilt auch für Kartoffeln mit DNA-Abschnitten von Bakterien, die der Pflanze dabei helfen, sich gegen den Kartoffelkäfer zur Wehr zu setzen. Deswegen wollen Gentechniker jetzt verstärkt die 60.000 Gene der Knolle entschlüsseln und in ihren Funktionen verstehen. Wenn sie nämlich Kartoffel eigene Gene an- oder abschalten, verstärken oder abschwächen, würden sie das Anbauverbot für Kartoffeln mit Fremdgenen umgehen. Dabei konzentrieren sie sich auf den Eingriff in den Stärkehaushalt der Knolle; damit wären lukrative Patente für die industrielle Verarbeitung von Kartoffelstärke verbunden. Wenzel:

    Die Stärke setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, aus Amylopektin, einem verzweigten Molekül, und Amylose, einem fadenförmigen Molekül, und es ist in der Chemie sehr schwierig und teuer, die beiden Moleküle zu trennen, die die Pflanze immer in Mischung herstellt. Hier ist eines der Hauptziele, entweder nur Amylose oder nur Amylopektin in der Knolle herzustellen, beides geht inzwischen, sodass man hinterher in der Verarbeitung sehr viel preisgünstiger arbeiten kann.

    Das spielt für die Produktion industrieller Stärke eine Rolle, genauso aber für Kartoffelknödel und Kartoffelbrei, Pommes und Chips. Immer noch ungelöst ist hingegen das Problem Phytophtora infestans, Schrecken aller Kartoffelanbauer, auch der aus der Ökoszene: ein Pilz, der Pflanze und Knollen zur Fäule bringt. Und der in früheren Jahrhunderten schon große Hungersnöte ausgelöst hat. Gegen Phytophtora ist noch kein Kraut gewachsen. Doch jetzt haben Forscher das erste von mehreren Resistenzgenen in die Kartoffel-Erbsubstanz eingebaut. Wenzel:

    Wenn man so zu einer genetisch resistenten Kartoffel kommt, die nicht mehr diese Phytophtera bekommt, wäre das ein enormer Vorteil: weniger Spritzmittel, auch im Ökolandbau wäre eines seiner Hauptprobleme los. Ich sehe dafür gute Chancen und es wird jetzt gerade diskutiert, dass man zunehmend versteht, wie diese Resistenzgene in der Pflanze wirken, so dass man sich künstliche Gene fertigen kann, die das tun, was man gerne hätte.