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Siemens und die Klimaziele
Aufsichtsratssitz für Fridays for Future?

Siemens will bis 2030 klimaneutral sein und baut gerade ein nachhaltiges Image auf. Die geplante Lieferung einer Signalanlage für ein Kohlebergwerk in Australien könnte dieses Image beschädigen. Nun sucht der Konzern eine Lösung und bietet "Fridays for Future" den Dialog und sogar einen Sitz im Aufsichtsrat an.

Von Michael Watzke | 10.01.2020
Ein Transparent mit der Aufschrift «Stay safe, stay sane Australia, stay away Siemens» ist bei einer Kundgebung unter dem Motto «Adani Kohlemine stoppen!» von Extinction Rebellion und Parents für Future vor der Australischen Botschaft zu sehen.
Kundgebung und Aktion «Adani Kohlemine stoppen!» (dpa-Bildfunk / Jörg Carstensen)
Um kurz nach zwei Uhr trat Joe Kaeser in Berlin vor die Presse – allein. Obwohl der Siemens-Chef es anders geplant hatte:
"Ich hätte gehofft und mir gewünscht, dass wir heute zu zweit – Frau Neubauer und ich – Ihnen über unser Gespräch berichten können. Sie musste leider weg und wollte den Dialog hier nicht weiterführen."
Sitz im Aufsichtsrat angeboten
Luisa Neubauer, die Sprecherin von "Fridays for Future", äußerte sich erstmal nicht. Weder auf Twitter noch vor der Presse. Dabei hatte Joe Kaeser der 23-Jährigen im Gespräch gesagt, er hätte sie im Unternehmen Siemens gern an seiner Seite und ihr angeboten, "eine Rolle in der neuen Siemens Energy AG zu spielen. Ich habe ihr angeboten, einen Sitz im Aufsichts- oder Beratungsgremium der neuen Firma [zu übernehmen]. Ich möchte das deshalb machen, damit die Jugend auch zügig in Kontakt mit unternehmerischen Entscheidungen kommt. Dass sie in Aufsichtsgremien gehört werden und einen Beitrag für die Erreichung ihrer Ziele leisten."
400 Demonstranten vor Siemens-Zentrale
Ob die Aktivistin die Einladung annimmt, ist offen. Während sie mit Kaeser in Berlin verhandelte, protestierten vor der Siemens-Konzern-Zentrale in München knapp 400 Demonstranten von Fridays for Future und Greenpeace.
"Hoch mit dem Klimaschutz, runter mit der Kohle!"
Die Demonstranten forderten Siemens auf, den 18-Millionen-Euro–Vertrag mit dem indischen Konzern Adani in Australien zu kündigen: "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie Siemens eine Kooperation mit Adani eingeht. Und damit eines der klimaschädlichsten Projekte unserer Zeit unterstützt. Wir folgen auch "#Stop Adani" eine Bewegung, die aus Australien kommt und die es seit Jahrzehnten gibt. Die setzt sich dafür ein, dass dieser Bau nicht zustande kommt. Sie sagen auch, dass schon viele Unternehmen die Zusammenarbeit gekündigt haben. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit."
Aber wie sich Joe Kaeser entscheidet, ist offen. Der Siemens-Chef kündigte an, bis spätestens Montag eine Entscheidung zu verkünden. Bis dahin will er Gespräche mit dem Vorstand und anderen führen.
"Es gibt den Kunden, es gibt die Regierung von Australien, es gibt die Aktionäre in unserem Unternehmen. Aber wir haben eben auch eine Verantwortung für die Nachhaltigkeit in der Welt."
Verträge sollen künftig auf Nachhaltigkeit geprüft werden
Eine Änderung kündigte Kaeser heute schon an: in Zukunft sollen alle Siemens-Verträge, die besonders umweltrelevante Auswirkungen haben könnten, vom Siemens Sustainability Board geprüft werden, dem Nachhaltigkeits-Gremium des Konzerns. Vorsitzender dieses Gremiums ist der Siemens-Technology-Chef und mögliche Kaeser-Nachfolger Roland Busch. Und dann, vor wenigen Minuten, doch noch die erste Reaktion von "Fridays for Future":
"Wir sind uns jetzt sicher, dass Siemens genau weiß, was auf dem Spiel steht. Wir erwarten daher weiterhin von Siemens ein klares Bekenntnis zu den Klimazielen von Paris, dies kann nur eine vollständige Abkehr vom Adani-Projekt bedeuten", erklärt Luisa Neubauer.
"Entscheidet sich Siemens nun trotzdem für eine weitere Beteiligung an der Carmichael-Mine, kommt das einem Verrat nicht nur an ihren eigenen Klimazielen, sondern auch an unser aller Zukunft gleich, denn Adani würde desaströse Konsequenzen mit sich bringen. Fraglich ist, ob dann noch das 1,5 Grad-Ziel erreichbar ist", so "Fridays for Future".