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Sigmar Gabriel im ZDF
TTIP-Verhandlungen "sind de facto gescheitert"

Schon seit Wochen geht SPD-Chef und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel auf Distanz zum geplanten europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen TTIP. Im ZDF machte er jetzt deutlich, dass er dem Vertrag kaum noch eine Chance gibt. Die Schuld dafür sieht er bei den USA.

28.08.2016
    Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD), hier bei einer Kabinettssitzung im Berliner Kanzleramt am 03.08.2016
    Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD), hier bei einer Kabinettssitzung am 3.08.2016 im Berliner Kanzleramt. (imago stock&people)
    Die Verhandlungen seien "de facto gescheitert, weil wir uns den amerikanischen Forderungen natürlich als Europäer nicht unterwerfen dürfen", so Gabriel wörtlich im ZDF-Sommerinterview. "Da bewegt sich nix." Anders bewertet der Bundeswirtschaftsminister das geplante Abkommen zwischen der EU und Kanada. Ceta verteidigt Gabriel, kritisiert aber, dass dieses oft mit TTIP verwechselt werde. Das habe die Debatte sehr schwierig gemacht.
    Der Vize-Kanzler hatte sich in den vergangenen Wochen mehrfach zurückhaltend zu dem umstrittenen Freihandelspakt TTIP geäußert. Mitte des Monats erklärte er, dass er nicht mehr an einen Abschluss der TTIP-Verhandlungen in diesem Jahr glaube. Deutlicher war zuvor der Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas, Achim Post, geworden. Er sprach im Deutschlanfunk von einem Pfingstwunder, sollte das Abkommen zustande kommen.
    Der Flüchtingsstreit ist zurück
    Deutliche Worte von Gabriel gab es auch zum Thema Flüchtlingspolitik. Der SPD-Chef ging deutlich auf Distanz zur Kanzlerin. Der Union warf er vor, die Herausforderungen in der Flüchtlingspolitik unterschätzt zu haben. Auf Merkels "Wir schaffen das" seien keine Taten gefolgt. Gabriel warf dem Koalitionspartner CDU/CSU eine Blockhadehaltung bei der Integration von Flüchtlingen vor. Außerdem forderte er eine Obergrenze für Integration. "Wir haben immer gesagt, es ist undenkbar, dass wir in Deutschland jedes Jahr eine Million Menschen aufnehmen."
    Kritik an Merkel kam erneut auch aus der CSU. Der bayerische Finanzminister Markus Söder sagte, selbst beim besten Willen werde es nicht gelingen, so viele Menschen aus einem völlig fremden Kulturkreis erfolgreich zu integrieren. Anstelle des Familiennachzugs brauche man "die Rückführung von mehreren Hunderttausend Flüchtlingen in den nächsten drei Jahren", sagte Söder dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
    "Kein zweites Wirtschaftswunder durch Flüchtlinge"
    Experten erwarten inzwischen nicht mehr, dass Deutschland vom Zuzug vieler Flüchtlinge wirtschaftlich profitiert. Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte der "Bild am Sonntag", viele optimistische Prognosen des vergangenen Jahres seien inzwischen kassiert worden. Heute sei klar: "Es wird kein zweites Wirtschaftswunder durch Flüchtlinge geben." Es fehle an Qualifikationen und Schulbildung.
    Nach Angaben des Bundesamtes für Migration sind etwa 70 Prozent der Flüchtlinge erwerbsfähig, bei etwa jedem zehnten handelt es sich um Akademiker. Dennoch werde es "lange dauern und viel kosten", die Menschen in Arbeit zu bringen. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, forderte in der "Rheinischen Post" gesetzliche Lockerungen etwa in der Zeitarbeit, um Flüchtlinge schneller beschäftigen zu können.
    Die Flüchtlingspolitik dürfte auch beim Wahlausgang in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin eine wichtige Rolle spielen. Der neue Landtag in Schwerin wird in einer Woche gewählt. Die Bundeshauptstadt folgt zwei Wochen danach.
    (am/rm)