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Silke Burmester
Wenn die Frauenzeitschrift zur Werbebroschüre wird

Der Ausverkauf journalistischer Grundsätze bei Frauenzeitschriften an die Mode-, Gesundheits- und Kosmetikindustrie ist nicht neu, findet unsere Kolumnistin Silke Burmester. Die Anpreisung einer Sonnencreme in der "Brigitte" aber komme besonders unverblümt daher.

Von Silke Burmester | 16.08.2018
    Eine Frauenzeitschrift und eine Tube Sonnencreme. Foto: M. C. Hurek | Verwendung weltweit
    Das Frauenmagazin "Brigitte" und Sonnencreme gehen in einem Artikel der Ausgabe Nummer 15 Hand in Hand (dpa/ M. C. Hurek )
    Hallo liebe Hörerinnen und Hörer dieser kleinen Kolumne!

    Waren Sie die letzten Wochen auch ganz rammdösig von der Hitze? Dann stellen Sie sich mal vor, wie sehr Sie erst an Ihrem Verstand gezweifelt hätten, hätten Sie ein Interview mit einer der renommiertesten Meeresforscherinnen der Welt gelesen und inmitten des Gesprächs begänne diese, das angebliche Umweltengagement eines Kosmetikkonzerns zu loben und ein neues Produkt des Herstellers zu preisen. Obendrein würde sie sagen, sie glaube nicht, dass die Kosmetikindustrie die Meere in allzu großem Umfang beeinträchtige – und mit dieser Aussage mal eben das enorme Korallensterben durch die üblichen Sonnencremes ignorieren. Ebenso wie die verheerenden Auswirkungen der Mikroplastikpartikel, die weltweit durch Kosmetik ins Wasser gelangen.
    Werbung als Journalismus verpackt
    Das Interview zeigt neben zahlreichen Fotos der Forscherin gut platziert das belobhudelte Produkt, eine Sonnencreme. Sie, liebe Hörerinnen und Hörer würden wohl annehmen, die Hitze hätte Ihnen die Geistesgegenwart geraubt und Sie hätten aus Versehen eine Werbebroschüre des Kosmetikherstellers in die Hand genommen.
    Porträt von Silke Burmester
    Kolumnistin Silke Burmester hat selbst in Redaktionen von Frauenzeitschriften gearbeitet (imago / Sven Simon)
    Aber wissen Sie was?!? Sie haben die Zeitschrift "Brigitte" aus dem Hause Gruner & Jahr vor sich. Die hat in ihrer Ausgabe Nummer 15 ein eben solches Interview mit der Wissenschaftlerin Sylvia Earle veröffentlicht und preist eine Sonnencreme ihres großen Anzeigenkunden Biotherm. Eine Unternehmenstochter von L´Oreal, ein Kosmetikriese, der mit weiteren Marken wie Vichy als Anzeigenkunde immer wieder gut in den diversen Zeitschriften der Marke "Brigitte" vertreten ist.
    Der Ausverkauf journalistischer Grundsätze bei Frauenzeitschriften an die Mode-, Gesundheits- und Kosmetikindustrie ist nicht neu. Auch nicht bei anderen Redaktionen. Doch selten kommt er so unverblümt daher. Die gute alte Schule des Servicejournalismus wäre gewesen, nicht so zu tun, als hätte Biotherm mit der Sonnencreme etwas Sensationelles erfunden, nämlich eine, die die Korallenriffs nicht schädigt. Sondern einfach zu sagen, dass alle Cremes, die auf chemische Sonnenfilter verzichten diesen Effekt haben. Also quasi alle, die bereits als zertifizierte Naturkosmetik auf dem Markt sind. Auch wäre dem journalistischen Anspruch entgegengekommen, würden verschiedene Produkte vorgestellt und nicht nur eines. Aber von dieser Praxis hat man sich entfernt.
    Einfach auf den Titel schreiben: "Von der Industrie gekauft"
    Auch dann, wenn etwa die Frage geklärt werden soll, wie Mirkoorganismen als "Quelle der Jugend" wirken können. Und die Chefredakteurin Brigitte Huber dazu ein Interview ins Blatt hebt, in dem ausschließlich mit der Chefin der Forschungsabteilung bei Biotherm gesprochen wird. Oder man sich den Fruchtsäure-Trend von Dr. Sabine Zenker erklären lässt. Die erwähnt zwar mit keinem Wort die Firma L´Oreal, aber der Werbekunde muss nicht traurig sein, denn die einzige Produktempfehlung, mit der die Redaktion das Interview abrundet, stammt aus dem Haus L´Oreal. Auch verschweigt die Redaktion, dass die gute Frau Dr. Zenker "L´Oreal" als "Partner" auf ihrer Homepage ausweist.
    Ich habe selbst in Redaktionen von Frauenzeitschriften gearbeitet und werde wohl nie vergessen, wie eine Frau aus der Kosmetikindustrie die Beauty-Ressortleiterin am Telefon zusammenbrüllte, weil die Zeilenmenge in denen im Text über ihr Produkt gesprochen wurde, nicht der vereinbarten Zentimeterzahl entsprach. Es fehlten einige Millimeter.
    Man kann das alles so machen. Man kann seinen Namen an die Industrie verkaufen. Aber dann soll man das bitte auch sagen und nicht länger behaupten, man würde journalistische Produkte erstellen. Einfach auf den Titel schreiben: "Von der Industrie gekauft, Inhalte unter Einflussnahme erstellt" - und alles wäre gut.
    Dann wäre es auch nicht so verwunderlich, dass inmitten eines Interviews mit einer Wissenschaftlerin eine Sonnencreme hochgejubelt wird, die fern des Einflusses des Herstellers, etwa bei Öko-Test, sehr schlecht abschneidet. Das 30 Euro teure Biotherm-Produkt "Waterlover" landete bei 27 getesteten Cremes mit einem müden "ausreichend" gerade mal unter den letzten sechs.