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Simbabwe
"Mugabe war zunehmend eine Marionette"

Nach dem inoffiziellen Putsch in Simbabwe sieht es so aus als ob das Systems Mugabe am Ende ist. Positiv bewertet dies Günter Nooke, Afrika-Beauftragter der Bundesregierung: "Dieser Langzeitpräsident war nicht mehr in der Lage alle Geschäfte selbst zu führen", sagte Nooke im Dlf.

Günter Nooke im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 16.11.2017
    Robert Mugabe im Profil
    Der Präsident von Simbabwe, Robert Mugabe (Jekesai NJIKIZANA / AFP)
    Ann-Kathrin Büüsker: Panzer auf den Straßen von Harare, der Hauptstadt von Simbabwe. Das war eine unübersichtliche Situation, die da vorgestern in dem Land im Süden Afrikas begann. Wir nennen es jetzt inzwischen offiziell Putsch, auch wenn der Armeeführer es nicht als Putsch verstanden wissen will. Simbabwes Diktator Robert Mugabe, der ist vorerst unter Hausarrest gestellt, vorerst also abgesetzt. Wie es mit dem Land nun weitergeht, das kann gerade keiner so richtig einschätzen.
    Über die Situation dort sowie die internationalen Reaktionen möchte ich jetzt mit Günter Nooke sprechen. Er ist Afrika-Beauftragter der Bundeskanzlerin im Entwicklungsministerium. Guten Morgen, Herr Nooke.
    Günter Nooke: Guten Morgen, Frau Büüsker!
    Büüsker: Herr Nooke, Sie standen ja gestern den ganzen Tag über immer wieder mit der deutschen Botschaft in Simbabwe in Kontakt. Machen Sie sich Sorgen um die Sicherheit der Mitarbeiter dort?
    Nooke: Nein. Ich bin eigentlich bei dem ganzen Thema jetzt etwas ruhiger. Das ist für mich nicht so verwunderlich, dass die Lage ruhig ist, dass es nicht so gefährlich ist, weil es herrscht ja weiterhin ein Klima der Angst. Das gab es unter Mugabe. Und das, was jetzt geschehen ist – ich würde es auch einen Militärputsch nennen -, das ist, dass das Militär jetzt die Macht übernommen hat, um die Nachfolge zu klären. Mugabe ist unter Hausarrest und ist eigentlich noch der Präsident. Wir haben schon einen Zustand, der gefährlich ist, aber die Menschen sind viel zu trainiert, dass sie genau wissen, was sie sagen dürfen und was sie nicht sagen dürfen, und verhalten sich relativ ruhig. Keiner will dort vom Militär mögliche Konsequenzen, die bis zum Tod gehen können, riskieren.
    Der Afrika-Beauftragte der Bundeskanzlerin, Günter Nooke.
    Der Afrika-Beauftragte der Bundeskanzlerin, Günter Nooke. (dpa / picture alliance / Kay Nietfeld)
    Deshalb ist eigentlich die Frage, geht es jetzt wirklich nur um die Frage, ob die Ehefrau von Mugabe, die Grace Mugabe die Macht übernimmt, oder der vor zehn Tagen entlassene Vizepräsident Mnangagwa. Ich glaube, dass wir uns viel zu schnell wieder darauf orientieren, dass irgendwer - und das wäre dann, so läuft die Entwicklung gerade, der ehemalige Vizepräsident und Mugabe wird wahrscheinlich dann zum Verzicht auf seine Macht gezwungen werden. Ich glaube, dass die Situation wirklich eine Chance bedeutet für eine Öffnung, wenn man eine freie Diskussion zulässt. Das ist der entscheidende Punkt: Kann man ohne Angst diskutieren, wie es in diesem Land weitergeht.
    Büüsker: Jetzt haben Sie aber gerade argumentiert, dass im Moment die Menschen alle noch Angst haben und das Militär erst mal auch gar nichts verändert. Was macht Sie denn dann so optimistisch, dass dort eine Öffnung erfolgen könnte?
    "Die Leute sind gut ausgebildet, die wissen, was sie wollen"
    Nooke: Der Optimismus kommt daher, dass ich vor einem Jahr, als ich das letzte Mal in Simbabwe war, auch mit dem Vizepräsidenten Mnangagwa und mit dem ehemaligen Premierminister der Opposition, des MDC, Herrn Tsvangirai, gesprochen habe und vielen anderen. Aber beeindruckt haben mich die jungen Leute, die ich getroffen habe. Die sind gut ausgebildet, die wissen, was sie wollen, denen geht es darum, dass dieses Land wirklich demokratisch wird, dass andere an die Macht kommen und nicht die Alten, wie sie gesagt haben. Denen traut man nicht.
    Das Militär: Wenn es wirklich nicht geputscht haben will, dann müsste es eigentlich sagen, wir erlauben diesem Land wenigstens mal vier Wochen eine offene Diskussion, wo die Menschen ohne Angst sagen können, wie es hier weitergehen soll. Dann würden sich ganz andere Entwicklungen dort ergeben. Dann, glaube ich, würden diese jungen Menschen sich trauen zu sagen, was sie wollen in diesem Land. Das ist für mich eines der Länder mit dem größten Potenzial in Afrika überhaupt.
    Büüsker: Herr Nooke, wäre aber nicht, wenn der Vizepräsident die Amtsgeschäfte übernimmt, das tatsächlich dann doch eine Fortsetzung des alten Systems, also eine Fortsetzung des Systems Mugabe?
    Nooke: Deshalb habe ich ja gesagt, es wäre gut, wenn das Militär sozusagen nur die freie Diskussion garantieren würde, und nicht, wie es jetzt natürlich schon wieder verhandelt wird, von Südafrika, der SADC, viele internationale Beobachter, die meinen, jetzt müsste im Grunde der ehemalige Vizepräsident dann die Amtsgeschäfte übernehmen, damit nicht diese unsichere Kandidatin, die Ehefrau von Mugabe das, was dort an Privilegien beim Militär, bei vielen anderen Menschen, vielleicht auch bei denen, die aus China dort wirtschaftliche Interessen haben, dass das nicht gefährdet wird. Es geht natürlich um die Machtsicherung nach Mugabe und ich glaube, dass der britische Außenminister Boris Johnson das schon richtig gesagt hat. Es besteht die Chance für Demokratie, aber nicht, wenn ein undemokratischer Wechsel auf den nächsten folgt und im Grunde ein Tyrann den anderen ablöst.
    "Dieser Langzeitpräsident war ja zunehmend eine Marionette"
    Büüsker: Nun ist ja auch ein Putsch ein zutiefst undemokratischer Vorgang. Aber ich höre bei Ihnen trotzdem eine gewisse Freude, dass das System Mugabe jetzt vorbei ist?
    Nooke: Ja, das würde ich schon sagen, wenn ein Diktator abtritt oder offensichtlich ja nicht mehr in der Lage war, das Land ordentlich zu regieren. Aufgrund seines Alters von 93 Jahren war dieser Langzeitpräsident ja zunehmend eine Marionette und nicht mehr in der Lage, wirklich alle Geschäfte selbst zu führen. Und da war natürlich die Frage, macht das jetzt im Hintergrund jemand anders, oder braucht es nicht einen Staats- und Regierungschef, der wirklich auch die Fäden in der Hand hält. Ich glaube noch nicht, dass das der Vizepräsident, der ehemalige Bodyguard oder Geheimdienstchef, jetziger Justizminister, eben dieser Vizepräsident Mnangagwa sein muss, weil das wäre, wie gerade gesagt, dieser Übergang von vielleicht einem Tyrann zum nächsten, und dann wird sich in Simbabwe nicht so viel ändern, weil es nicht nur an Mugabe liegt, sondern das System dann eher so weiter funktioniert.
    Büüsker: Herr Nooke, ich muss da noch mal kurz nachhaken. Sie haben eben gesagt, dass Mugabe unter Umständen eine Marionette gewesen sein könnte. Wer hat dann im Hintergrund die Fäden gezogen?
    Nooke: Das war ja genau die Frage. Das Militär, glaube ich, war immer sehr mächtig. Das hat auch immer natürlich vor allem die meiste Unterstützung beim Vizepräsidenten gehabt und nicht bei der Ehefrau von Mugabe. Und die versuchte sich dort im Grunde durch die Entlassung des Vizepräsidenten wohl in die Nachfolge von Mugabe zu putschen und dann auch auf dem geplanten Parteitag im Dezember dieser Regierungspartei ZANU-PF in die Position bringen zu lassen, die ihr die Möglichkeit gäbe, bei den Wahlen dann anzutreten und zu gewinnen. Es ist schon ein Machtspiel zwischen einem Lager um Mugabe und seiner Ehefrau und dem ehemaligen Vizepräsidenten, und ich glaube, wir müssen einfach mal sagen, wenn das Militär bei dem, was es gesagt hat, wirklich beim Wort genommen wird, das war kein Putsch, dann garantiert die freie Meinungsäußerung, hört auf, dass dieses Klima der Angst alle davon abhält, mal offen zu diskutieren, was in diesem Land eigentlich nötig, aber auch möglich wäre. Da hatte ich ja drauf hingewiesen, da gibt es in allen Parteien junge Leute, über alle Ethnien, über alle anderen Unterschiede hinweg, die sagen, wir haben hier ein Interesse, dass dieses Land anders regiert wird und nicht nur irgendwie wieder weiter regiert wird ähnlich wie unter Mugabe.
    Büüsker: Wäre das jetzt vielleicht auch ein Moment, wo eine Initiative von außen, vielleicht von Europa gerade diese Menschen unterstützen könnte?
    Nooke: Ja gut, das kann man nicht von außen. Ich glaube, das wissen die Menschen vor Ort nur selbst. Zurzeit ist es gefährlich, wenn jemand sagen würde, was ich gerade gesagt habe, kann man als junger Mensch in Harare zurzeit nicht sagen. Das heißt, man wird dort weggefangen. Das heißt, man muss erst mal von außen den Druck überhaupt erhöhen, und das versuche ich hier gerade, dass es zu einer freien Diskussion kommt, dass man mal sagt, lasst uns doch mal jetzt nicht gleich den nächsten Geheimdienstchef in den Chefposten hieven und im Grunde dann so weitermachen wie vorher, sondern lasst uns doch mal angstfrei diskutieren, was wollen wir hier eigentlich. Das wäre der erste Schritt und dann können natürlich auch andere von außen diese freie Diskussion, die in Simbabwe stattfinden muss, zwischen den jungen Menschen garantieren. Dafür sind Botschaften, dafür sind internationale Gremien da. Auch der UN-Generalsekretär hat ja gesagt, wir wollen mit friedlichen Mitteln die Lage lösen. Bloß friedliche Mittel heißt nicht, dass es jetzt ohne Tote den Übergang von einem Tyrann zum nächsten gibt, sondern dass es wirklich friedlich eine Diskussion gibt, wie es weitergehen soll.
    Büüsker: … sagt Günter Nooke. Er ist Afrika-Beauftragter der Bundeskanzlerin im Entwicklungsministerium. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen, Herr Nooke.
    Nooke: Ich danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.