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Simbabwe vor der Wahl
Marodes Land ohne Bargeld

Es sind die ersten Wahlen seit fast 40 Jahren zu denen der im November auf Druck des Militärs zurückgetretene Staatschef Robert Mugabe nicht mehr antritt. Die alles entscheidende Frage für viele Simbabwer ist die Ankurbelung der Wirtschaft - denn das Bargeld ist knapp im Land.

Von Leonie March | 30.06.2018
    Kontoinhaber sitzen vor einer Filiale der Barclasy Bank in Harare (Simbabwe) um Bargeld abzuheben
    Wer in Simbabwe Geld abheben möchte, braucht Zeit und Geduld (dpa / Watson Ofumeli)
    Ein Supermarkt in Simbabwes Hauptstadt Harare. Statt ihrer Portemonnaies ziehen die meisten Kunden an der Kasse ihr Handy aus der Tasche. Sie tippen einen Code für das Telefonbanking ein, der Betrag geht so vom Konto direkt an das Geschäft, eine SMS bestätigt die Überweisung, der Einkauf ist perfekt. Kudzai Mubaiwa hat auf diese Art gerade ein paar Bananen gekauft.
    "Wir hätten nie gedacht, dass wir einmal Bananen für einen Dollar mit unserem Telefon bezahlen würden. Aber mittlerweile ist das ganz normal. Es gibt mehrere Anbieter für bargeldlose, mobile Zahlungen. Zunächst gab es zwar Widerstand von Unternehmen und Bürgern, aber bald war klar, dass es keine Alternative gibt. Ein Nachteil ist, dass die Kaufkraft damit sinkt. Ein Dollar via Telefonbanking ist etwa 40 Prozent weniger wert als der gleiche Betrag in bar."
    Keine eigene Landeswährung mehr
    In einigen Geschäften werden deshalb mehrere Preise ausgewiesen – für Bezahlungen in bar, mit Karte oder per Telefon. Für viele Simbabwer wird der Lebensunterhalt so noch teurer, als er ohnehin schon ist. Weil in ihrer Heimat kaum noch Waren produziert werden, müssen diese importiert und mit US-Dollar bezahlt werden. Eine eigene Landeswährung gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Durch Hyperinflation war sie vollkommen wertlos geworden.
    November 18, 2017 - London, London, UK - London, UK. Zimbabweans dance and celebrate outside the Zimbabwe Embassy in London to demonstrate in support of the ousting of President Robert Mugabe. London UK PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAl94_ 20171118_zaf_l94_029 Copyright: xVickiexFloresx
    Nach dem Ende der Ära Mugabe wünschen sich die Menschen in Simbabwe einen Neustart. (imago stock&people)
    Um die Bargeldkrise wenigstens etwas abzufedern, hat die Zentralbank sogenannte "Bond Notes" drucken lassen, Schuldscheine, die innerhalb Simbabwes als lokale Währung gelten. Offiziell sind sie genauso viel wert wie US-Dollar. Doch die Realität sehe anders aus, sagt Jungunternehmer Tawanda Kembo.
    "In der Bank gilt dieser Umrechnungskurs von eins zu eins tatsächlich. Aber draußen vor der Tür stehen Leute, die einem gern einen besseren Kurs anbieten, Aufschläge von 50 bis 70 Prozent."
    Der US-Dollar ist in Simbabwe daher nach wie vor heiß begehrt.
    "There is always one confident one who says: Can I swipe for you? Can I pay with my card, then you give me that cash?"
    Es gebe immer jemanden, der anbiete per Karte für den Einkauf zu bezahlen und dafür das Bargeld zu kassieren, meint Kudzai Mubaiwa, während sie den Laden mit ihrer Tüte Bananen verlässt.
    Meterlange Schlangen vor der Bankfilialen
    Draußen stehen die Leute vor den Bankfilialen meterlang Schlange. Auch das gehört nun schon seit Jahren zur Normalität in Simbabwe. Oft warte man stundenlang, erzählt Mubaiwa. Einige übernachten sogar vor den Banken, um dann trotzdem nur einen kleinen Betrag abheben zu können. Mehr rücken die Banken nicht heraus. Aber den Bürgern bleibt keine andere Wahl, denn ganz ohne Bargeld lässt sich der Alltag nicht bewältigen.
    "In den ärmeren Stadtvierteln, in den kleinen Geschäften, an den Ständen der Straßenhändler, in den Bussen und Minibustaxis kann man bis heute nur bar bezahlen. Die meisten Leute hoffen immer noch, dass wir irgendwann wieder zu einer Normalität mit Bargeld zurückkehren."
    Knappes Bargeld als bestimmendes Wahlkampfthema
    Kein Wunder also, dass die Bargeldknappheit eines der beherrschenden Themen im Wahlkampf ist. Oppositionsführer Nelson Chamisa verspricht vollmundig, dass er die Krise in nur zwei Wochen lösen könne. Wie er das schaffen will, ist unklar. Er spricht lediglich davon, die "Bond Notes" abzuschaffen und eine Währung einzuführen, deren Wert sich am südafrikanischen Rand orientiert, statt am starken US-Dollar.
    Oppositionsführer Nelson Chamisa
    Oppositionsführer Nelson Chamisa (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)
    Auch der amtierende Präsident und Spitzenkandidat der Regierungspartei Zanu PF, Emmerson Mnangagwa, verspricht Simbabwe eine eigene Währung, deren Stabilität durch die Gold- und Diamantenreserven des Landes garantiert werden soll. Bei einem Treffen mit lokalen Unternehmern in Harare sagte er:
    "Ich weiß, dass sich alle über das knappe Bargeld beklagen. Es wird Zeit brauchen, diese Krise zu lösen, aber ihr solltet mich trotzdem wählen. Übrigens setzen viele erfolgreiche Wirtschaftsmächte der Welt auf einen bargeldlosen Handel. Wir sind zwar nicht auf dem gleichen Niveau, aber wir sollten wissen, dass das die Zukunft ist."
    Emmerson Mnangagwa, der Präsident von Simbabwe
    Emmerson Mnangagwa, der Präsident von Simbabwe (imago / Shaun Jusa )
    Für die meisten Simbabwer, die im Alltag viel Zeit aufbringen müssen, um an ein wenig Bargeld zu kommen, ist das ein schwacher Trost. Sie erhoffen sich von der neuen Regierung nicht nur wolkige Zukunftsvisionen, sondern konkrete Schritte zur Ankurbelung der Wirtschaft. Denn ohne Investitionen fließt auch kein Geld ins Land.