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Simulatoren für alles Mögliche

IT.- Supercomputer sind nicht bloß Rechenkünstler. Ihr Einsatz trägt mehr zum Wohlstand eines Landes bei, als wohl mancher glaubt. Warum, das erklärt Wissenschaftsjournalist Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber.

25.06.2011
    Manfred Kloiber: Noch führen Japan und China die Top-500-Liste der Supercomputer in diesem Jahr an. Und wo die erstplatzierten Extremrechner entwickelt und betrieben werden, interessiert nicht nur Informatiker und Computerbauer, sondern auch Volkswirtschaftler und Regierungen. Denn der Wohlstand vieler Länder hängt inzwischen vom geschickten Supercomputer-Einsatz mit ab. Woran liegt das, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Das hat eine ganz einfache Ursache. Es geht darum, dass Simulationen für die Produktentwicklung unentbehrlich geworden sind. Bei den Autos wissen wir das: Ohne Strömungssimulationen werden heute weder Pkw noch Lkw entwickelt. Aber auch beispielsweise die Finne von Surfboards wird mit Supercomputern getestet. Da wird dann virtuell gesurft. Oder auch ganze Skateboards werden – bevor sie dann wirklich auf den Markt kommen – erst einmal mit Supercomputern simuliert, wie sie denn wirklich im Einsatz, wenn so ein Skateboard dann tatsächlich in der Halfpipe unterwegs ist, sich dann auch verhalten. Oder ein andere Beispiel: neue Medikamente. Das ist nur ein Anwendungsbeispiel aus der Medizin. Es gab Medizin-Informatiker, die haben in Hamburg beispielsweise Strömungsmodelle gezeigt. Die haben sie aus der Simulation – aus dem Bereich Wasserkraftwerke – einfach übernommen und auf das Herz übertragen. Und bei diesen Strömungsmodellen, bei diesen Simulationen konnten Sie dann feststellen: Wo lagern sich dort Plaque-Ablagerungen an? – und konnten auf diese Weise auch sehr frühzeitig sehen: Aha, da und dort droht ein Herzinfarkt. Und der konnte natürlich dann vermieden werden. Also für die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft, auch für Medizinanwendungen, sind Computer inzwischen der ganze entscheidende Faktor geworden.

    Kloiber: Inzwischen haben sich ja bei den Supercomputern sogenannte Multicore-Systeme als die vorherrschende Architektur herausgestellt, durchgesetzt. Auch der neue K-Computer hat diese Architektur. Worin liegt der Vorteil?

    Welchering: Das ist einfach wahnsinnig schnell. Und das hat damit zu tun, dass der K-Computer aus knapp 70.000 Prozessoren in der jetzigen Ausbaustufe besteht. Und jeder Prozessor hat acht Rechnerkerne oder Prozessorkerne oder Mulitcores oder einfach Cores genannt – sind also 560.000 Kerne in der jetzigen Ausbaustufe. Und das wiederum hat dann eben den Vorteil, dass diese Multicore-Technologie es erlaubt, dass spezielle Rechenanwendungen von einem speziell dafür konstruierten Prozessorkern durchgeführt werden können, der besonders eben dafür konstruiert wurde und deshalb sehr schnell ist. Der Prozessor selbst verwaltet seine Rechnerkerne weitgehend autonom, der weißt ihm auch eigenen Speicher zu. Und über die zu bearbeitenden Daten haben wir dann eben den Fakt und die Möglichkeit, dass die sehr viel schneller ausgetauscht werden können als bei herkömmlichen Supercomputern. Und der Prozessor – und das ist der zweite Punkt – sorgt auch selbstständig für den Datenaustausch mit den anderen Prozessoren, hat einen gemeinsamen Speicher mit denen. Und die errechneten Daten können dann eben sehr, sehr viel schneller weiterverarbeitet werden.

    Kloiber: Als die Multicore-Technologie ihren Siegeszug begann, gab es auch Befürchtungen, dass nicht genügend Programmierer Software für diese Supercomputer-Architektur entwickeln können. Hat sich diese Situation verändert?

    Welchering: Nein, weltweit nicht. Da werden immer noch Software-Entwickler für Hochleistungsrechner gesucht. Und tatsächlich sagten auch einige Leute aus der Personalabteilung von Supercomputer-Herstellern, Software ist ja inzwischen ungefähr das Siebenfache der Umsätze, die sie mit der Hardware machen. Und da haben sie viel zu wenig Leute. Wer zu ihnen kommt als Programmierer kann meistens Java, kann meistens C, aber kann dann MPI oder ähnliche Sprachen überhaupt nicht mehr, auch Fortran, das immer noch in diesem Bereich eingesetzt wird. Und da besteht ein riesiger Bedarf. Erstaunlicherweise kommen sehr viele Simulationspakete für solche Multicore-Technologien von gemischten Teams. Und da liegt der Standort Deutschland gar nicht so schlecht. Physiker, Mathematiker und Computerwissenschaftler entwickeln das nämlich. Und da hat in den vergangenen Jahren zwar der Entwicklungsstandort Deutschland für Simulationspakete gewonnen, droht aber insgesamt wieder ein wenig zurückzufallen, weil nämlich der Fokus der Forschungsförderung sich ein wenig von diesem Multicore-System wieder wegverlagert hat. Deshalb haben auch die Experten in Hamburg gefordert: Wenn ihr den Entwicklungsstandort Deutschland behalten wollt, dann muss hier wieder mehr in die Forschungsförderung investiert werden.

    Kloiber: Kommen wir noch einmal auf den K-Computer zurück, ein Detail interessiert mich noch. Wie viel Strom verbrauchen eigentlich diese 560.000 Prozessorkerne?

    Welchering: Zehn Megawatt. Das ist ganz viel, fast soviel wie beispielsweise ein Kraftwerk wie etwa Neckarwestheim 2 produziert. Das Problem liegt darin, dass es so viele sind. Denn eigentlich ist er sehr energiesparsam – 825 Megaflops brauchen nämlich nur ein Watt. Aber weil es dann so viele sind, kommt dann eben diese hohe zustande und das steigert sich noch. Das ist ein echtes Problem für die Supercomputer-Hersteller.