Dienstag, 16. April 2024

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Singer-Songwriter Wolfgang Michels
Vermächtnis einer verkannten Größe

Gleich sein erstes Lied brachte Wolfgang Michels ins Swinging London der 60er, in den 70ern nahm der Singer-Songwriter in den USA auf und errang den Deutschen Schallplattenpreis, dennoch blieb er vor allem Insidern bekannt. 2017 ist Michels gestorben, nun erschien sein letztes Album "Erntezeit" - ein Kleinod!

Von Fabian Elsäßer | 02.12.2018
    Ein Mann im dunkelgrüner Jacke steht vor einer blauen Wand und blickt in die Kamera
    Wolfgang Michels wurde 1967 von Alexis Korner entdeckt (Picture Alliance)
    Musik: "Desert Walker"
    Es begann 1968 mit diesem Lied. "Desert Walker". Eigentlich nur ein Demo-Band. Da war Wolfgang Michels gerade mal 17 Jahre alt. Seinen Mitschülern an einem Berliner Internat gefiel der Song so gut, dass sie in versuchshalber einfach an die BBC in London schickten.
    Wolfgang Michels: "Ich hab gesagt, das bringt eh nichts. Da liefen halt Rolling Stones und die ganzen angesagten Sachen zu der Zeit, Wilson Picket, Aretha Franklin. Und das Wunder geschah, dass BBC London den Song gespielt hat in der darauffolgenden Woche, und in der wiederum darauffolgenden Woche war er plötzlich auf Platz zwei hinter den Rolling Stones."
    Musik: "Desert Walker"
    Zufälligerweise hatte diese Sendung Alexis Korner gehört, ein Urvater des britischen Blues. Auch ihm gefiel das Lied vom Wüstenwanderer so sehr, dass er unbedingt den Urheber kennenlernen wollte.
    "Dann hat er meine Nummer rausbekommen über BBC London und die Leute und hat dann bei mir angerufen, hat mich nach London eingeladen, hat mich da in der Szene eingeführt. Am zweiten Abend sind wir in einen Jazzclub gegangen, One Hundred Club in London, da stand Miles Davis auf der Bühne mit aufgeblasenen Backen, und im Publikum waren Mick Jagger, Keith Richards, Eric Clapton, Steve Marriot, so die ganzen Freunde von Alexis. Und er hat mich da vorgestellt. Ich stand völlig neben mir, ich war sehr schüchtern zu der Zeit und wusste damit gar nicht umzugehen."
    Musik: "Percewoods Onagram"
    Korner schrieb auch den Einführungstext für das Debütalbum von Michels kurze Zeit später gegründeter Band Percewoods Onagram. Bis 1974 nahm die Gruppe ein paar Alben auf, die hochgelobt wurden, auch von ausländischen Medien, die auch Fernsehauftritte nach sich zogen, die aber keine große Käufermasse ansprachen.
    Musik: "Percewood"
    Ein Schicksal, das auch viele Solo-Alben des 1951 geborenen Künstlers erlitten. Aber er feierte auch Triumphe. Der namhafte Musikwissenschaftler und Autor Siegfried Schmidt-Joos pries ihn als den ersten Deutschen, "der mit Sensibilität für musikalische Zeitströmungen ausgereifte Folk-Rock-Kompositionen vorlegte".
    Musik: "Dig it"
    Das lag womöglich an Wolfgang Michels Weltoffenheit. Seine ersten Soloalben nahm er in Kalifornien mit Musikern und Technikern aus dem Umfeld von Neil Young auf. "Full Moon California Sunset" wurde 1978 mit dem deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet. Vergleiche mit dem Westcoast—Rock begleiteten Michels Zeit seines Lebens, auch nach dem Wechsel zur deutschen Sprache. Er selbst ordnete seine Musik in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk im Jahr 2008 folgendermaßen ein.
    "Ich würde sagen, es ist eine Art von auch aus heutiger Sicht noch zeitgemäßer, moderner Singer-Songwriter-Musik, die aber eben im Pop-Rock-Bereich angesiedelt ist und eine ganz eigene Stilistik hat. Also eigentlich zeitlos, ne?"
    Musik: "Ein genialer Tag"
    Zeitlos sind auch sein letztes, posthum erschienenes Album, "Erntezeit" und die Single "Genialer Tag" - genauso wie seine Themen. Michels wollte in erster Linie vom - wie er es nannte - gelebten Leben singen, obwohl er in den 80er Jahren schon auch mal einen Song
    Musik: "Geisterhaus"
    Wehmütig wimmernde Gitarren, eine akustische Sechssaitige zur rhythmischen Grundbegleitung, ein trockener Snare-Sound, darüber naturbelassener Gesang ohne jeden Anflug von Pressen. So klangen frühere Alben von Wolfgang Michels, und so klingen auch die Songs von "Erntezeit".
    Musik: "Der Mond dreht sich weiter"
    Michels selbst schien es übrigens nie besonders zu stören, dass er nicht genauso erfolgreich war wie andere Künstler seiner Generation. So jedenfalls wirkte es bei der Vorstellung seines vorletzten Albums "Zuhause" im Jahr 2008.
    "Manchmal ist es schon ein bisschen komisch gewesen, dass ich Dinge gemacht habe, die dann zwei, drei Jahre später andere ähnlich gemacht haben. Ich war manchmal leider zu früh da, muss ich sagen. Das sagen mir auch viele Kritiker. Aber das hat auch seinen Vorteil, dass man sich dann wieder freier entwickeln kann, wenn dieser enorme Erfolgsdruck, der natürlich bei so Menschen wie Grönemeyer dann entsteht oder Udo, wenn man dem nicht ausgesetzt ist. Aber man sieht ja, im Augenblick passiert mit diesem Album eine ganze Menge, und es ist ja nicht ausgeschlossen, dass mir sowas nicht noch widerfährt".
    Es ist traurig genug, dass es dazu nicht mehr gekommen ist. Doch tröstlich zu wissen, dass er noch Zeit hatte, sein letztes Album "Erntezeit" so fertigzustellen, dass es genau seinen Vorstellungen entsprach.
    Musik: "Der Mond dreht sich weiter"