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Sinne beeinflussen sich gegenseitig

Medizin. - Im kalifornischen San Diego treffen sich derzeit die amerikanischen Hirnforscher zu ihrer Jahrestagung. Auf der Tagung deutet sich an, dass das Bild der strikt getrennten Sinneszentren im Gehirn ins Wanken gerät. Forscher der Universität Oxford untersuchen das am Beispiel der gegenseitigen Beeinflussung von Gesichts- und Geschmackssinn.

15.11.2001
    "Unsere Wahrnehmung, etwa die Freude am Essen hängt nicht nur mit dem Geschmack, sondern auch mit dem Aussehen, den Farben, dem Geruch, sogar mit dem Knuspern, das wir im Mund spüren, zusammen", erklärt Neurologie-Professor Gemma Calvert. Mit der hergebrachten Vorstellung von strikt getrennten Verarbeitungszentren für Sinneswahrnehmungen im Hirn verträgt sich ein solcher Ansatz weniger gut. Doch Calvert kann entsprechende Untersuchungsergebnisse vorweisen. Mit der funktionellen Magnetresonanztomographie untersuchte er die Gehirnaktivität von Versuchspersonen während eines speziellen Tests. Ihnen wurden Geruchsproben von Erdbeeren zusammen mit passenden und unpassenden Farben vorgeführt und dabei wurde die Aktivität der unterschiedlichen Gehirnregionen gemessen. "Wir haben gesehen, dass die Hirnregionen, die den Geruch verarbeiten oder an positiven Stimmungen beteiligt sind, durch die Darbe deutlich beeinflusst wurden. Wenn Geruch und Farbe zusammenpassten, steigerte sich ihre Aktivität erheblich", berichtete Calvert. Passten Farbe und Geruch nicht zusammen, waren die Zentren weniger aktiv als wenn der Geruch allein präsentiert wurde.

    Dass zwei Sinneskanäle sich gegenseitig beeinflussen, haben bereits US-Forscher gezeigt, die herausfanden, dass zwei kurze scharfe Töne die Wahrnehmung eines Lichtblitzes so veränderten, dass Testpersonen ihn als zwei getrennte Blitze wahrnahmen. Die US-Wissenschaftler konnten auch zeigen, dass diese Beeinflussung bereits ganz früh in der Verarbeitungskette einsetzt. Eine Tatsache, die sich mit der strikten Trennung im bisherigen Modell nicht verträgt.

    Dabei sind diese neurologischen Forschungen nicht nur Grundlagenwissenschaft. Möglicherweise ist die gegenseitige Beeinflussung der Sinne sogar von unmittelbarer Relevanz für die Konsumgüterindustrie. "Wenn man das Aussehen einer Oberfläche künstlich verändert, fühlt sie sich weicher an", so Calvert, "sie hat die ganze zeit dieselbe Struktur, aber sie fühlt sich besser an, wenn man die optischen Eigenschaften verändert."

    [Quelle: Volkart Wildermuth]