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Skat war gestern, Bridge ist heute

Omar Sharif nannte es "die zweitschönste Nebensache der Welt", auch Bill Gates lobte seine Qualitäten. Die Rede ist von Bridge, jenem Kartenspiel, das angeblich vor allem von alten Damen gespielt wird. Jetzt haben im Berliner Szenebezirk Neukölln Bridgeabende regen Zulauf.

Von Ralph Gerstenberg | 04.04.2012
    Eine ehemalige Fleischerei in Berlin-Neukölln, die nun als Szenetreff dient: die Wände weiß gefliest, das Mobiliar vom Sperrmüll, hinter dem Halbrundtresen ein altes Schild, auf dem in Großbuchstaben "GELEGENHEITEN" steht. Das Publikum, das nach und nach die Räume füllt, ist zwischen fünfzehn und sechzig. Die meisten sind jedoch um die Dreißig oder Vierzig, so genau kann man das nicht sagen. Sie tragen Sneaker und Kapuzenpullis und sehen aus, als würden sie sich auf einen gepflegten Abend mit Indie-Mucke und Flaschenbier freuen. Dabei eint sie vor allem ein Interesse: Bridge – jenes Kartenspiel also, das angeblich alte Damen beim Tee zu spielen pflegen.

    "Das Klischee, dass Bridge hauptsächlich von alten Tanten gespielt wird, um es mal zugespitzt zu sagen, ist auch so eine self-fulfilling prophecy. (...) Ich hab mein erstes Turnier auch in einer Seniorenfreizeiteinrichtung in Berlin-Nord gespielt. Und hab mich dann schon gefragt, was mach ich hier eigentlich' Weil ich mir schon ein bisschen nerdig dabei vorkam."

    Mieke Plath ist alles andere als eine alte Tante. Die dreißigjährige Mitinitiatorin der Bridgeabende gehört zum Verein, der die Subkulturkneipe GELEGENHEITEN betreibt. Zum Bridge kam sie über einen Uni-Sportkurs. Danach stellte sie fest, dass es gar nicht so leicht ist, einen geeigneten Bridge-Club zu finden.

    "Innerhalb der Bridge-Szene hat man die Spieler, die so unter vierzig waren an einer Hand abzählen können. Zwei davon sind Michael Frühling und ich gewesen. Und wir fandens ätzend, dass es sowenig Spieler gibt, mit denen man sich in unserem Alter auch mal treffen kann, zum anderen dass die Bridge-Clubs, wie haben beide in Neukölln gewohnt, so schrecklich weit weg waren. (...) Da haben wir uns überlegt, dass wir halt das hier ins Leben rufen."

    Michael Frühling erklärt zehn Anfängern in einem Bridgekurs die Spielregeln. Im Nebenraum üben die Fortgeschrittenen. Der 33-jährige Sozialwissenschaftler sitzt vor Papiertafeln auf denen "Reversreizung", "Stayman" und "Einfärber" steht. Seine Begeisterung für das Spiel scheint sich auf die Zuhörer zu übertragen. Sie fragen nach, machen sich Notizen. Als Skatspieler hat man beim Bridge gute Voraussetzungen, erklärt er. Es wird gereizt, bedient, gestochen. Allerdings gibt es auch wesentliche Unterschiede.

    "Beim Bridge ist es ja so, dass es egal ist, ob man gute oder schlechte Karten hat und dass die Karten von einem Tisch zum nächsten Tisch gehen, und die mit genau denselben Karten spielen wie der Tisch davor. (...) Daher kommt dieser Wettbewerbsgedanke beim Bridge, anders als beim Doppelkopf oder beim Skat, wo man immer neu mischt und man Glück haben kann, wenn man viele Buben abkriegt, oder auch nicht."

    Bridge ist ein Sport. Wie beim Fußball gibt es Weltmeisterschaften, Pokalturniere und einen Ligabetrieb. Um daran teilzunehmen haben die Neuköllner Bridgespieler einen eigenen Klub gegründet, den "BC Gegenspiel Neukölln". In ihrer ersten Saison kämpfen die Jungster um den vorletzten Platz in der untersten Liga. Zum Bridgespielen gehöre eben auch Erfahrung, meint Michael Frühling. Außerdem sei Bridge ein Partnerspiel, das heißt, zwei Spieler bilden ein Team.

    "Es ist auch schwierig, den richtigen Partner zu finden, der einem die ganzen Fehler nicht krumm nimmt und der eine möglichst positive Ausstrahlung auf einen selbst hat. Häufig funktioniert es so, dass da Partner anfangen zu meckern über ihren Partner und sich zu beschweren: Warum hast du da nicht den König gelegt, da hättest du doch dies reizen müssen' Hmm."
    In den zwanziger Jahren soll ein Mann seine Ehefrau nach einem Bridgeabend erschossen haben. Michael Frühling rät deshalb davon ab, mit seinem Lebenspartner ein Bridgeteam zu bilden.

    "Wenn man mit seinem Lebenspartner spielt, hat man häufiger das Problem, dass man nach dem Turnier zusammen nach Hause fährt und sich dann auch abends noch sieht. Dann grübelt man möglicherweise über die ganzen Sachen noch mal nach und hat dann hinterher keine bessere Meinung von dem Partner, wenn man über das nachdenkt, was der an dem Abend so gemacht hat. Also das ist so ein bisschen gefährlich."

    In den "GELEGENHEITEN" wirkt alles noch sehr entspannt. Ruhig und konzentriert sitzen die Bridge-Spieler an den Tischen. Es gibt keine Sprüche wie beim Skat, keine fliegenden Karten, fast nonverbal scheinen die Spieler miteinander zu kommunizieren. Das Klischee von den Bridge spielenden älteren Damen wird hier ebenso wenig bedient wie das elitäre Image, das dem Spiel immer noch anhaftet. Hier spielt jeder mit jedem, sogar ein Schüler sitzt mit am Tisch.

    Schüler: "In meinem Umfeld weiß gar keiner mehr, was Bridge ist. Hab schon geschafft, ein paar zu interessieren von meinen Mitschülern."

    Frau: ""Der Kommentar von meiner Mutter war dazu: Wenn ich in Rente bin, fang ich damit an."

    Mann: "Das Image hat's in Deutschland. Zu Unrecht. Also warum, weiß ich nicht."