Dienstag, 23. April 2024

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Skepsis, Missgunst, Finanzmisere

Türklopfen: "Ja!" - "Guten Tag." - ! "Ach, Sie kommen bestimmt wegen der Klausur" - "Stimmt genau, ja." - "Ok, dann nehmen Sie mal Platz".

Von Ulrich Kurzer | 27.07.2004
    Vera Husfeldt ist Juniorprofessorin am Pädagogischen Seminar der Uni Göttingen. Sie beschäftigt sich dort mit empirischer Schulforschung. Ihr Büro befindet sich im Dachgeschoß eines Altbaus in einer ruhigen Seitenstraße.

    Ich hab' jetzt vier Semesterwochenstunden Lehrdeputat, und das wird auch so weiterbleiben, ich habe in diesem Semester eine Vorlesung gemacht zur Statistik, das ist 'ne Pflichtveranstaltung für Sozialwissenschaften und das waren dann, jetzt hatte ich in der Klausur 250 Studierende und in den Seminaren sind das, na, zwischen 20 und 40.

    Vera Husfeldt hat ihre Juniorprofessur im Alter von 34 Jahren im Oktober 2002 angetreten. Davor war sie Hochschulassistentin in Berlin.

    Im Gegensatz zu der Arbeit als wissenschaftliche Assistentin ist die Arbeit hier als Juniorprofessorin natürlich viel selbständiger. Ich kann meine Lehre selbständig planen und durchführen und gleichzeitig Forschungsprojekte initiieren und planen, durchführen.

    Die Eigenverantwortung als Juniorprofessor ist auch für den Geobiologen Gert Wörheide ein großer Vorzug. Er hat ebenfalls eine Lehrverpflichtung von vier Semesterwochenstunden und war 37 Jahre alt, als er vor zwei Jahren die Stelle antrat, für die er aus Australien zurückkam.

    Meine Erwartungen haben sich durchaus erfüllt mit eigenständig Forschen, ich kann meine eigenen Sachen machen, hab' meine eigenen Studenten, habe mein eigenes neu ausgestattetes Labor, dazu muss ich aber sagen, dass die Ausstattungsmittel für Naturwissenschaftler, wenn man ein neues Labor, zum Beispiel so wie ich, aufbaut, waren die Ausstattungsmittel viel zu wenig.

    Ganz ähnlich sind die Erfahrungen des Molekularbiologen Oliver Einsle. Er kam im Dezember 2002 aus den USA, vom California Institute of Technology, und wurde mit 32 Jahren Juniorprofessor in Göttingen. In seinem Labor sorgt die Klimaanlage für gutgekühlte Bakterien; sein Forschungsfeld : Über die finanzielle Ausstattung seiner Stelle berichtet er:

    Was ich von der Universität bekomme ist in der Tat nur meine eigene Stelle. Ich hab' keine Verbrauchsmittel und keine Personalmittel von der Universität, hab' aber vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 'ne Anschubfinanzierung gekriegt, wie die anderen Juniorprofessuren auch, und musste darüber hinaus dann eben an die Deutsche Forschungsgemeinschaft Anträge stellen und mir Personalmittel und Verbrauchsmittel darüber einwerben.

    Demnächst werden Vera Husfeldt, Gert Wörheide und Oliver Einsle evaluiert, ihre Arbeit wird von einer Kommission bewertet. Anschließend wird entschieden, ob sie weitere drei Jahre angestellt forschen und lehren können. Alle drei möchten das und haben deswegen heute mit Interesse nach Karlsruhe geschaut. Doch mit dem heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat keiner von ihnen gerechnet. Vera Husfeldt ist sehr enttäuscht.

    Also, ich denke die Entscheidung ist natürlich 'ne kastastrophale Entscheidung und ich bin sehr enttäuscht darüber, also ich kann das Urteil überhaupt nicht verstehen.

    Gert Wörheide weiß noch nicht genau, was er von dem Richterspruch halten soll.

    Ja, also diese Entscheidung begrüße ich nicht, find' ich schade, und da muss ich mir erstmal Gedanken 'drüber machen.

    Auch Oliver Einsle ist sehr enttäuscht von dem Urteil und denkt darüber nach, ins Ausland zu gehen.

    Ich finde es sehr enttäuschend, dass die Entscheidung so gefallen ist und ich denke, dass das deutsche System mit den weitreichenden Länderkompetenzen in der Bildungspolitik kein optimales System ist. Wenn die beruflichen Perspektiven nicht gegeben sind, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen auf 'ne Habilitation umzusteigen, ich kann mir allerdings durchaus vorstellen, mich im Ausland zu bewerben.