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Skihallen
Das ganze Jahr Schneevergnügen oder weißer Wahnsinn?

Fünf Alpin-Skihallen gibt es in Deutschland, die das ganze Jahr mit Kunstschneepisten locken. Es gibt Kletterparks und Kartbahnen, Paintball und Bowling, Skydiving oder Wellenreiten und jede Menge Après-Ski-Party-Angebote. Ist das nachhaltig?

Von Eduard Hoffmann | 03.12.2017
    In Grefrath bei Neuss steht die erste in Deutschland eröffnete Skihalle. Skisporthalle in Grefrath bei Neuss in Grefrath at Neuss is the First in Germany opened Skihalle in Grefrath at Neuss
    Skihalle in Grefrath bei Neuss (imago stock&people)
    Fünf Alpin-Skihallen gibt es in Deutschland, die das ganze Jahr mit Kunstschneepisten locken. Zwei im Westen, in Neuss und Bottrop, zwei in Norddeutschland, in der Lüneburger Heide und im westlichen Mecklenburg-Vorpommern und eine kleine im Osten in Senftenberger in der Lausitz.
    Eröffnet wurden sie zwischen 2001 und 2006. Heute sind sie allesamt kleine Freizeitparks mit Hotels oder Ferienhäusern. Es gibt Kletterparks und Kartbahnen, Paintball und Bowling, Skydiving oder Wellenreiten und jede Menge Après-Ski-Party-Angebote.
    Es brummt nur in den Wintermonaten
    Es ist wie in den Bergen, auch in den Skihallen brummt das Geschäft nur während der Wintermonate. Etwa 80 Prozent aller Besucher kommen zwischen Oktober und April. Im Sommer ist tote Hose. Da vergnügen sich lediglich die schneeverrückten Snowboarder, und Ski-Clubs und –Verbände trainieren oder führen Materialtests durch.
    Die Zahlen variieren von Halle zu Halle. In Bottrop wurden aktuell insgesamt circa 250.000 Nutzer im Jahr gezählt, in Neuss über eine Million, wobei hier die Besucher aller Einrichtungen erfasst sind und nicht nur die der Skihalle.
    "keinesfalls nachhaltig"
    Ein saisonaler Sport, der zu einem ganzjährigen Angebot ausgedehnt wird, das sei keinesfalls nachhaltig, gibt Diplom Ingenieur Holger Rohn zu bedenken. Wenn dadurch auch noch mehr Menschen zum Skiurlaub in die Berge reisten, dann sei das kontraproduktiv, sagt der Nachhaltigkeitsforscher am Wuppertalinstitut für Klima, Umwelt, und Energie.
    "Dann haben wir zum einen das Anlockmittel Skihalle, was erst mal per se die Umweltauswirkungen hat, und ich hab halt zusätzlich eigentlich auch noch mal den Urlaub, der den Druck auf die Alpen, erhöht, mit all den Umwelteffekten und Belastungen die damit verbunden sind, nicht nur die Anfahrt, sondern auch in sensiblen Gebieten Massentourismus zu betreiben."
    Nachfrage nach Skisport generieren
    "Die Überlegung war natürlich die, diese Skihallen schon als Trittstein oder als Brutstätten für den Skilauf zu generieren und dort auch eine Nachfrage zu stimulieren, die dann aber über kurz oder lang eben in die eigentlichen Tourismusgebiete zu bringen sind."
    Erklärt Professor Roth, Leiter des Instituts für Natursport und Ökologie an der Deutschen Sporthochschule Köln.
    Deutschlands erste Skihalle in Neuss kooperierte von Anfang an mit der Salzburger Land Tourismus GmbH. Eine unerlässliche Hilfe, von der Anstellung alpenländischer Köche und Kellner bis zu speziellen Technikern, versichert August Pollen, einer der beiden Geschäftsführer.
    "Für unsere ganzen Liftanlagen brauchen wir einen Betriebsleiter, und das ist eine sehr spezielle Ausbildung, die hier in Nordrhein-Westfalen kein Mensch hat. Mittlerweile haben wir fünf ausgebildet, eigene Leute, aber ganz am Anfang haben wir da natürlich den Peter Promegger, so hieß er, aus Österreich, der das zwei Jahre machen wollte, die Leute hier anlernen wollte, er ist dann nachher achteinhalb Jahre geblieben und ja, aber solche Dinge, die waren für uns ganz wichtig."
    Die österreichischen Bergbahnen Sölden steckten 35 Millionen Euro in den Bau des Snow Domes in der Lüneburger Heide. Zur Eröffnung war sich Geschäftsführer Jakob Falkner noch ganz sicher, dass "der Dome natürlich ein optimaler "point of sale" für einen Skiurlaub in Sölden" sei. Doch der Snow Dome entpuppte sich als Millionen-Grab, war weder rentabel noch ein "point of sale" für Sölden. 2013 stiegen die Ötztaler als Investoren aus.
    Wenige Indoor-Skifahrer machen in den Alpen Urlaub
    Ob ein vergleichsweise kostengünstiger Hallenbesuch überhaupt zum Skiurlaub in den Alpen animiert, daran hat Professor Ralf Roth grundsätzliche Zweifel.
    "Weil doch ein erheblicher Anteil derer, die in die Halle kommen, eher aus ner niedrigen oder mittleren Kaufschicht heraus kommen, so dass wir davon ausgehen, dass vielleicht maximal 15 bis 20 Prozent derer, die in der Halle sind, auch sozusagen Wintersportler im eigentlichen Sinne dann sind."
    Der Wintersportexperte sieht die Skihallen zwar nicht als nachhaltigen Lernort. Dennoch könnten sie ein wichtiger Erlebnisraum für Jugendliche sein. Zumal der Skisport eine extrem hohe Gesundheitsbedeutung habe.
    "Da haben Skihallen durchaus auch eine Funktion, also das Thema Bewegungserlebnis, Gleichgewicht schulen und Koordination, all diese Dinge, das sind auch Bewegungsangebote, die wir dringend brauchen."
    Hoher Energieverbrauch
    Der Energieverbrauch indes ist enorm und verursacht hohe Kosten. Sie betragen jährlich bis zu 6,5 Millionen Kilowatt/Stunden verbraucht eine Skihalle. Das entspricht etwa dem jährlichen Strombedarf von acht großen Hallenbädern.
    Die Energiebilanz kann sich auf den ersten Blick vergleichsweise sehen lassen, sofern die Hallen gut ausgelastet und keine Hotels vorhanden sind, erklärt Professor Roth. Denn der Co2-Fußabdruck im Sport und Freizeitbereich hänge zu 80 Prozent von Anfahrt und Unterkunft ab.
    "Wenn wir anreisen mit dem öffentlichen Nahverkehr in ne Skihalle, ist der Co2-Fußabdruck und die Energiebilanzen im Verhältnis zu allen anderen Dingen, die wir so im Freizeitverkehr machen, zu vernachlässigen."
    Bislang jedoch sind alle Skihallen nur mit dem Auto gut und bequem zu erreichen.
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