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Skispringen
Aufwind für die Adlerinnen?

Erstmals war Frauenskispringen in diesem Winter olympisch - den überraschenden Sieg der 22jährigen Carina Vogt verfolgten hierzulande rund sechs Millionen Zuschauer. Wie viel Auftrieb bekommt diese Sportart nach den Ereignissen dieser Saison mit?

Von Gerd Michalek | 02.04.2014
    Carina Vogt feiert nach ihrem letzten Sprung in Sotschi.
    Carina Vogt feiert nach ihrem letzten Sprung in Sotschi. (afp / Daniel Karmann)
    So überraschend der Sieg von Carina Vogt für den Deutschen Skiverband kam - er sieht ihn auch als Bestätigung für seine Pionierarbeit im Frauenskisprung. Schließlich habe der DSV zusammen mit Österreich die erste Skisprung-WM 2009 für Frauen angeregt. Und: Das Frauenteam wurde soeben in der Nationenwertung des Weltcups guter Zweiter hinter Japan. Doch wie entwickelt sich die Basis?
    Aus den Jahrgängen 2000 bis 2007 betreiben laut DSV inzwischen 138 Mädchen regelmäßig diesen Sport. Das kann sich sehen lassen. Im Olympiawinter gingen mehr Neulinge in die Schnupperkurse: An den Grundschulwettkämpfen des DSV "Auf die Plätze Ski" nahmen bundesweit 800 Kinder teil, darunter immerhin 200 Mädchen. Ob sie auch langfristig von Schanzen segeln, bleibt abzuwarten. Wie nachhaltig der Aufwärtstrend ist, hängt auch davon ab, ob Topspringerinnen dauerhaft als Vorbild wirken.
    Ohne Fernsehbilder geht nicht. Das weiß man nach drei Weltcup-Jahren. Unverzichtbar bleibt zudem die Basisförderung in den Landesverbänden. Die Ausstattung im Skisprung ist teuer. Gezielt kümmert sich der sächsische Skiverband seit 2012 um junge Talente, berichtet die routinierteste deutsche Springerin, Ulrike Gräßler aus Klingenthal:
    "Ich muss sagen, Sachsen hat ein gutes Projekt eingeleitet, das heißt 'Juniorteam Sachsen', da sind die Nachwuchsspringerinnen drin, die müssen bestimmte Kriterien im Alpencup oder Schülercup erfüllen. Dann kriegen die Material wie Ski, Schuhe, Helm - das gab es bei mir gar nicht – das ist mit der Perspektive, um die Mädchen für 2018 ran zu bringen. Ich denke, dass da Sotschi schon viel bewegt hat, dass viele sagen: Wir stecken was rein."
    Während Skisprung-Pionierin Ulrike Gräßler vor 15 Jahren als einzige Schülerin mit Jungen trainierte, werden in Sachsen zurzeit acht Mädchen zwischen zehn und dreizehn Jahren bis hin zur Kader-Reife unterstützt. Ein ähnliches Modell will demnächst auch der thüringische Landesverband verfolgen, um Leistungssport zu fördern.
    Für die Elite der Frauen bewährt sich bislang ein deutsches Modell, was in vielen Wintersportarten herrscht: Sechs der neun besten DSV-Springerinnen machen ihre Ausbildung bei Bundespolizei oder Bundeswehr. Mehr Bedarf an solchen Plätzen sieht der Bundestrainer Andi Bauer vorerst nicht. Alle anderen Topathletinnen drücken noch die Schulbank – so die 17jährige Katharina Althaus und die erst 15jährige Giannina Ernst. Warum die Teenager-Generation schon jetzt auf Podestplätze springt, leuchtet ein, wenn man sie mit der Pioniergeneration der Adlerinnen vergleicht, so der Bundestrainer:
    "Man macht ungefähr um die 800 bis 1000 Sprünge im Jahr, früher haben Mädchen mit 15 und 16 vielleicht 200 bis 300 Sprünge gemacht. Aber die Generation, die jetzt kommt, hat eine ganz andere Basis. Die haben viel mehr Sprünge schon gemacht in ihrem Leben und von daher geht das technisch viel selbstverständlicher."
    Für Andi Bauer hat sich das zentrale Förderkonzept bewährt. Mit dem Bundesstützpunkt in Oberstdorf, der Bundespolizei in Bad Endorf und dem Olympiastützpunkt in München gibt es relativ kurze Wege zwischen Training, Ausbildung und medizinischer Versorgung. Trotz Aufbruchstimmung im Olympiawinter wird der DSV keine neuen Kaderplätze für Springerinnen schaffen - wohl auch, weil der Verband unter Sparzwang steht: Der Ausfall einiger Wettkämpfe hat seinen Etat belastet. Nun gilt es, in allen DSV-Disziplinen rund zehn Prozent einzusparen.
    Auch die FIS hat keine großen Änderungen im Sinn. Am 11. April wird der Weltverband festlegen, ob er künftig mehr als die bisherigen 19 Weltcup-springen veranstalten wird. Andi Bauer rechnet nicht damit. Eher werde sich die FIS um mehr Qualität und Marketing der einzelnen Ver-anstaltungen kümmern.