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"Smile"
Professoren-Feedback per Handy

Studierende der Universität Freiburg haben "Smartphone in der Lehre" entwickelt. Ein Projekt, mit dem sie während der laufenden Vorlesung Feedbacks an ihren Prof geben können. Ab kommendem Wintersemester soll "Smile" an 20 deutschen Hochschulen erprobt werden. Der Plan stößt nicht überall auf Begeisterung.

Von Thomas Wagner | 01.07.2014
    Eine Hand hält ein eingeschaltetes Smartphone, auf dem zahlreiche Apps installiert sind.
    Apps für das Smartphone gibt es auch für Lehre und Forschung (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Linus Feiten ist Doktorand am Institut für Informatik der Universität Freiburg. Er zieht sein Smartphone aus der Tasche, öffnet eine Seite: "Smile" steht in großen Buchstaben ganz oben. Darunter mehrere Buttons mit zum Teil frech klingenden Bezeichnungen:
    "Die Meinung geigen", und zwar dem Dozierenden – darum geht es bei "Smile"; das steht für "Smartphone in der Lehre." Das Ziel: Während der laufenden Vorlesung haben Studierende die Möglichkeit, ihrem Prof etwas mitzuteilen, wenn ihnen etwas nicht passt.
    "Man sitzt in der Vorlesung mit 100 oder 200 oder noch mehr Kommilitonen. Jetzt ist man aber plötzlich abgehängt. Oft traut man sich jetzt aber als Studierender aus der Masse nicht, aus der Masse sich zu melden und den Professor oder die Professorin zu unterbrechen. Und so könnte man denn in diesem Moment, wo man erkennt.' Ich versteh' jetzt nur noch Bahnhof, ich könnte jetzt genauso gut nach Hause gehen ...' dort über diese Webseite das angeben."
    Wie bei den Hochrechnungen nach Wahlen
    Der Dozierende sieht dann auf seinem Notebook, ob gerade wenige oder ganz viele Studierende der Vorlesung nicht mehr folgen können. Die Software fasst die Einzelmeldungen in Balkendiagrammen zusammen, so ähnlich wie bei den Hochrechnungen nach Wahlen. Nicht nur die Dozierenden, sondern auch die Studierenden sehen diese Balken – und erkennen, ob sie gerade als einzige überfordert sind oder ob ganz viele ebenfalls nicht mehr mitkommen. In einem weiteren Modul können sie sogar kurze Textnachrichten schicken – beispielsweise mit kurzen Anmerkungen wie "Beispiel unverständlich", "pädagogisch schlecht" aufgearbeitet; auch kurze Fragen via Smartphone sind möglich. Die Freiburger Studierenden, die 'Smile' entwickelt haben, sehen darin einen deutlichen Vorteil gegenüber dem klassischen "Fingerstrecken" in der Vorlesung:
    "... weil es eben anonym auch abläuft. Ich kann anonym ein Feedback geben, ob ich mitkomme oder nicht. Man traut sich dann eher, sich zu äußern und zu sagen: Ich hab's nicht verstanden."
    So Anastasia Tandera, Informatik-Studentin im fünften Semester, die im Smile-Projektteam mitgearbeitet hat. Dem Dozenten "die Meinung geigen" unter dem Deckmäntelchen der Anonymität: Über zwei Jahre hinweg haben Studierende und Dozierende am Freiburger Institut für Informatik diese Feedback-Möglichkeit ausprobiert. Während individuell formulierte Textnachrichten als Rückmeldung eher die Ausnahme waren, wurde am häufigsten mit einem "Langsam-schneller-Button" das Vorlesungstempo kritisiert.
    "Das ist eigentlich ganz hilfreich für den Dozierenden, weil der dann hingehen kann und sagen kann: Dann wiederhol' ich das. Es gibt genug Leute, die wollen das genauer wissen."
    Bernd Becker arbeitet in Freiburg als Professor für Rechnerarchitektur und hat zusammen mit den Studierenden 'Smile' auf Herz und Nieren getestet.
    "Ich denk', das ist etwas Sinnvolles. Man muss aber lernen, damit umzugehen. Zum Beispiel ist meine Erfahrung, dieses Feedback nicht permanent laufen zu lassen, weil irgendwann das Interesse, Feedback zu geben abflaut. Wenn man aber von Zeit zu Zeit nachfragt, wie sieht's denn aus, dann ist die Response viel besser."
    Smile geht nur in Betrieb, wenn der Dozent zustimmt
    Becker kann selbst bestimmen, wann die Studierenden mit ihren Smartphones Rückmeldungen geben dürfen und wann nicht. Denn das System geht nur in Betrieb, wenn der Dozent zustimmt. Kollegen aus 20 Hochschulen deutschlandweit hätten sich, so Becker, die Software schicken lassen, die das studentische Projektteam als ‚Open Source' kostenfrei zur Verfügung stellt. Ab dem Wintersemester soll 'Smile' somit bundesweit erprobt werden. Allerdings stehen manche Professoren dem Vorhaben ablehnend gegenüber.
    "Ich sehe das durchaus kritisch: Wir werden doch bereits hinreichend elektronisch zugemüllt."
    Gerald Schneider lehrt an der Universität Konstanz internationale Politik. Ihn stört an 'Smile' vor allem,
    "... dass der gesamte Ausbildungsprozess konterkariert wird. Es ist ungefähr so, wenn ein Fußball-Nationaltrainer alle fünf Minuten eine Rückmeldung von seinen Spielern hätte, wie jetzt genau das Training verläuft und ob das gut ist für den Körper und für den nächsten Transfer sei. Ausbildung ist etwas längerfristig. Das ist nichts, was so ganz kurzfristig ist. Und solche Apps führen zu einer Kurzfristigkeit in der Lehre. Und das halte ich wirklich für kontraproduktiv."
    Die Freiburger Studierenden argumentieren dagegen, dass gerade die Spontanität der Rückmeldungen, beispielsweise zu Tempo und Verständlichkeit einer Vorlesung, die Qualität der Lehre steigert. Dies habe die Erfahrung aus dem Testbetrieb gezeigt. Katrin Weber, als wissenschaftliche Mitarbeiterin ebenfalls Mitglied im Projektteam, glaubt deshalb fest an einen Siegeszug von 'Smile' in deutschen Hörsälen:
    "Dann ist es natürlich schön, wenn 'Smile' einem dabei hilft, in Massenveranstaltungen mit sehr vielen Studierenden diese aktivierende Lehre trotzdem noch durchzuführen zu können."