Donnerstag, 18. April 2024

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Snowden-Asyl in Russland
"Beschämend für die Bundesregierung"

Es sei beschämend, dass Edward Snowden nur in Russland Zuflucht finde, sagte der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele im DLF. Die Bundesregierung müsse "mal einen wirklich klaren Standpunkt einnehmen". Derzeit sei es ein "Rumgeeiere."

Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Dirk-Oliver-Heckmann | 08.08.2014
    Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen)
    Grünen-Bundestagsabgeordneter Ströbele hatte Edward Snowden im November 2013 in Russland besucht. (dpa / picture-alliance / Kay Nietfeld)
    Bettina Klein: Edward Snowden erhält drei Jahre weiteres Aufenthaltsrecht in Moskau. Sein Asyl war ja eigentlich Anfang August nach einem Jahr bereits abgelaufen. Beim täglichen Presse-Briefing im Weißen Haus spielte es gestern nur eine Nebenrolle in wenigen Sätzen von Obamas Sprecher Josh Earnest. Die Position der USA habe sich nicht verändert, sagte Earnest, Snowden habe geheime Informationen weitergegeben und wird hier wegen schwerer Verbrechen angeklagt werden. Deshalb sollte er zurückkommen und sich einem ordentlichen Verfahren stellen. Hierzulande treibt vor allem die Opposition die Frage um, weshalb Snowden denn nun nicht als Zeuge in Deutschland vernommen werden kann und weshalb man ihm hier kein Asyl gewährt. Die Chancen würden jetzt deutlich besser stehen, meinen die Grünen nach der jüngsten Entwicklung, doch der Vorsitzende vom NSA-Untersuchungsausschuss etwa, Patrick Sensburg von der CDU, sieht keine neue Qualität. Mein Kollege Dirk-Oliver Heckmann hat darüber gesprochen gestern Abend mit dem Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele!
    Hans-Christian Ströbele: Ja, die suchen ja immer nur Gründe, warum sie ihn nicht nach Deutschland kommen lassen wollen. Da sind die Unionsfraktion und die SPD natürlich aufseiten der Bundesregierung. Und die lassen sich ja immer was Neues einfallen. Mal sagen sie, der Snowden wüsste eh nichts, der könne eh nichts zur Aufklärung beitragen, mal schlagen sie eine Videovernehmung vor. Und jetzt mussten sie natürlich auch damit zurechtkommen.
    Dirk-Oliver Heckmann: Patrick Sensburg, das zentrale Argument für ihn, für den CDU-Politiker und Chef des Ausschusses, ist, dass die Bundesregierung ja bereits ihre Bewertung abgegeben habe völlig unabhängig vom Status Snowdens, den Snowden in Russland, in Moskau genießt.
    Ströbele: Ja, aber das ist natürlich - ich sage mal ganz unhöflich - Unsinn. Weil die Bundesregierung erstens immer noch eine Anfrage in den USA laufen hat, was man eigentlich Herrn Snowden vorwirft. Und die ist bisher nicht beantwortet. Schon vor zwei Monaten haben die offiziell angefragt, weil danach sich auch richtet, ob eine Auslieferung überhaupt in Betracht kommt, eine Auslieferung von Snowden. Weil nach den Abkommen, die existieren zwischen Deutschland, den USA, der EU und der USA, dann nicht ausgeliefert werden kann, eine Auslieferung findet dann nicht statt, wenn es sich um politische Straftaten handelt. Und ob das nun politische Straftaten sind, ja oder nein, das kann man erst entscheiden, wenn man weiß, was genau vorgeworfen wird.
    "Die Frage, ob überhaupt ausgeliefert werden darf, ist völlig offen"
    Heckmann: Sie sagen, Herr Ströbele, die Bundesregierung müsste Edward Snowden ja nicht ausliefern, sie könnte Edward Snowden freies Geleit garantieren. Aber Sie wissen selber ganz genau, wenn Edward Snowden in Deutschland wäre, müssten die Sicherheitsbehörden ihn festnehmen und an die USA ausliefern, und wenn sie es nicht tun würde, dann würde eine politische Eiszeit mit den USA anbrechen.
    Ströbele: Nein, das stimmt eben nicht. Die Frage, ob überhaupt ausgeliefert werden darf, ist völlig offen. Selbst nach Auffassung von der Bundesregierung. Es ist von der Bundesregierung ja angefragt worden in den USA - und das war eine Initiative auch des Untersuchungsausschusses von der Bundesregierung - zu wissen, werdet ihr denn ausliefern, müsst ihr denn ausliefern? Und die Bundesregierung sagt, das können wir noch gar nicht entscheiden, weil wir gar nicht wissen, was ihm konkret, also welche Straftatbestände ihm vorgeworfen werden. Also, das geht.
    Aber dahinter steht - und das haben Sie natürlich recht -, dass die Bundesregierung sich nicht traut, gegenüber der US-Regierung, der USA, der NSA klar zu sagen: Aufklärung durch den Deutschen Bundestag ist uns wichtiger, als dass ihr jetzt mal verärgert seid!
    "Die Bundesregierung müsste mal einen wirklich klaren Standpunkt einnehmen"
    Heckmann: Und ein solcher Schritt wäre in der Tat ja mit großen und hohen politischen Kosten verbunden, eine mögliche Eiszeit mit den USA. Jetzt hat sich das Verhältnis auch zu Russland ja so sehr negativ entwickelt. Sind Sie eigentlich für eine Äquidistanz zu Moskau und zu Washington von Berlin aus?
    Ströbele: Nein, überhaupt nicht. Aber ich sage, es ist beschämend für die Bundesregierung, dass Edward Snowden, der so viel Verdienste auch für Deutschland, übrigens auch für die Bundeskanzlerin durch seine Enthüllungen erworben hat, dass er nur in Moskau Zuflucht findet. Dass Deutschland sich dazu nicht bereit erklärt, die Kanzlerin sich nicht mal bei ihm bedankt hat.
    Sie wüsste ja nicht mal, dass sie abgehört worden ist, und sie hätte von Obama nicht die Zusicherung bekommen, dass sie in Zukunft nicht abgehört wird, wenn es Edward Snowden nicht gäbe. Man muss doch mal hier die Kirche im Dorf lassen und muss sagen: Die Bundesregierung müsste mal einen wirklich klaren Standpunkt einnehmen und auf Augenhöhe mit den USA verhandeln und sagen, so geht das nicht.
    "Es ist ein Rumgeeiere"
    Heckmann: Patrick Sensburg, der CDU-Politiker, den wir eben schon erwähnt hatten, der hat jetzt vorgeschlagen, man könnte Edward Snowden ja jetzt auch in einem anderen Land hören. Denn Edward Snowden darf ja ins Ausland reisen.
    Ströbele: Ja, da will er das wieder woanders hinschieben. Wieso soll die Schweiz oder wieso soll Frankreich oder welches Land auch immer ihn befragen oder er sich dort befragen lassen, wenn Deutschland sich das nicht traut? Wieso soll die Schweiz sich das dann trauen? Also, es ist ein Rumgeeiere. Und derselbe Herr Sensburg hat ja vor einer Woche oder so erklärt, dass er Herrn Snowden wünscht, dass der wieder ein freies Leben führen kann und dass er seine volle Überzeugung, die er jetzt hat, weiter so wie bisher nach außen vertreten kann. Und wenn es dann darum geht, dass man dazu beiträgt, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht, dass Snowden wieder ein freies Leben führen kann, dann kneifen sie, dann trauen sie sich nichts und dann wollen sie es anderen Ländern zuschieben. So geht das nicht!
    Klein: Hans-Christian Ströbele, der grüne Bundestagsabgeordnete wünscht sich weiter, dass Edward Snowden hier in Deutschland vernommen wird.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.