Donnerstag, 28. März 2024

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Snowden-Vertrauter Greenwald
"Dokumente übergeben? Keine Chance!"

Glenn Greenwald kann sich vorstellen, vor dem NSA-Untersuchungsausschuss auszusagen. Allerdings nur, "wenn die Bedingungen stimmen", sagte der US-Journalist im DLF. An Stelle von Whistleblower Edward Snowdens wäre er noch zögerlicher.

Glenn Greenwald im Gespräch mit Falk Steiner | 27.05.2014
    Der US-amerikanische Journalist Gleen Greenwald spricht am 10.04.2014 in Berlin mit Journalisten.
    Der US-amerikanische Journalist Glenn Greenwald (Britta Pedersen, dpa picture-alliance)
    Falk Steiner: Herr Greenwald, ziemlich genau ein Jahr nach den ersten Enthüllungen aus den Dokumenten Edward Snowdens – sind die Welt und das Internet mehr oder weniger sicher geworden?
    Glenn Greenwald: Ich denke, es wird immer sicherer. Teilweise aufgrund der außergewöhnlichen weltweiten Debatte, die weitergeht – und das mit größerem Interesse als je zuvor. Es gibt enormen Druck auf die NSA, die massenhafte, anlasslose Überwachung zu beschränken: vom US-Kongress, der Gesetze verabschiedet, bis hin zu den amerikanischen Internetunternehmen, die Einschränkungen fordern, um ihr eigenes Geschäft zu schützen. Und ich denke, am allermeisten von jedem von uns, dem nun das Ausmaß bewusst wird, in dem seine Privatsphäre verletzt wird und der sich selbst der Sache annimmt, indem er Verschlüsselung und andere Technologien nutzt, um seine Kommunikation zu schützen.
    Steiner: Sie haben selbst eine maßgebliche Rolle bei der Auswahl und Veröffentlichung von Dokumenten gespielt. Haben wir noch mehr Enthüllungen Deutschland und die Europäische Union betreffend zu erwarten?
    Greenwald: Es gibt sicherlich noch mehr Dokumente darüber, wie sich die NSA mit Deutschland und der EU verbündet, aber auch, wie sie sie ausspäht. Es gab ja bereits eine Menge Berichte dazu, aber es gibt noch Zehntausende Dokumente im Archiv. Europa ist eine wichtige Weltregion, wenn es darum geht, wie die NSA Partnerschaften zur Überwachung aufbaut. Aber auch, wenn es um Spionageziele geht.
    Steiner: Die Mitglieder des sogenannten NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestages diskutieren noch immer, ob und wie Edward Snowden zum Thema gehört werden soll. Würden Sie sagen, dass es einen Unterschied macht, ihn – vielleicht per Video – in Russland oder unmittelbar in Berlin zu hören?
    Greenwald: Ich denke, es ist ein großer Unterschied, in vielerlei Hinsicht. Wenn in einer Frage ermittelt werden soll, insbesondere, wenn es eine ernsthafte Untersuchung ist, dann wollen die Menschen mit denen reden, die Informationen haben. Weil sie so viel mehr herausfinden können, wenn sie jemanden unmittelbar befragen, anders als bei einer Videoübertragung. Und wenn man sich das aus Edward Snowdens Perspektive anschaut: Deutschland ist ein Land, das außerordentlich von dem profitiert, was er getan hat. Snowden hat seine Freiheit riskiert, sein bisheriges Leben aufgegeben, um die Menschenrechte und das Recht auf Privatsphäre der deutschen Bürger und Spitzenpolitiker zu schützen. Was Deutschland nun im Kern sagt, ist: Wir wollen noch mehr von Dir, wir wollen Dich befragen, und Du musst uns bei unserer Untersuchung helfen – auch wenn wir nicht bereit sind, für Dich zu tun, was Du für uns getan hast. Wir gehen vielleicht überhaupt kein Risiko ein, um Dich und Dein Recht darauf, nicht verfolgt zu werden, zu schützen, indem wir Dir Asyl oder auf andere Weise Schutz gewähren. Ich spreche nicht für Edward Snowden, aber wenn ich er wäre, wäre ich sehr zögerlich, einer Regierung bei einer Untersuchung zu helfen, die selbst so unwillig war, ihren rechtlichen Pflichten nachzukommen, um meine Grundrechte zu schützen.
    "Ich bin bereit dazu, zu helfen, wo ich kann"
    Steiner: Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses möchten auch Sie befragen. Wären Sie dazu bereit?
    Greenwald: Es kommt darauf an, ich habe ja bereits vor dem Europaparlament ausgesagt, ich habe zweimal vor dem brasilianischen Senat ausgesagt, der sich mit der Überwachung beschäftigt. Ich habe zugesagt, vor dem US-Kongress auszusagen. Ich würde vor dem NSA-Untersuchungsausschuss nur aussagen, wenn es eine Einladung gäbe, die ich freiwillig annehmen könnte, und keine Vorladung. Ich würde mit Sicherheit niemals bei einer Strafandrohung aussagen, und ich würde nur über solche Dinge aussagen, über die ich berichtet habe – und nicht über solche Dokumente, über die ich noch nicht berichtet habe. Aber ich möchte, dass in Deutschland aufgeklärt wird, wie die NSA, deutsche Dienste und andere Nachrichtendienste rund um die Welt in die Privatsphäre der Bürger eindringen – und so gut ich kann, unterstütze ich das. Ich bin also bereit dazu, zu helfen, wo ich kann, wenn die Bedingungen stimmen.
    Steiner: Sie sind einer derjenigen, die die Dokumente von Edward Snowden erhalten haben. Der Untersuchungsausschuss hätte sehr gerne Zugriff auf die Dokumente, sehen Sie da irgendeine Möglichkeit, dass der Ausschuss das Archiv oder zumindest die Deutschland betreffenden Dokumente von Ihnen oder anderen erhält?
    Greenwald: Ich kann da nicht für andere sprechen. Ich kann nur für mich selbst sprechen, und da kann ich sagen, dass es absolut keine Chance gibt, dass ich als Journalist mein Quellenmaterial an irgendeine Regierung gebe, ob nun eine ausländische oder meine eigene. Ich denke, es ist wichtig, dass Journalisten Distanz zu den politisch Mächtigen halten, das ist die Rolle des Journalisten. Wie ich schon gesagt habe: Ich wäre bereit auszusagen über die Dinge, über die ich berichtet habe – aber es gibt nichts in der Welt, dass dazu führen würde, dass auch nur eine entfernte Möglichkeit bestünde, dass ich meine Dokumente an die Bundesregierung geben würde.
    Steiner: Dankeschön, Herr Greenwald!