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Solarzelle repariert sich von selbst

Energie.- Sogenannte organische Solarzellen bestehen größtenteils aus Plastik und lassen sich günstiger herstellen als die Originale. Der Nachteil: Sie verwandeln Licht deutlich ineffizienter in Strom als gängige Silizium-Solarzellen. Das wollen Forscher jetzt ändern.

Von Ralf Krauter | 17.11.2010
    Michael Strano schaut der Natur gern mal in die Trickkiste, um sich inspirieren zu lassen. Der Chemieprofessor am Massachussetts Institute of Technology bei Boston ist Experte für filigrane Makkaroni aus Kohlenstoff, die sogenannten Kohlenstoffnanoröhren. Bei seinem jüngsten Coup verwendet er sie als Gerüstbausteine, um eine komplexe Struktur herzustellen, die Licht in Strom verwandelt. Das Besondere daran: Diese organische Solarzelle baut sich aus einer Suppe von Molekülen alleine zusammen, durch Selbstorganisation.

    "Wir starten mit Kohlenstoffnanoröhren in einer Lösung. Damit sie nicht verklumpen, geben wir seifenartige Moleküle dazu. Außerdem Phospholipide, ein fadenförmiges Strukturprotein und ein lichtempfindliches Eiweißmolekül, das auch Pflanzen für die Photosynthese benutzen. Diese fünf Zutaten mischen wir zusammen und pressen die Lösung dann gegen eine Membran, die nur die Seifenmoleküle durchlässt. Wenn die Seifenmoleküle herausströmen, bildet der Rest eine beeindruckende Struktur. Sie hält derzeit vermutlich den Weltrekord für die komplexeste selbst organisierte Struktur, die sich reversibel herstellen lässt. Gibt man erneut Seife hinzu, zerfällt sie wieder in ihre Bestandteile. Und das Ganze lässt sich beliebig oft wiederholen."

    Bei Seifenentzug schnüren die fadenförmigen Proteine die Phospholipide in der Molekülsuppe zu winzigen Scheibchen zusammen, in deren Zentrum sich dann die lichtempfindlichen Proteine niederlassen. Die Kohlenstoffnanoröhren sorgen für den elektrischen Kontakt der Lichtfänger und halten sie so auf Abstand, dass sie eine regelmäßige Struktur bilden.

    "Wenn sie zwei Elektroden in die Lösung tauchen, fließt ein Strom, sobald Licht darauf fällt. Wenn sie Seife zufügen, zerfällt die Struktur wieder und der Photostrom verschwindet. Das Ergebnis ist eine Solarzelle, die sich selbst erneuert, sobald man ein paar Seifenmoleküle ins Spiel bringt."

    Anders als heutige organische Solarzellen, die schnell altern und immer weniger Sonnenstrom liefern, bleibt die Ausgangsleistung der selbst erneuernden Photovoltaikzellen längere Zeit stabil. Ein Test über mehrere Regenerationszyklen belegt, dass der Solarstrom jedes Mal wieder seine Anfangsstärke erreicht. Bei entsprechender Verfeinerung könnte die molekulare Verjüngungskur in Sekundenbruchteilen erfolgen. Und zwar im laufenden Betrieb, sagt Michael Strano. Genau wie es die Natur vormacht.

    Sonnenlicht hat eine sehr zerstörerische Wirkung. Trifft es auf Sauerstoffmoleküle, entstehen reaktionsfreudige Sauerstoffatome, die die lichtaktiven Proteine in den Blättern von Pflanzen deaktivieren. Der aggressive Sauerstoff schneidet sie praktisch entzwei. Aber: Die Natur hat eine Gegenmaßnahme entwickelt. Werden die Lichtfänger zerstört, kommt ein Selbstreparatur-Mechanismus in Gang. Ein Baum in der prallen Mittagssonne erneuert jedes seiner Photosynthese-Proteine etwa alle 45 Minuten. Ein Blatt ist also keine statische Solarzelle, sondern eine, die sich ständig neu zusammen baut.

    Bis sich ähnliches technisch imitieren lässt, werden noch Jahre vergehen. Mit Ausgangsströmen im Bereich von Nanoampere ist die elektrische Ausbeute der regenerativen Solarzelle noch viel zu gering für die Praxis. Indem sie die organischen Lichtfänger in gelartige Strukturen einbauen – und damit viel dichter packen – wollen die Forscher die Effizienz jetzt deutlich steigern. Noch sei das aber reine Grundlagenforschung, räumt Michael Strano ein. Für wegweisend hält er sie allerdings schon.

    Ich bin mir ziemlich sicher, sagt Strano, dass die Solarzellen der Zukunft ganz anders aussehen werden, als die statischen flachen Panele von heute.