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Solarzellen für Elektrofahrzeuge
Strom vom Autodach

Die Vision und Prototypen gibt es schon länger: Elektrofahrzeuge, die mit Hilfe von Sonnenenergie und Solarzellen selbst Strom erzeugen. Forschende am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg arbeiten daran, die Idee zur Serienreife zur bringen.

Von Ines Rutschmann | 16.09.2019
Photovoltaik unsichtbar in ein Autodach integriert: Die Morpho-Color®-Glasbeschichtung ermöglicht eine Anpassung der Farbe an das Fahrzeug.
Ein Team vom Fraunhofer ISE hat auf der IAA ein farbiges Autodach mit unsichtbarer Photovoltaik vorgestellt (Fraunhofer ISE)
Von außen wirkt das Autodach wie jedes andere. Dunkel glänzt es und spiegelt seine Umgebung. Erst, wer mit einer Taschenlampe ganz dicht herantritt, erkennt unter der Glasoberfläche viele kleine Solarzellen. Das Glas darüber haben Forscher vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme mit einer besonderen Schicht versehen. Benannt ist sie nach dem Morpho-Schmetterling aus den amerikanischen Tropenwäldern, erzählt der Leiter für Modultechnologie, Holger Neuhaus.
"Der arbeitet nicht mit Pigmenten, wodurch er die Farbe herstellt, sondern durch Interferenz-Effekte. Das Gleiche ist jetzt mit einer Beschichtung nachgebildet. Sie können eine Schicht auf Glas, auf Kunststoffe aufbringen, die nur in einem ganz feinen Wellenlängenbereich das Licht reflektiert und damit eine extrem brillante Farbe herstellt. Der größte Teil des Lichts geht durch die Schicht hindurch und erreicht die Solarzelle. Und damit hat man weiterhin eine sehr hohe Effizienz aber trotzdem ein brillantes Erscheinungsbild."
Ansprüche an Effizienz und Ästhetik
Beides ist wichtig: Damit sich Solarzellen in Elektroautos und auch Lastwagen lohnen, müssen sie effizient arbeiten. Und eine homogene Oberfläche entspricht der Ästhetik, die viele Autobauer anstreben. Noch ist das solare Autodach ein Prototyp, jedoch so entworfen, dass es ein Hersteller direkt anstelle eines Panoramadachs einsetzen könnte.
"Das Panoramadach besteht aus zwei zusammenlaminierten, zusammengeklebten Glasscheiben und dazwischen kommt dann einfach zusätzlich die Solarzelle. Von daher muss der Automobilhersteller hier nur das Autodach - sozusagen dieses Bauteil - auswechseln. Das ist sehr komfortabel und sehr einfach und hat damit doch einen erheblichen Solarertrag - auch im Automobil."
Holger Neuhaus rechnet vor: Fängt ein gängiges Elektroauto viel Sonnenlicht ein, kann es pro Jahr rund 1.900 Kilometer mit Solarstrom fahren. Das ist mehr als in vergleichbaren Projekten. Denn die Wissenschaftler erzielen hohe Stromerträge – dank der Morpho-Schicht. Und weil sie die Zellen nicht nebeneinander legen und dann verbinden, sondern sie miteinander verkleben. So bringen sie auf zwei Quadratmetern Fläche mehr als 400 Watt Leistung unter. Die Solartechnik macht ein Auto dabei kaum teurer.
"Es ist möglich, wenn das Ganze in großen Stückzahlen produziert wird, dass wir von 200 Euro für ein solches Solardach sprechen. Also wir sprechen hier von Amortisationszeiten von ein bis zwei Jahren."
Bis zu 6.000 Kilometer im Jahr mit eigenem Strom
Mit dem Dach ist längst nicht Schluss. Auch Motorhaube, Heck und Seiten versehen die Fraunhofer-Forscher mit Solarzellen – direkt aufs Blech laminiert und mit Kunststoff abgedeckt. Zu lösen haben sie dabei noch eine Sache: Die Solarzellen müssen so biegsam sein wie das Blech selbst, damit sie bei einem Unfall nicht brechen und jemanden verletzen. Sind alle Flächen mit Solarzellen bestückt, kann ein Elektroauto bis zu 6.000 Kilometer im Jahr mit eigenem Strom fahren. Holger Neuhaus fährt fort:
"Jetzt gehen wir heute von Solarzellen aus, die einen Wirkungsgrad von 20 Prozent haben. Aber die Technologie bleibt da natürlich nicht stehen. Wir reden gerade von den nächsten Schritten: der sogenannten Tandem-Technologie – da werden wir keine 20 Prozent sondern 30 Prozent haben."
Tandem-Solarzellen bestehen aus zwei photoaktiven Schichten, die verschiedene Wellenlängenbereiche des Lichts stark ausnutzen. So lässt sich mehr Lichtenergie in Strom wandeln – und ein Elektroauto weiter fahren.
"Wenn Sie das einbringen, dann werden aus den 6.000 Kilometern schon 8.500 Kilometer."
Erste Projekte mit Herstellern
Das entspricht 60 Prozent der jährlichen Fahrleistung eines Pkw in Deutschland. Spätestens an diesem Punkt dürfte die Solartechnik für die deutschen Autokonzerne interessant werden. Bislang forscht lediglich Audi an einem solar betriebenen Auto und will es zur Serienreife bringen. Mit welchen Firmen die Fraunhofer-Forscher kooperieren, verraten sie nicht. Dafür aber, dass es erste Projekte mit Herstellern gibt, um solare Bauteile und die zugehörigen Produktionsanlagen zu entwickeln.