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Solokonzerte und Klaviertrios
Schumann für heute

Robert Schumann hat drei Solokonzerte (für Klavier, Geige und Cello) und drei Klaviertrios geschrieben. Nun wurden erstmals jeweils ein Solokonzert mit einem Trio verbunden und aufgenommen. Für die dritte Veröffentlichung des Schumann-Projekts haben die Geigerin Isabelle Faust, der Cellist Jean-Guihen Queyras und der Pianist Alexander Melnikov das Cellokonzert und das erste Klaviertrio aufgenommen.

Von Susann El Kassar | 29.05.2016
    Clara Schumann, geborene Wieck, mit ihrem Mann, dem Komponisten Robert Schumann auf einer zeitgenössischen Darstellung am Klavier sitzend.
    Clara Schumann, geborene Wieck, mit ihrem Mann, dem Komponisten Robert Schumann auf einer zeitgenössischen Darstellung. (picture alliance / dpa / Ullstein)
    Dass noch keiner vorher darauf gekommen ist! Robert Schumann hat drei Solokonzerte geschrieben: eins für Klavier, eins für Geige, eins fürs Cello. Und Schumann hat drei Klaviertrios geschrieben, eine Besetzung, in der diese drei Soloinstrumente zusammenspielen. Drei Solokonzerte, drei Klaviertrios. Die Geigerin Isabelle Faust, der Cellist Jean-Guihen Queyras und der Pianist Alexander Melnikov haben anscheinend erkannt, dass dieses Zahlenspiel gut zueinander passt und haben jeweils ein Solo-Konzert mit einem Trio verbunden. Herausgekommen sind – wie könnte es anders sein, drei CDs. Vor Kurzem ist die Dritte aus diesem Schumann-Projekt bei harmonia mundi veröffentlicht worden. Darauf: das Cellokonzert und das erste Klaviertrio. Diese CD möchte ich Ihnen heute vorstellen, exemplarisch für die CD-Trilogie.
    Musik: 3. Satz Cellokonzert op. 129
    Darmsaiten, Hörner und Oboen der Zeit
    Projekt-Partner der Solisten ist das Freiburger Barockorchester unter Pablo Heras-Casado – ein selbstorganisiertes Orchester – vor mehr als 20 Jahren angetreten, um Barockmusik zu ergründen, und zwar historisch informiert. Mittlerweile verlässt es oft und gerne die Grenzen des Barock und spielt Klassik, Romantik, sogar Neue Musik. Mit Heras-Casado, einem regelmäßigen Gastdirigenten des Ensembles, weitet das Freiburger Barockorchester seinen Blick hin zu Sinfonien der Romantik. Darmsaiten, Hörner und Oboen der Zeit sind das Mittel der Wahl und sie führen tatsächlich zu einer neuen Klangästhetik für den Romantiker Schumann. Zu Transparenz, was die Instrumentation angeht, zum Beispiel im ersten Satz des Cellokonzerts.
    Musik: 1. Satz Cellokonzert op. 129
    Cellist Jean-Guihen Queyras spielt auf Darmsaiten. Sein Instrument klingt dadurch feiner, die hohen Töne sogar heller und irgendwie freier und die tiefen Töne haben mehr Substanz. Und Queyras setzt nur dosiert Vibrato ein. Damit wird seine Interpretation zu einer Entschlackungskur für das Konzert. Hört man nach Queyras eine der vibratostarken Aufnahmen, dann merkt man erst, wie nah diese Spielweise an Gewaber grenzt. Queyras dagegen kann sich so viel organischer in den Orchesterklang einfügen.
    Musik: 1. Satz Cellokonzert op. 129
    Wesentlich für den Klang der Streicher: Darmsaiten
    Der Referenzton A liegt für die Aufnahme bei 440 Hertz, das ist für eine Barocktruppe ganz schön hoch, aber entspricht natürlich der Stimmung der Schumann-Zeit. Für heutige Verhältnisse ist 440 Hertz dagegen niedrig, die meisten Orchester stimmen auf 442 oder gar 443 Hertz. Wesentlich für den Klang der Streicher im Freiburger Barockorchester sind aber die Darmsaiten, mit denen sie spielen. Es klingt nicht so gleißend und brillant wie mit Stahlsaiten, aus den Tönen spricht Wärme.
    Musik: 1. Satz Violinkonzert
    Das Cellokonzert von Robert Schumann wird gerne gespielt, das Klavierkonzert gehört von jeher zu den Lieblingen des Genres. Das Violinkonzert dagegen war lange das Schmuddelkind. Historisch belastet, weil nach Schumanns Tod von seiner Frau Clara und dem Geiger Joseph Joachim lieber nicht veröffentlicht und dann erst 1937 uraufgeführt und von den Nazis für Propaganda instrumentalisiert, wird es erst seit einigen Jahren wieder vermehrt gespielt. Schumanns Violinkonzert ist eigensinnig, ja spröde. Die Orchesterpassagen im ersten Satz versprechen zwar Dramatik, aber der Violinpart löst das nicht ein. Isabelle Faust selbst sagt, sie kenne kein Konzert, das so gegen die Geige geschrieben sei. Die Solostimme bewegt sich zum Beispiel oft in der mittleren Tonlage und kann sich so nur schwer vom Orchester absetzen.
    Musik: 1. Satz Violinkonzert
    Experimentierfreudige Seite von Schuhmann
    Jedes Solokonzert wird in der CD-Trilogie von Faust, Queyras und Melnikov mit einem Klaviertrio kombiniert. Im Fall der jüngsten CD, der mit dem Cellokonzert, findet sich darauf das erste Klaviertrio d-Moll op. 63. Die Kammermusik von Robert Schumann ist intime Musik, Gefühle und die schnellen Wechsel von einem zum anderen werden hier deutlicher als in den Konzerten. Schumann ist auch experimentierfreudiger, zum Beispiel im ersten Satz, wenn aus dem Nichts ein magischer Moment entsteht, wie eine Vision.
    Musik: 1. Satz Klaviertrio Nr. 1 d-Moll
    Alexander Melnikov spielt auf einem Flügel von Johann-Baptiste Streicher von 1847. Mit seiner immanenten Unschärfe im Klang vereint er sich organisch mit den zwei Streichern. Etwa wenn Schumann einen dichten Mantel aus 16teln webt, in den das Klavier die Mitspieler hüllt, oder wenn alle drei im langsamen Satz dem Gang der Gedanken folgen, und schwerelos taumeln.
    Musik: 3. Satz Klaviertrio Nr. 1 d-Moll
    Freigeistig, nicht gefühlsduselig
    Die Aufnahmen fluten uns nicht mit Gefühl, die Musiker versenken sich nicht in Schumann um uns ihr Herz durch die Lautsprecher zu schicken. Romantik wird hier innerlicher verstanden, freigeistig, nicht gefühlsduselig. Ein Beispiel: Im Finale des d-Moll Klaviertrios erfüllen Melnikov, Faust und Queyras dem Komponisten Schumann nicht seinen Wunsch und spielen den Satz "mit Feuer", aber sie spielen mit vorsichtigem Enthusiasmus. Das Thema strahlt vor Freude, vor allem wenn es in D-Dur steht. Solche kleinen Euphorie-Inseln kommen in den Schumann Trios selten vor, aber wenn dann wirken sie um so intensiver.
    Musik: 4. Satz Klaviertrio Nr. 1 d-Moll
    Die drei CDs des Schumann Projekts sind bei harmonia mundi erschienen. Darauf steht jeweils eines der Solokonzerte von Robert Schumann neben einem seiner Klaviertrios. Der Geigerin Isabelle Faust, dem Pianisten Alexander Melnikov und dem Cellisten Jean-Guihen Queyras ist damit – unterstützt vom Freiburger Barockorchester mit Pablo Heras-Casado – tatsächlich etwas Neues gelungen, ein frischer Blick auf Schumanns Konzerte und Klaviertrios. Durch die historisch informierte Brille und trotzdem direkt für heute.
    Musik: 4. Satz Klaviertrio Nr. 1 d-Moll
    Robert Schumann:
    "Cellokonzert op.129, Klaviertrio Nr. 1 op.63", Label: harmonia mundi, LC: 7045, HMC 902197, EAN: 3149020219720
    "Violinkonzert WoO1, Klaviertrio Nr. 3 op. 110", Label: harmonia mundi, LC: 7045, HMC 902196, EAN: 3149020219621
    "Klavierkonzert op. 54, Klaviertrio Nr. 2 op. 80", Label: harmonia mundi, LC: 7045, HMC 902198, EAN: 3149020219829
    Freiburger Barockorchester, Ltg.: Pablo Heras-Casado;
    Jean-Guihen Queyras, Isabelle Faust, Alexander Melnikov