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Sommermärchen-Affäre
Ein gutes dutzend Strafverfahren

Lange war es still um die Sommermärchen-Affäre und die möglicherweise gekaufte WM 2006. Doch der Schein trog: Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat ein Strafverfahren eröffnet, unter anderem gegen Franz Beckenbauer.

Von Thomas Kistner | 01.09.2016
    Der damalige Präsident des deutschen FIFA Organisationskomitees, Franz Beckenbauer.
    Der damalige Präsident des deutschen FIFA Organisationskomitees, Franz Beckenbauer. (pa/dpa/Endig)
    Schon seit November läuft das Strafverfahren der Schweizer Bundesanwaltschaft BA. Heute erfuhren nun die Beschuldigten davon. Neben Franz Beckenbauer sind das auch die drei Ex-DFB-Funktionäre Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt. Der Verdacht lautet auf Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung, Geldwäsche und Veruntreuung.
    Zugleich ließ die BA acht Hausdurchsuchungen in der Schweiz und Österreich durchführen. Einige der gut 50 Beamten im Einsatz wurden auch bei Franz Beckenbauer im Salzburger Land sowie bei dessen langjährigem Geschäftsfreund Fedor Radmann vorstellig. Radmann, der in der Schweiz lebt, wird in dieser konkreten WM-2006-Ermittlung nicht als Beschuldigter geführt, allerdings in einem anderen Verfahren. Auch das bestätigt die Bundesanwaltschaft. Sie führt bereits ein gutes Dutzend eigenständiger Strafverfahren rund um den Fußballweltverband FIFA - darunter gegen Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter und Ex-Generalsekretär Jerome Valcke. Bei manchen dieser Verfahren, hieß es am Donnerstag in Bern, gebe es "Überlappungen".
    Anlass der Strafermittlungen gegen Beckenbauer und Co. sind fragwürdige Zahlungen rund um die WM 2006 in Deutschland. Anno 2002 flossen laut internen Recherchen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) durch die Kanzlei Freshfields zehn Millionen Franken aus der Schweiz an die Firma Kemco in Katar, die dem Affären-Funktionär Mohamed Bin Hammam zugerechnet wird. Drei Jahre später zahlte der DFB den Betrag, umgerechnet 6,7 Millionen Euro, via Fifa an den damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus zurück. Louis-Dreyfus hatte die zehn Millionen an Kemco vorfinanziert. Um diese Rückzahlung zu verschleiern, benannten die DFB-Funktionäre einen falschen Verwendungszweck: Eine angebliche WM-Eröffnungsgala – die dann Anfang 2006 abgesagt wurde. Mit sehr fadenscheiniger Begründung.
    Ermittlungsziel ist es nun, festzustellen, wo die nach Katar gezahlten Millionen aus Deutschland am Ende wirklich gelandet sind. Hier knüpft auch der Geldwäsche-Verdacht an. Noch mehr Fragen stellen sich allerdings in Bezug auf den anderen, im Detail noch nicht publizierten Ermittlungs-Komplex, in dem der Beckenbauer-Intimus Radmann als Beschuldigter geführt wird. Hier könnte es um die Millionenzahlungen gehen, die von der Fifa ins Umfeld der WM-Veranstalter geleistet wurden – als Ausfallhonorar für eine Gala, die womöglich von Anfang an nur als Vehikel für fragwürdige Geldflüsse gedacht war.