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Sommermärchen-Prozess
Der fünfte Mann?

Im Sommermärchen-Prozess in der Schweiz wird es wohl kein Urteil geben. Gleichzeitig kommen weitere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft ans Licht: Ermittlungschef Cedric Remund könnte möglicherweise bei einem geheimen FIFA-Treffen dabei gewesen sein.

Von Thomas Kistner | 23.04.2020
Eine Kamera steht vor einer Bühne mit dem Logo der Fußball-WM 2006.
Im Schweizer Verfahren um ungeklärte Millionenzahlungen vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wird es kein Urteil geben. (picture alliance / Pressefoto ULMER / Markus Ulmer)
Der Sommermärchen-Prozess gegen drei ehemalige DFB-Funktionäre zu den Millionenschiebereien um die Fußball-WM 2006 ist gerade gescheitert, die Schweizer Bundesanwaltschaft unter Michael Lauber wird vom eigenen Aufsichtsorgan einer gefährlichen Nähe zum Fußball-Weltverband Fifa bezichtigt. Lauber selbst wurde sogar wegen Befangenheit rechtskräftig von einigen Verfahren ausgesperrt. Stark in Erklärungsnot geraten ist nun auch der operative Ermittlungschef zur deutschen WM-Affäre, Cedric Remund.
Geheimtreffen mit der Fifa?
Remund wird verdächtigt, der fünfte Mann bei einem der anrüchigen Geheimtreffen Laubers mit dem Fifa-Boss Gianni Infantino gewesen zu sein. Diese Dates haben in der Schweiz einen Justizskandal ausgelöst. Das bizarrste fand im Juni 2017 in einem Berner Nobelhotel statt. Aber Lauber, Infantino und zwei ihrer Gefolgsleute wollen ihre zweistündige Zusammenkunft total vergessen haben. Der Teilzeit-Gedächtnisverlust in Gruppenstärke schürt die Vermutung, dass die vier Männer ein unangenehmes Detail ihres Treffens ausblenden wollen. Tatsächlich ist der Verdacht gut unterfüttert, dass noch ein fünfter Gast aus der Behörde zugegen war. Ein Tabu wäre die Anwesenheit des Ermittlungsführers Remund, oder einer anderen Person aus der Fifa-Fußball-Taskforce. Operative Ermittler am Tisch - das würde alle Fußballprozesse zusammenbrechen lassen.
Interne Ermittlungen gegen Remund
Medienanfragen, ob Remund die fünfte Person bei Tisch war, hat die Bundesstaatsanwaltschaft nie dementiert, sondern nur herumgeeiert: Sie beteilige sich nicht an "Medienspekulationen". Intern aber hat sie Ermittlungen gegen Remund in Gang gesetzt. Der teilte am Montag dem Bundesstrafgericht in Bellinzona mit, er sei nicht der fünfte Mann beim Treffen 2017 gewesen. Jedoch untermauert er diese Erklärung nicht mit starken Elementen wie Zeugenbeweisen oder einer eidesstattlichen Versicherung.
Stattdessen teilt er mit, er habe an jenem Tag eine wissenschaftliche Arbeit verfasst und sich in der Behörde frei genommen - was er mit einem Ausdruck aus dem elektronischen Zeiterfassungssystem der Bundesstaatsanwaltschaft zu belegen versucht. Dieser Auszug vermerkt aber nur, dass die Bezugsperson "absent" war - wo sie stattdessen war, kann so ein System natürlich nicht wissen.
Ist die Abwesenheit be- oder entlastend?
Der Staatsanwalt des Bundes erklärt seine Abwesenheit beim heiklen Infantino-Date, indem er nachweist, wo er zur besagten Zeit nicht war: Bei der Arbeit in der Bundesanwaltschaft. Ist das entlastend - oder eher belastend?
Jedenfalls ist es sicherlich kein Alibi dafür, nicht am Hotel-Treffen teilgenommen zu haben. Damit wird die Verfahrensweise der Bundesanwälte mit dem affärenreichen Weltverband Fifa immer fragwürdiger. Für die Schweizer Ankläger ist das Märchen noch nicht vorbei.