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Korrespondentenalltag
Die Verschlossenheit des Silicon Valleys

Als europäische Korrespondent hat man es im Silicon Valley nicht einfach - Unternehmen wie Google oder Apple bevorzugen bei Interviews und Akkreditierungen Tech-Webseiten und US-Medien. ARD-Korrespondent Marcus Schuler fühlt sich im Silicon Valley deshalb manchmal wie ein Korrespondent fünfter Klasse.

von Marcus Schuler | 12.07.2018
    Ein Mann fährt auf einem bunten Fahrrad über den Google Campus im Silicon Valley.
    Das Silicon Valley gibt sich gerne offen und locker, aber als europäischer Korrespondent beißt man sich an Google und Co. oft die Zähne aus. (picture alliance / dpa / Ole Spata)
    Ein Kollege von mir, der für ein großes deutsches Magazin aus dem Silicon Valley berichtet, hat es gestern, als wir bei einem Glas Wein zusammen saßen, auf den Punkt gebracht: Als Korrespondent im Tech-Mekka der Welt lernt man wieder, sich in Demut zu üben.
    Ich finde, mein geschätzter Kollege von der schreibenden Zunft hat da recht. Es gibt da so eine Hackordnung im Silicon Valley:
    Ganz vorne am Futternapf sind die beiden Webseiten TechCrunch und The Verge, die stündlich über alles, was in der Tech-Branche passiert, berichten. Deren Journalisten sind häufig gleich zu dritt oder zu viert akkreditiert, wenn Google, Apple oder Facebook zu ihren Konferenzen oder Produktpräsentationen einladen. Wir Europäer sind häufig froh, hier überhaupt eingeladen zu werden.
    Die journalistische Hackordnung des Silicon Valley
    Während The Verge und TechCrunch für die schnelle Berichterstattung zuständig sind, erhalten New York Times und das Netz-Magazin Wired aus San Francisco meist exklusiven Vorab-Zugang. Hier finden die langen Geschichten statt. Hier gibt es den Hintergrund zum Hintergrund. Hier erfahren wir, wie Facebook-Chef Mark Zuckerberg aus den Datenschutzskandalen der Vergangenheit gelernt und welche Lehren er daraus gezogen hat.
    Kommen wir zu Ebene drei. Die Rede ist von der Nachrichtenagentur reuters, dem Wirtschaftsdienst Bloomberg, der Financial Times, und dem Webdienst Axios. Sie alle sind noch nah genug am Futtertrog, um wenigstens ab und an mal eine Exklusiv-Geschichte zu veröffentlichen oder mit Insider-News zu glänzen.
    Dann gibt es Ebene vier. Das ist der große Rest. Sprich: die nicht mehr ganz so reichweitenstarken Webseiten und Publikationen. Aus den USA.
    Ausländische Korrespondenten sind Exoten
    Und dann haben wir noch Ebene fünf. Das sind dann alle Journalisten, die für ausländische Medien berichten. Hier im Silicon Valley sind wir eher die Exoten. Viele Zeitungen, Radio- und Fernsehsender können sich in der Bay Area wegen der hohen Lebenshaltungskosten und der Immobilien-Preise kaum noch einen eigenen Korrespondenten leisten.
    Für mich, als einer der von "Ebene 5" aus arbeitet - also ganz unten im Kellergeschoss - ist der Wechsel von Deutschland ins Silicon Valley eine spannende Umstellung. Und das soll keineswegs euphemistisch gemeint sein. In Deutschland brauchte man meist nur zum Telefonhörer zu greifen oder eine E-Mail zu tippeln, und schon hatte man einen Interviewtermin oder zumindest die erwünschten Infos.
    Hier funktioniert beides nicht. Nicht immer.
    Am schwierigsten ist es, von Google Auskünfte zu erhalten. Das Unternehmen, das sich gerne als weltoffen, cool und liberal gibt, ist mir gegenüber verschlossen und kryptisch. Fragt man die Pressestelle am Firmensitz in Mountain View, erhält man selten; in der Regel jedoch keine Antwort. Nur wenn man Leute kennt, die wiederum Leute kennen, kommt man an Infos ran. Google ist launisch, undurchsichtig und verfolgt eine nicht-erkennbare Linie gegenüber uns ausländischen Journalisten. Vielleicht ist das Unternehmen aber auch einfach nur konzeptlos.
    Offene Start-Ups, verschlossene Tech-Konzerne
    Bei Apple ist da man offener. Zumindest wird die Anfrage an die Münchner Pressestelle weitergeleitet. Von dort gibt es in der Regel immer eine Antwort. Und manchmal auch Kritik. Berechtigt und unberechtigt.
    Bei Facebook arbeiten Profis. Hier gibt es immer eine Antwort. Das soziale Netzwerk geht sogar auf uns Journalisten zu und bietet uns Interviews an. Regelmäßig wird man von Facebook zu Informationsveranstaltungen in die Firmenzentrale nach Menlo Park eingeladen.
    Und dann gibt es ja noch die tausenden Start Ups und die Stanford Universität. Hier hat man als Journalist, egal ob man aus Europa oder den USA kommt, einen Vorteil gegenüber Deutschland. Mit etwas Glück bekommt man fast immer den Interview-Wunsch erfüllt. Nicht nächsten Monat oder nächste Woche. Sondern: "Ach, komm doch in zwei Stunden kurz bei uns vorbei, dann setzen wir uns zusammen." Dieser pragmatische, lockere Umgang der hungrigen Start-Ups ist die große Kehrseite zu den verschlossenen Tech-Konzernen hier im Silicon Valley.