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Sonderbare Gäste

Kolumbien, Schweden und die USA - das sind die drei Vorrundengegner der Nordkoreanerinnen in der Gruppe C. Die nordkoreanische Auswahl gehört zu den stärksten Mannschaften in Asien. Bislang wurde sie dreimal Asienmeister. Für die Weltmeisterschaft konnten sie sich jetzt bereits zum vierten Mal qualifizieren.

Von Daniel Theweleit | 01.05.2011
    Deutschland erwartet bei der WM im Sommer alte Freunde wie die Schwedinnen, geschätzte Rivalinnen wie die USA und fremde Besucherinnen aus Äquatorial-Guinea. Ganz nach dem Vorbild der Männer-WM 2006 soll das Turnier ein Fest der internationalen Begegnung werden. Doch wie es so ist bei großen Sportveranstaltungen, werden auch ein paar sonderbare Gäste erwartet. Aus Nordkorea zum Beispiel. Ein Team, das dem Rest der Welt wohl auch nach der WM fremd bleiben wird. Eine Mannschaft mit politischem Auftrag.

    Wenn draußen das WM-Fieber ausbricht, wenn in den Spielorten Fan-Feste toben, dann werden die Nordkoreanerinnen davon wenig mitbekommen. Abgeschottet, wie immer bei internationalen Turnieren, werden die Fußballerinnen sich in ihrem Hotel aufhalten, um sich ganz auf ihren Auftrag zu besinnen: das zweifelhafte Image ihrer kommunistischen Heimat aufzupolieren. Und gleich im ersten Spiel geht es ums Ganze. Dort trifft Nordkorea auf die USA. Ein Sieg wäre Treibstoff für die Propagandamaschine des Diktators Kim Jong Il. Doch Optimisten, wie die Grünen-Politikerin Claudia Roth, sehen auch eine Chance in der brisanten Begegnung.

    "Das hat eine Ping-Pong-Dimension, da gibt es so manche Ping-Pong-Spiele. In der Weltgeschichte, wo Politik gemacht wurde. Oder wenn Herr Gül zusammen mit dem armenischen Präsidenten ein Fußballspiel anguckt und die plötzlich zum ersten Mal in einem Auto sitzen und das bedeutet etwas. Oder Nordkorea spielt in Augsburg, wo Japan auch ist. Da passiert plötzlich eine Begegnung über den Sport, die vielleicht sonst gar nicht möglich ist."

    Dass die Koreaner mitmachen bei dieser Form der Entspannung, ist allerdings eher unwahr-scheinlich. Die Olympischen Spiele in Peking haben deutlich gemacht, dass der Sport eher dazu dient, die Macht von Diktaturen zu stärken als demokratische Kräfte. Und was den Nordkoreanern wirklich wichtig ist, zeigt eine Anfrage bei Theo Zwanziger, dem Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes. Ob es nicht möglich sei, Fanunterstützung für das brisante Spiel gegen die USA zu organisieren, erkundigten sich die Funktionäre. Schon bei der Männer-WM in Südafrika ließ man das Nationalteam von verkleideten Anhängern anfeuern. Erfolge lässt der Herrscher sich etwas kosten. Für große Siege werden selbst Nachwuchsfußballerinnen reich beschenkt, weiß Markus Han. Der Südkoreaner ist in Köln aufgewachsen und war bei der U20-Weltmeisterschaft im vorigen Sommer offizieller Betreuer für seine Landsleute aus dem Norden. In diesem Jahr soll er sich auch um die A-Nationalmannschaft kümmern.

    "Von diesen Mädchen, die bei der U 20-WM waren, gab es einige, die bei der U 17 WM, zwei Jahre davor noch, in Neuseeland die Weltmeisterschaft gewonnen haben. Und diese Spielerinnen haben durch den WM-Gewinn für ihre Familien ein Appartement in der Hauptstadt, in Pjöngjang, bekommen. Und jeder möchte, wie ich mitbekommen habe, in der Hauptstadt wohnen und nicht auf dem Land. Und (wie gesagt,) die Spielerinnen haben auch Handys, was wohl auch nicht so gang und gäbe ist, und das zeigt auch so ein bisschen deren Status"

    Große Privilegien für Jugendfußballerinnen. Dabei ist Frauenfußball alles andere als ein Publikumssport in Nordkorea. Die nationale Liga fristet ein Schattendasein, berühmte Spielerinnen gibt es nicht. Im Mittelpunkt steht allein das Ziel, mit internationalen Erfolgen den Glanz der Nation und ihres Führers zu mehren.

    "Meine Meinung ist, dass Nordkorea ein Land ist, das sich gerne als schönes Land, als heiles Land nach Außen präsentieren möchte. Da ist der Sport natürlich immer ein Mittel. Und wenn man dort erfolgreich ist, wirft das immer ein positives Bild auf das Land selbst. Und Fußball ist natürlich eine Sportart, die in den meisten Ländern auf der Welt am meisten Beachtung findet, und daher denke ich, dass man auch forciert jetzt schaut, dass man sich versucht sowohl im Männersport, als auch im Frauensport weiter zu entwickeln."

    Dreimal haben die Nordkoreanerinnen schon an Weltmeisterschaften teilgenommen. Vor vier Jahren scheiterten sie im Viertelfinale erst nach zähem Ringen am späteren Turniersieger Deutschland. Im Nachwuchsbereich ist die kleine Fußballnation sogar titelfähig. 2006 gewannen die Asiatinnen die U20-Weltmeisterschaft, 2008 folgten der Sieg bei der U17-WM und die Endspielteilnahme bei der U20-WM. Ulrike Ballweg, die Assistentin von Bundestrainerin Silvia Neid, erkennt eine klare Strategie hinter diesen Resultaten.

    "Das zeigen ja auch ihre Erfolge in den U-Mannschaften, dass da sehr früh begonnen wird auch nach Plan, oder nach Struktur zu arbeiten und die Spielerinnen wirklich egal in welchem Altersbereich wissen, was sie zu tun haben, wie verschoben wird, das auch in höchstem Tempo machen, und sie auch athletisch sehr gut ausgebildet sind."

    Immer wieder fällt der Begriff Rasenschach. Nordkoreas Frauenteam funktioniert nicht über die individuelle Qualität einzelner Spielerinnen. Die Mechanismen dieser Mannschaft ähneln den Prinzipien der kommunistischen Gesellschaft.

    "Das ist das Kollektiv bei den Nordkoreanerinnen. Also die haben wirklich Spielertypen, die sich – ich will nicht sagen - aufs Haar gleichen, aber doch sehr ähnlich sind, also die Mannschaft steht im Vordergrund, das taktische Konzept steht im Vordergrund und die Spielerinnen nicht gerade austauschbar sind, aber schon ersetzbar."

    Und der deutsche Fußball hilft kräftig mit bei der Entwicklung des nordkoreanischen Frauenfußballs. Im April war eine deutsche Delegation zu Besuch in Pjöngjang. Es wurde ein Kooperationsvertrag unterzeichnet. Der DFB wurde heftig kritisiert für die Zusammenarbeit mit einem Verband, der von Schergen des Diktators geführt wird. Doch es gibt auch eine menschliche Seite der Kooperation. Im vorigen Jahr durften zwei Nachwuchsspielerinnen eine Art Praktikum bei den Bundesligafrauen von Turbine Potsdam machen. Markus Han hat auch diese beiden Mädchen betreut.

    "Wir waren auf dem Kuhdamm in einem Sportgeschäft. So wie andere Frauen vielleicht in Modegeschäften sich hier und da mal was anziehen, haben die beiden Mädchen über zwei Stunden lang alle möglichen Trainingsanzüge ausprobiert. Ich denke, sie kannten halt nur diese Sportmarken. Und man darf die wohl auch tragen, und deswegen waren die sehr, sehr heiß auf solche Trainingsanzüge. Geld hatten sie nicht, die Trainingsanzüge haben wir ihnen nachher geschenkt. Es war schön. Man hat gesehen, dieses Leuchten in den Augen, dieses Glück über einfache Sachen, das konnte man schon erkennen."

    Han weiß von vielen dieser kleinen Erlebnisse zu erzählen. Es ist zu spüren, dass er große Sympathien für die Spielerinnen entwickelt hat. Für ihn als Südkoreaner ist die Begegnung ein Beitrag zur Völkerverständigung. Nur allzu erfolglos sollte die Mannschaft nicht sein. Nachdem die Männer bei der WM in Südafrika praktisch chancenlos waren, geisterten Berichte von staatlichen Strafmaßnahmen durch die westliche Öffentlichkeit. Angeblich wurden einige der Verlierer in Arbeitslager geschickt, und auch Han war sehr unwohl zumute, als die U-20-Mädchen im vorigen Sommer aus dem WM-Turnier ausgeschieden waren.

    "Es ist so, dass ich bei der U-20-WM zwei Niederlagen erleben durfte, oder musste, sagen wir es mal so. Die Stimmung war schon sehr, sehr bedrückt. Und es war nicht nur eine Stimmung, die aufgrund der Enttäuschung da war, ich habe schon auch so ein bisschen Sorgen gesehen in den Gesichtern der Mädchen, aber auch in den Gesichtern der Verantwortlichen, was sie denn jetzt erwartet, wenn sie jetzt mit so einem Misserfolg nach Hause gehen."