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"Songs From The Bottom, Vol. 1"
Pop- und Dancefloor-Stücke von Distelmeyer transformiert

Der ehemalige Blumenfeld-Sänger Jochen Distelmeyer hat mit seinem neuen Soloalbum "Songs From The Bottom Vol. 1" wieder anrührende Lieder eingesungen. Doch sind diese diesmal nicht von ihm selbst - er covert unter anderen Britney Spears, Avicii und Al Green.

Von Eric Leimann | 15.02.2016
    Der Sänger und Gitarrist Jochen Distelmeyer während der Buchpremiere zu seinem ersten Roman "Otis" in Berlin.
    Der Sänger und Gitarrist Jochen Distelmeyer (imago/IPON)
    Nein, das ist - man kann es sich denken - nicht Jochen Distelmeyer, sondern: Britney Spears. Ihren alten Hit "Toxic" von 2003 gibt es jetzt aber in einer Version des ehemaligen Blumfeld-Musikers und das klingt dann so:
    (Jochen Distelmeyer "Toxic")
    "Songs From The Bottom" ist ein sehr angenehmes, ruhiges Album. Oft nur mit akustischer Gitarre und Stimme covert Distelmeyer persönliche Lieblingslieder, die aber noch etwas Anderes verbindet . Die meisten von ihnen spielte er auf der Lesereise zu seinem im letzten Jahr erschienen Debütroman "Otis". Darin geht es um einen Mann, der im Berlin der Gegenwart eine Neuauflage von Homers Odyssee erlebt. Und die Lieder zum Buch - so der "giftige Sirenengesang" von Britney Spears "Toxic" - machten auf dieser Lesereise nicht nur als musikalische Zerstreuung Sinn.
    "Eigentlich ist es grundsätzlich erst mal so eine Art Dankeschön an die Fans oder die Leute, die meine Sachen immer verfolgt haben und die mich nach Ende der Lesung angehauen haben, ob es die Stücke nicht irgendwo zu kaufen gäbe."
    Dieser Song "Turn! Turn! Turn!" von Pete Seeger aus dem Jahr 1950 - bekannter in der Version der Byrds - ist das älteste der zwölf Stücke auf "Songs From The Bottom". Es gibt aber keine stilistische oder historische Klammer auf dem Werk. Da steht Al Green neben The Verve oder Joni Mitchell neben einem Track des schwedischen Dance-Projekts Avicii. Hier zuerst kurz das Original - und dann die fast ambienthafte akustische Gitarren- und Klavierversion Distelmeyers.
    (Avicii "I Could Be The One" und Jochen Distelmeyer "I Could Be The One")
    "Songs From The Bottom" heißt Jochen Distelmeyers neues Album. Muss denn ein Song immer aus den Tiefen der Seele kommen, um richtig starker Popsong zu sein?
    Qualität von Popmusik
    "Zumindest dass es "The Bottom" erreicht - bei einem selber. Selbst eine "gefakede" Tiefe - und das ist ja eine Qualität von Popmusik, dass sie auch totale Oberfläche sein kann - und trotzdem ein tiefes Gefühl evoziert, das uns entweder tanzen lässt oder weinen lässt. Ich weiß nicht, ob es unbedingt eine Frage der Produktion ist, wie tief man hinabsteigt und mit was man zurückkehrt - oder ob es sich nicht ergibt aus dem Wechselspiel des Publikums, also der Erwartung mit den Leuten, die das herstellen. Ich glaube, dass selbst am Reißbrett entworfenen, marktförmig zurechtgeschnittenen Songs diese Erfahrung der Tiefe schönstenfalls unterläuft."
    Schöne Gitarren, sanfte Klaviertupfer, hier und da zwitschern sogar die Vögel vor Jochen Distelmeyers Fenster auf "Songs Fron The Bottom". Es ist deshalb ein sehr wohlklingendes Album geworden - vor allem, wenn man die Stimme des ehemaligen Blumfeld-Sängers mag. Natürlich stellt sich die Frage, ob man gehobene Lagerfeuer-Varianten von Stücken braucht, die im Original schon als Balladen daherkommen. Die Transformation von kreischenden Pop- und Dancefloor-Stücken zu Candle-Light-Dinner tauglichem Material auf Distelmeyers Coveralbum hat dagegen auf jeden Fall Charme. Auch regt es zum Nachdenken darüber an, ob ein herausragender Popsongs stets ein Geheimnis besitzt, das man nicht ergründen kann.
    "Ich glaube grundsätzlich, das Geheimnis ist das Geheimnis der Menschen selber. Weil wir bei jedem Song oder Platte, Buch, Film nehmen wir eigentlich als Hörer, Hörerin, Leser, Leserin, Kontakt zu dem Menschen, zu der Schönheit des Menschen dahinter auf. Das ist eigentlich der wirkliche Transfer, der da stattfindet. Womit wir connecten. Wir lieben zwar den Song, was wir nicht sagen, ist aber, dass wir in Wirklichkeit ihn oder sie, die das singen, spielen oder was auch immer, malen - in ihrer Schönheit beglaubigen. Das ist eine Form von Liebe und Mitgefühl, die da ausgetauscht wird. Das ist bei jedem Kunstwerk so."