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Songwriter Phil Ochs
Die US-amerikanische Stimme des Protests

In den 1960er- und frühen 70er-Jahren galt der Folksänger Phil Ochs als einer der wichtigsten Liedermacher der USA. Manche sagten über ihn, er sei die politische Stimme, die Bob Dylan hätte sein sollen. Dennoch ist der 1940 in El Paso, Texas, geborene Musiker heute in Vergessenheit geraten.

Von Michael Kleff | 09.04.2016
    Eine Gitarre des Herstellers Ovation.
    Das Streben nach Profit und Erfolg habe die Kreativität vieler Künstler getötet, kritisierte der Musiker Phil Ochs schon in den 60er-Jahren. (Jan-Martin Altgeld)
    "Es gibt keinen wichtigeren Unterhaltungskünstler für die politische Bewegung der 60er-Jahre als Phil Ochs. Er ist wichtiger als Bob Dylan. Und trotzdem hat man ihn aus der Geschichte gestrichen. Warum? Das hat mit seiner Persönlichkeit zu tun. Mit seinen psychischen Problemen, mit seinem Alkoholismus. Er wollte so berühmt sein wie Bob Dylan. Aber wenn es darauf ankam, war ihm politische Haltung immer wichtiger als die Karriere."
    Der Filmemacher Ken Bowser über den Sänger und Songwriter Phil Ochs. Die Antikriegshymne "I Ain't Marching Anymore" wurde sein bekanntestes Lied. Ochs war in seinen Songs ein genauer Beobachter der politischen Realität. "The Power And The Glory" ist zugleich Liebeserklärung und Kritik an Amerika.
    "Hier ist ein Land voller Kraft und Herrlichkeit
    Voller Schönheit, die Worte nicht beschreiben können.
    Doch es ist nur so reich wie ein verriegeltes Gefängnistor,
    Nur so stark wie unsere Liebe für dieses Land,
    Nur so stark wie wir selber sind."
    Ungeliebter Störenfried
    Geboren 1940 in El Paso, Texas, zog Ochs nach einem Journalistik-Studium 1962 nach New York. Dort lernte er viele Sänger, darunter Pete Seeger und Bob Dylan kennen. Von ihnen allen war der junge Ochs der belesenste – mit den Werken von Marx und Engels war er ebenso vertraut wie mit denen von Jefferson und Paine. Ochs attackierte die Verlogenheit der Politik, die die Herrschaft Fidel Castros in Kuba verteufelte, die Gräueltaten der Diktatoren Salazar, Franco oder Tschiang Kai Schek jedoch verschwieg.
    "Es ist ein einzigartiger Sumpf aus Korruption, der das Land vergiftet hat. Man braucht nur die Zeitung zu lesen. Das färbt auch auf die Musikindustrie ab. Wie konnte es geschehen, dass so viele wahnsinnig kreative Leute kaputt gemacht wurden. Ich denke, es lag am Streben nach Profit und Erfolg. Jeder wollte ihn."
    Diese Erfahrung und persönliche Rückschläge – die Medien verbannten ihn als ungeliebten Störenfried aus allen Sendungen – machten aus Phil Ochs einen immer radikaler denkenden Menschen. Besonders hart traf ihn die Ermordung von John F. Kennedy.
    "Ob du Kennedys Politik gut fandest oder nicht – er stand für etwas Positives und Großes. Als Person, als Symbol und als Amerikaner. Das wurde zerstört. Das Chaos nach Kennedys Tod führte auch zur Verwirrung unter den Künstlern."
    Phil Ochs besaß jedoch auch eine poetische Seite. Denen, die meinten, nur protestieren zu müssen, hielt er vor:
    "In einer derart brutalen, hässlichen Welt liegt der wahre Protest in Zärtlichkeit und Schönheit."
    Noch immer zeitgemäß
    1968 spielte Phil Ochs in Deutschland beim Festival auf der Burg Waldeck. In Chile trat er mit Victor Jara auf und organisierte 1974 nach dem Sturz von Präsident Allende eine Gedenkfeier in New York. Ein Jahr zuvor war Ochs während einer Afrika-Reise bei einem Überfall so schwer am Hals verletzt worden, dass er seine hohen Stimmlagen nicht mehr erreichte. Übermäßiger Alkoholgenuss tat ein Übriges. Psychisch krank und frustriert erhängte sich Phil Ochs am 9. April 1976. Doch die "Stimme des Protests" – wie ihn die Zeitschrift "Melody Maker" nannte – lebt in seinen Liedern weiter. Sein Freund, der Liedermacher Tom Paxton:
    "Seine besten Songs sind heute noch zeitgemäß und hochaktuell. Wenn ich 'I Ain't Marching Anymore' oder 'There But For Fortune' höre das sind immer noch wunderschöne Lieder."