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Sonnleitner gibt Verbrauchern Mitschuld an Massentierhaltung

Mit dem Begriff Massentierhaltung werde die Landwirtschaft diffamiert, sagt der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner. Der Verbraucher kritisiere zwar die Tierhaltung in den Ställen als nicht artgerecht. Im Supermarkt entscheide er sich jedoch für "billige Nahrungsmittel".

Gerd Sonnleitner im Gespräch mit Theo Geers | 14.12.2011
    Theo Geers: Den meisten Landwirten geht es derzeit vergleichsweise gut, obwohl es im Frühjahr zu trocken und im Sommer zur Ernte eigentlich zu nass war, vom Dioxinskandal zu Jahresbeginn und der Ehec-Krise ganz zu schweigen. Aber die Weltmarktpreise zum Beispiel für Getreide oder Kartoffeln sind derzeit ganz auskömmlich, was allerdings wiederum die Schweine- und Geflügelzüchter hart trifft, denn die ächzen unter diesen hohen Preisen, von denen die Körndlbauern, wie sie in Bayern heißen, profitieren. Dennoch: Die deutschen Bauern scheinen, ganz gut aufgestellt zu sein, und das ist wichtig, denn die nächste Agrarreform steht vor der Tür, und genau zu diesem Thema begrüße ich jetzt den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes im Studio, Gerd Sonnleitner. Guten Tag, Herr Sonnleitner.

    Gerd Sonnleitner: Grüß Gott, Herr Geers.

    Geers: Herr Sonnleitner, die nächste Agrarreform, sie hat ein klares Ziel: Agrarpolitik soll noch grüner werden. Das erwarten auch viele Verbraucher und auch Steuerzahler, die die Beihilfen für die Landwirte aufbringen. Ab 2014 soll das Ganze, also die Beihilfen, an noch mehr Auflagen zum Schutz von Kultur, Landschaft und Natur gekoppelt werden. Ist das für deutsche Landwirte ein Schreckgespenst?

    Sonnleitner: Nein, weil wir immer schon dem Greening, dem grüner machen, der Nachhaltigkeit uns verpflichtet gefühlt haben, und Sie wissen, dass es ja die sogenannte zweite Säule gibt in der europäischen Agrarpolitik, wo Umweltmaßnahmen gefördert werden und auch gefordert werden, und da haben unsere deutschen Bauern freiwillig sehr stark daran partizipiert. 40 Prozent unserer Agrarfläche wird mit Umweltauflagen bewirtschaftet. Das heißt, das was "GEOLOS" für ganz Europa vorgeschlagen hat, wird im Praktischen in Deutschland bereits umgesetzt.

    Geers: Herr Sonnleitner, nun ist es aber so, dass viele Bürger die Landwirtschaft ganz anders erleben. Sie erleben die oft als Natur zerstörend, als rücksichtslos. Ich nehme jetzt mal das Beispiel Massentierhaltung heraus, dass da zig Tausende Hähnchen und Puten in den Ställen oder mehrere Tausend Schweine oder Rinder zusammengepfercht werden. Warum machen Bauern – und das fragen sich viele Verbraucher – so etwas eigentlich mit?

    Sonnleitner: Ich weiß, dass mit der Begrifflichkeit Massentierhaltung die Landwirtschaft diffamiert wird oder Tierhaltung generell negativ bewertet wird, und dazu hat der neue Tierschutzpräsident gesagt, das Tierwohl ist ja nicht von der Größe des Stalles abhängig, sondern wie die Tiere in dem Stall behandelt werden, wie sie gefüttert werden, wie Luft, wie Licht, wie die ganzen Aufstallungen sind, und daran müssen wir die Tierhaltung bewerten. Und da sind wir immer bereit, uns nach praktischen oder aus der Praxis heraus nach wissenschaftlichen Vorgaben zu verbessern und die Haltung der Tiere eben noch mehr tiergerecht zu machen. Das ist ein ständiger Prozess, und da ist gerade die deutsche Landwirtschaft auch mit führend in Europa bei der Umsetzung modernerer, tiergerechterer Haltungsformen. Auf der anderen Seite kritisiert zwar der Verbraucher unsere Stallungen, aber er will billige Nahrungsmittel, und vom Ausland kommt Material und Fleisch und kommen Tierprodukte herein, die unter schlimmen Geschichtspunkten produziert werden, und da gibt es keine Kritik.

    Geers: Anderes Thema: Antibiotika-Einsatz, auch ein Thema seit einigen Wochen. Anfang November gab es eine Studie aus Nordrhein-Westfalen: 96 Prozent aller Bestände in der Hähnchenmast werden danach mit Antibiotika behandelt. Und der nordrhein-westfälische Verbraucherschutzminister kommentierte das mit den Worten, diese hohe Zahl verursache bei ihm "dauerhafte Übelkeit". Offenkundig geht es hier nicht nur um Krankheitsbekämpfung, wenn Antibiotika derart massiv eingesetzt wird. Es ist auch der Vorwurf des Wachstums-Dopings im Raum. Was sagen Sie denn dazu?

    Sonnleitner: Wenn dies stimmen würde, oder wenn dies stimmt, ist es nicht gut, was dort passiert ist, aber die Basis dieses Vorfalles ist sehr gering. Es gibt auch niedersächsische Untersuchungen, die wesentlich besser ausschauen. Wir fordern jetzt ein generelles Monitoring in die Geflügelhaltung oder in die Tierhaltung hinein, und zwar, weil es darf ja nicht prophylaktisch Antibiotika gefüttert werden. Da sind wir strikt dagegen. Jetzt machen wir das Monitoring, überprüfen. Im Fleisch ist nämlich nichts gefunden worden, sondern nur über Aufschreibungen, und da gehen wir jetzt hinterher, weil wir wissen, dass ungefähr 20 Prozent der Betriebe – auch das ist eine wichtige Zahl – kommt ohne jeglichen Antibiotika-Einsatz aus, und da wollen wir herausfinden, warum haben die anderen das öfter eingesetzt, was steckt da dahinter.

    Geers: Eine Frage, die natürlich auch viele Verbraucher bewegt, Herr Sonnleitner. Manchen passt dieses Ganze nicht, das gebe ich gerne zu, und Sie haben zurecht darauf verwiesen, dass die Landwirte ihrerseits unter Zwängen stehen: Konkurrenz aus dem Ausland, Preisdruck der Discounter und so weiter und so weiter, alles bekannt. Ist denn vor diesem Hintergrund irgendwie ein Umdenken, was sich manche Verbraucher ja wünschen, wenn man sie in Sonntagsfragen fragt, überhaupt denkbar, oder sind das Vorstellungen, die nicht von dieser Welt sind?

    Sonnleitner: Herr Geers, wir merken sehr stark, wenn wir Betriebsbesichtigungen machen, das heißt Verbraucher auf unsere Höfe, zu den Tierhaltungen, in die Stallungen mit einladen, dass sie dann, wenn sie es wirklich gesehen haben und drin waren, ein ganz anderes, nämlich ein positives Verhältnis zu unserer Tierhaltung haben, und das werden wir jetzt noch stärker forcieren, dass wir Verbraucher einladen, unsere Tierhaltung zu besichtigen, auch unsere Verantwortung, unsere Kontrollen in den Tierhaltungen hinein. Und dann kommt das Vertrauen sicher wieder zurück. Aber es wird ein hartes Stück Arbeit sein, weil sich die Gesellschaft, die Bevölkerung zu weit schon von den Bauern weg entfernt hat und dann oft romantische Vorstellungen von Tierhaltung hat. Aber die gute alte Tierhaltung, die hat es ja gar nicht gegeben. Da waren die Stallungen viel schlechter und die Tierhaltung teilweise grausam. Wir haben viele Verbesserungen, und an der Verbesserung wollen wir weiter arbeiten.

    Geers: Vielen Dank! – Das war Gerd Sonnleitner, der Präsident des deutschen Bauernverbandes, zur Frage, wie grün können deutsche Landwirte eigentlich wirtschaften.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.