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Sopranistin Lise Davidsen
Einmalige Stimme

2015 war ihr Jahr: Lise Davidsen gewann mehrere wichtige Gesangswettbewerbe und beeindruckte mit ihrer klangmächtigen, farbenreichen Stimme. Ende Mai ist ihr lang erwartetes Debüt-Album erschienen, mit Orchesterliedern von Strauss und Wagner. Das Programm passt zu ihr!

Von Jürgen Kesting | 05.06.2019
    Eine junge Frau mit braunen Haaren lächelt und hält mit ihren Händen den Kragen ihres beigen Pullovers fest.
    Die norwegische Sopranistin Lise Davidsen (Decca)
    Es ist vier Jahre her, daß die norwegische Sopranistin Lise Davidsen beim Queen Sonja International Music Competition das Publikum, wie ich von einer Jurorin hörte, "in einen Zustand der Raserei" versetzte. Im selben Jahr, 2015, gewann die damals 28-Jährige bei dem von Plácido Domingo ins Leben gerufenen Wettbewerb "Operalia" den ersten Preis, überdies den Birgit-Nils-son-Award und den Publikums-Preis. Vor zwei Jahren konnte ich Lise Davidsen bei einem Konzert hören, zu dem sie – als Auftakt zum Nachfolge Wettbewerb von 2017 – von der norwegischen Königin eingeladen war. Der Festsaal im Oscarshall Palace erwies als zu klein für ihre expansive Stimme. In der tiefen Lage ist sie grundiert von jenen dunklen Chalumeau-Töne, wie man sie von der Klarinette kennt, in der mittleren und hohe Lage hat sie Fülle und Leuchtkraft – auch und gerade in Piano-Phrasen wie im "Wiegenlied" von Richard Strauss.
    Musik: Richard Strauss, "Wiegenlied"
    Ein Ausschnitt aus der voller Spannung erwarteten Debüt-Platte von Lise Davidson, die sie für das Label Decca gemacht hat. Das Programm dieser CD beginnt mit den beiden Arien der Elisabeth aus dem "Tannhäuser". Sie hat sich mit dieser Partie inzwischen an der Zürcher Oper und an der Bayerischen Staatsoper eingeführt, und sie wird mit ihr im Juli auch in Bayreuth unter Valery Gergiev debütieren. Den beiden Arien von Wagner folgen der Monolog der Ariadne – "Es gibt ein Reich" – und zehn Lieder von Richard Strauss. Die Klangpracht ihrer in allen Graden der Dynamik kontrollierten und in schönsten Farben changierenden Stimme erinnert an die der norwegischen Sopranistin Kirsten Flagstad, die 1950 – zusammen mit dem Philharmonia Orchestra unter Wilhelm Furtwängler – die "Vier letzten Lieder" uraufgeführt hat. Was allerdings noch verbesserungswürdig wäre, ist die Genauigkeit der Wortformung. Denn es ist die Prägnanz der Artikulation, die für Deutlichkeit und Klarheit sorgt: für das Wortverständnis.
    Musik: Richard Strauss, "September" aus "Vier letzte Lieder"
    Werke von Wagner und Strauss
    Lise Davidsen, Sopran
    Philharmonia Orchestra
    Esa-Pekka Salonen, Leitung
    Decca