Freitag, 29. März 2024

Archiv

Sozialaktivist Ali Can
Plädoyer für mehrere Heimaten

"Wir sollten Deutschsein nicht mehr als Einbahnstraße begreifen", sagte Ali Can im Dlf, "sondern Menschen ermöglichen, dass sie mehrere Heimaten haben dürfen." Der Aktivist und MeTwo-Initiator setzt sich anhand der eigenen Herkunft in seinem neuen Buch mit Alltagsrassismus und Identität auseinander.

Ali Can im Corsogespräch mit Juliane Reil | 14.10.2019
Der Publizist und Initiator der Twitter-Aktion "#MeTwo" gegen Alltagsrassismus, Ali Can.
Ali Can - Initiator der Twitter-Aktion "#MeTwo" gegen Alltagsrassismus - plädiert dafür, dass Menschen mehrere Heimaten haben dürfen. (imago / Sven Simon)
Im Sommer 2018 rief Ali Can den Hashtag #MeTwo ins Leben. Das "Two" von Metwo steht für zwei Identitäten. Auf Twitter hat der Buchautor und Sozialaktivist damit eine Debatte über Alltagsrassismus in Deutschland losgetreten. Der 25-Jährige, der sich selbst humorvoll als "Asylbewerber Ihres Vertrauens" bezeichnet, war auf Pegida-Demonstrationen in Dresden unterwegs, um den Dialog zu suchen, und startete vor drei Jahren die Initiative "Hotline für besorgte Bürger."
"Eine Heimat der Werte"
Nun hat Can sein zweites Buch veröffentlicht, in dem er für eine neue Art plädiert, wie man Heimat und Deutschsein definiert. Das erklärt er unter anderen anhand der Biographie seiner Familie und seiner eigenen. Es wäre viel gewonnen nach Aussage von Can, wenn man nicht von »Heimat« im Singular sprechen würde, sondern von »Heimaten« im Plural: "Wir sollten Deutschsein nicht mehr als Einbahnstraße begreifen, sondern Menschen ermöglichen, dass sie mehrere Heimaten haben dürfen."
Das sei ein Plädoyer dafür, weg von einem geographischen Ort oder Geburtsort zu kommen, so Can weiter, zu "einer Heimat der Werte". Das würde bedeuten, dass Menschen, die nach Deutschland emigrieren oder flüchten, hier eine zweite oder dritte Heimat finden und sich mit der deutschen Gesellschaft identifizieren sollen können: "Dafür müssen wir diese Menschen ermutigen und ihnen erlauben, eine zweite Heimat finden zu dürfen."
Wir haben noch länger mit Ali Can gesprochen – hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Als es vor etwas mehr als einem Jahr zu Ausschreitungen in Chemnitz kam, gab es einige Popkünstler, die damals mit dem Konzert "Wir sind mehr" eine klare Haltung gegen Rechts bezogen. Diese Aktionen seien wichtig, sagte Can: "Alles, was auf der Straße ist, zeigt ja, dass diese Themen den Menschen wichtig sind." Ein Zeichen in dieser Form zu setzen, würde deshalb auch auf politischer Ebene ankommen, meint der Sozialaktivist. Daran merken Politiker und Politikerinnen, dass es ein Anliegen in der Zivilgesellschaft gibt und setzen das Thema auf ihre Agenda.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ali Can: "Mehr als eine Heimat. Wie ich Deutschsein definiere"
Duden, Berlin 2019. 224 Seiten, 15 Euro.