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Soziale Medien
Staatliche Spezialeinheiten auch für Hass-Kommunikation?

Die hasserfüllten Kommentare in den sozialen Medien nach dem Tod des CDU-Politikers Walter Lübcke zeigen, dass die bisherigen Gesetze nicht ausreichen, meint Ludger Fittkau. Für Verbrechen im Darknet gebe es inzwischen schlagkräftige Ermittlungsstrukturen - diese brauche es vielleicht auch für Hass-Kommunikation.

Von Ludger Fittkau | 05.06.2019
Ein Mauszeiger schwebt am 19.02.2018 in Berlin über einem Button zum Melden eines Twitter-Tweets (gestellte Szene).
Gegen Hass-Kommunikation im Netz könnten Spezialeinheiten helfen, meint Ludger Fittkau (picture alliance / Andrea Warnecke)
Menschenverachtend und ekelhaft. So bezeichnet Konstatin von Notz, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, die Kommentare, die in den letzten Tagen in den sozialen Medien nach dem gewaltsamen Tod des hessischen CDU-Politikers Walter Lübcke zu lesen waren.
Der erfahrende Netzpolitiker hat Recht. Auch wenn er fordert, dass Plattformbetreiber endlich dazu verpflichtet werden sollten, Hetze und Schmähungen im Internet zu unterbinden. Doch der Fall Lübcke zeigt wieder einmal drastisch: Die bisherigen Gesetze reichen offenbar nicht aus, um zu verhindern, dass hasserfüllte Menschen auf Facebook oder You Tube ihre ganz und gar nicht klammheimliche Freude über eine mögliche Mordtat an einem Politiker zum Ausdruck bringen können.
Spezialeinheiten auch für Hass-Kommunikation
Seit anderthalb Jahren gibt es etwa das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz – kurz NetzDG. Danach sollen offensichtlich rechtswidrige Beiträge und Kommentare binnen 24 Stunden gelöscht werden, sonst drohen hohe Bußgelder.
Persönlichkeitsrechte gelten übrigens laut unserer Rechtsordnung als sogenanntes "postmortales Persönlichkeitsrecht" auch für Verstorbene.
Die Kasseler Sonderkommission, die aktuell im Tötungsfall Lübcke ermittelt, will jetzt auch die Hass-Kommentare überprüfen, die es in den vergangenen Tagen nach dem Tod des Politikers am Sonntag gegeben hat. Doch die Hauptaufgabe der Ermittlerinnen und Ermittler bleibt es, den konkreten Täter zu finden und nicht, Meinungsäußerungen im Internet strafrechtlich zu verfolgen.
Für Verbrechen im Darknet wie Kinderpornografie oder Waffenhandel gibt es inzwischen schlagkräftige Ermittlungsstrukturen - etwa beim BKA oder der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Vielleicht bräuchten wir solche Spezialeinheiten auch für Hass-Kommunikation im offenen Internet und in den sozialen Medien.
Selbst strafbare Kommentare werden teilweise nicht gelöscht
Dennoch bleibt die Frage: Sind Internet-Konzerne wie You Tube oder Facebook wirklich bereit, mit Ermittlern beim Kampf gegen Hass im Internet zu kooperieren?
Nein, sagt der Deutsche Richterbund. Ja, sagen die Konzerne. Im Fall der Hass-Äußerungen gegen Walter Lübcke wiesen jedoch etwa die Kolleginnen und Kollegen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nach, dass selbst offenkundig strafbare Kommentare teilweise gar nicht oder auch im Einzelfall viel zu spät gelöscht wurden.
Es muss mehr geschehen. Erfreulich deshalb, dass der Europäische Gerichtshof nun in einem sogenannten "Schlussantrag" empfohlen hat, Facebook dazu zu verpflichten, nicht nur Kommentare aus dem Netz zu nehmen, die von Richtern bereits als rechtswidrig eingestuft wurden. Sondern dann auch sämtliche Kommentare desselben Nutzers zu untersuchen und weltweit zu entfernen, wenn sie etwa ähnlich menschenverachtende Inhalte aufweisen.
Das könnte ein guter Ansatzpunkt sein, "Wiederholungstätern" auf dem Feld der persönlichkeitsverletzenden oder gar volksverhetzenden Hasskommentare das Handwerk zu legen. Damit bekommt man den Hass nicht aus den sozialen Medien weg. Doch ein Anfang wäre es allemal.