Donnerstag, 28. März 2024

Sozialpolitik
Brauchen wir das bedingungslose Grundeinkommen?

Die Coronakrise bringt neuen Schwung in die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen. Jede Bürgerin und jeder Bürger würde es erhalten. Was spricht also dagegen? Wie soll es finanziert werden? Und welche Erfahrungswerte existieren bereits? Ein Überblick.

27.07.2020
    Ein lachender Großvater trägt ein Mädchen auf den Schultern. Es hält ihm zwei weiße Blumen vor die Augen.
    In der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen geht es auch um die Frage, ob ein menschenwürdiges Existenzminimum zu mehr Zufriedenheit und nachhaltigerem Verhalten führen würde. (imago/Westend61)
    Was ist das bedingungslose Grundeinkommen (BGE)?
    Das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) basiert auf einer einfachen Idee: Jeder Bürger soll ein regelmäßiges Einkommen vom Staat bekommen – bedingungslos, also unabhängig vom eigenen Einkommen und ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Doch wie das BGE im Detail umgesetzt werden soll und kann, darüber gehen die Vorstellungen sehr weit auseinander.
    Kontrovers wird unter anderem die Frage diskutiert, ob ein BGE die bestehenden staatlichen sozialen Sicherungssysteme ersetzen soll oder nicht. In seiner Reinform soll es dies auf jeden Fall tun - und etwa Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und eventuell Grundsicherung im Alter ersetzen.
    Politisch eher linke Befürworter lehnen Vorschläge ab, das bedingungslose Grundeinkommen als Ersatz für bestehende Sozialleistungen zu zahlen. Sie plädieren für ein ergänzendes und meist auch sehr großzügiges BGE. Es solle sichergestellt werden, dass "jeder Mensch über ein existenz- und teilhabesicherndes Einkommen verfügt", heißt es etwa in einem Grundeinkommenskonzept, das in der Linkspartei diskutiert wird. Ein bestimmter Betrag wird in dem Konzept nicht genannt. Befürworter, die das BGE vor allem aus humanistischen Motiven fordern, schlagen üblicherweise monatliche Zahlungen von 1.000 bis 1.500 Euro pro Bürger vor.
    Die Grafik zeigt die Einschätzung der Befragten zur Höhe eines bedingungslosen Grundeinkommens
    Die Grafik zeigt die Einschätzung der Befragten zur Höhe eines bedingungslosen Grundeinkommens (statista / Hedda Nier)
    Einige Konservative und Liberale präferieren dagegen eher ein sogenanntes solidarisches Bürgergeld, das vor allem die bestehenden sozialen Sicherungssysteme ersetzen soll. Fraglich ist aber, ob das noch als bedingungsloses Grundeinkommen gelten kann. Mehrheitlich steuerfinanzierte Leistungen, etwa Arbeitslosengeld, Grundsicherung und Sozialhilfe, sollen dabei weitgehend oder auch vollständig durch eine pauschale monatliche Zahlung ersetzt werden, die jeder Bürger ohne Ansehen seiner Person und Bedürftigkeit bekommt.
    Die Vorschläge reichen hier von monatlichen Beträgen von 600 bis 800 Euro. Der Schweizer Ökonom Thomas Straubhaar, früherer Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, argumentiert, dass ein solches BGE dann auch staatliche Vorgaben wie Mindestlöhne oder Kündigungsschutz überflüssig machen würde. Denn wenn der Staat das Existenzminimum jedes Bürgers absichern würde, könnte alles andere dem Markt überlassen werden. Ein weiterer Effekt wäre ein schlanker Staat, so Straubhaar.
    Dem Nettoeinkommen heute bei einem Bruttoeinkommen von 0 Euro wurden die durchschnittlichen Kosten für Unterkunft und Heizung eines Singles von 280 Euro (Bundesagentur für Arbeit, 2007) zugrunde gelegt.
    Welche Probleme könnte das BGE lösen?
    Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte dazu führen, dass Menschen losgelöst von Zwang auch weiterhin arbeiten– und zwar deutlich zufriedener. Diesen humanistischen Ansatz vertritt auch der Ökonom und Philosoph Philip Kovce, wenn er argumentiert, dass das BGE gar keine Sozialleistung sei, "sondern ein verfassungsgemäßes Grundrecht". Schließlich sei es eine Maßnahme, die sicherstelle, dass ein menschenwürdiges Existenzminimum ausnahmslos für alle gewährleistet sei.
    Eine Hand nimmt den Deckel von einem Teller auf dem Geld liegt. Davor stehen zwei Personen. (Illustration)
    Philosoph Kovce: Die Zeit ist reif für das Grundeinkommen!
    In diesen Tagen kursieren viele Petitionen zum bedingungslosen Grundeinkommen. Das ist kein Wunder, sagt der Ökonom und Philosoph Philip Kovce. In der gegenwärtigen Krise würde es viele Probleme lösen.
    Die Psychologin und Publizistin Adrienne Goehler hingegen sieht das BGE vor allem als Konzept, um eine ökologische Transformation zu ermöglichen. Menschen sollten in die Lage versetzt werden, "ein Leben führen zu können, das nachhaltig und entschleunigt ist. Und das geht am besten mit einem Grundeinkommen", so Goehler.
    Zwei Hände reichen in Richtung des Betrachters mehrere Euro-Banknoten.
    Rückenwind für das bedingungslose Grundeinkommen?
    Geld für alle vom Staat – ohne Gegenleistung? Ist es das adäquate Mittel gegen Armut, Ungerechtigkeit und für eine solidarischere Wirtschaftsordnung?
    Andere argumentieren, dass ein BGE schlicht notwendig wird, weil im Zuge der Digitalisierung sehr viele Arbeitsplätze wegfallen, so etwa Telekom-Chef Timotheus Höttges. Er warnte auf dem Arbeitgebertag 2015 davor, dass dies zu erheblichen sozialen Verwerfungen führen und letztendlich auch der Wirtschaft schaden könnte. Ähnlich argumentierte auch der scheidende Siemens-Chef Joe Kaeser. Das BGE könne eine Grundlage sein, um die Gesellschaft gegen solche Szenarien abzusichern. Zwar entstünden durch die Digitalisierung auch neue Arbeitsplätze, doch es sei fraglich, ob dieselben Menschen, die infolge der Digitalisierung ihre Arbeit verlieren, neue, digitale Jobs übernehmen könnten, sagte der Philosoph Richard David Precht kürzlich in einem Interview mit der "Rhein-Necker-Zeitung".
    An einer Hausfassade in Berlin-Kreuzberg hängt ein Transparent, auf dem das Grundeinkommen gefordert wird.
    Forschungen zum bedingungslosen Grundeinkommen
    Wie wirkt sich ein bedingungsloses Grundeinkommen auf Menschen aus? Das wollen Forscherinnen und Forscher in einer Langzeitstudie herausfinden. Mindestens 120 Auserwählte sollen drei Jahre lang monatlich 1.200 Euro bekommen: ohne Gegenleistung.
    Ein weiteres Argument wird insbesondere von Ökonominnen und Ökonomen angeführt: Mit dem BGE könnten bestehende finanzielle Fehlanreize korrigiert werden, etwa die zunehmende Belastung der beitragspflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund der alternden Bevölkerung. Oder dass, wer aktuell arbeitslos ist und Arbeitslosengeld II erhält, diese staatliche finanzielle Unterstützung verliert, sobald er eine Arbeit aufnimmt. Mit dem BGE wäre das anders. Wer wieder in den Arbeitsmarkt einsteigt, dürfte das BGE trotzdem in voller Höhe behalten. Zu arbeiten würde sich also finanziell immer lohnen.
    Welche Modelle zur Finanzierung gibt es?
    Zur Finanzierung eines BGE gibt es unterschiedliche Vorschläge. Unstrittig ist: Es wird viel Geld benötigt. So würde beispielsweise ein Grundeinkommen von 1.000 Euro pro Monat und Einwohner den deutschen Staat etwa knapp eine Billion Euro im Jahr kosten.
    Einer der Vorschläge ist, die Einkommensteuer, die Lohnsteuer und die Sozialabgaben abzuschaffen – brutto würde so zu netto. Stattdessen gäbe es eine Konsumsteuer, die zunächst als schrittweise Erhöhung der Mehrwertsteuer gestaltet würde. Der Chef der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, wirbt seit Jahren für diese Idee. Für ihn ist die Besteuerung von Arbeit grundsätzlich falsch:
    "Wir bestrafen den Leistungsbeitrag durch Steuerabzug, und wir belasten nicht die Leistungsentnahme, also den Konsum", so Werner. Als Mehrwertsteuersatz hat er in Interviews 50 Prozent vorschlagen.
    Götz Werner, deutscher Manager, Gründer und bis 2008 Chef der Drogeriemarkt-Kette dm
    dm-Gründer: "Wieder paradiesische Zustände herstellen"
    dm-Gründer Götz Werner befürwortet ein bedingungsloses Grundeinkommen.Es sei ein falsches Menschenbild, dass man Menschen zur Arbeit zwingen müsse – sie würden arbeiten, weil sie arbeiten wollen.
    Ein anderer Vorschlag setzt bei einer sogenannten negativen Einkommenssteuer an. Jeder Bürger bekäme das BGE steuerfrei ausgezahlt, zusätzliches Einkommen müsste allerdings ab dem ersten Euro versteuert werden. In vielen Überlegungen soll die Lohnsteuer dann – anders als aktuell – auch nicht progressiv steigen, sondern jeder dazu verdiente Euro mit dem gleichen Satz besteuert werden.
    Ein Beispiel: Angenommen das BGE beträgt 1.000 Euro und der Lohnsteuersatz 50 Prozent. Wer nun 1.000 Euro verdient, darf 500 davon behalten und hat zusätzlich das BGE: 1.500 Euro netto. Wer 5.000 Euro verdient, darf davon 2.500 behalten und hat zusätzlich das BGE, also 3.500 Euro netto.
    Der Philosoph Richard David Precht wirbt hingegen dafür, das BGE über eine Finanztransaktionssteuer zu finanzieren. Andere Autorinnen und Autoren denken über höhere Steuern für Reiche, auf Erbschaften oder Vermögen nach. In einem weiteren Modell soll das BGE über die Besteuerung natürlicher Ressourcen wie Böden, Luft oder Wasser finanziert werden.
    Andere Finanzierungsideen setzen bei den sich durch die Digitalisierung abzeichnenden Veränderungen von Gesellschaft und Arbeitswelt an. Telekom-Chef Höttges etwa gab bereits 2015 in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit! zu bedenken, dass Produktivität künftig möglicherweise stärker an Maschinen und die Auswertung von Daten gekoppelt sei.
    Ähnlich wie Höttges argumentiert auch der Investor Frank Thelen: "Roboter, Serverfarmen und autonome Fahrzeug brauchen ja keinen Lohn, weswegen es nur fair wäre, wenn es einen entsprechenden Ausgleich für den Wegfall der damit verbundenen Steuern gäbe." Eine mögliche Digitalbesteuerung würde jedoch alle gängigen Steuerprinzipien außer Kraft setzen, beispielsweise, dass Gewinne an einem Ort erwirtschaftet würden. Eine Lösung ist bislang nicht in Sicht.
    Was spricht gegen das BGE?
    Kritikerinnen und Kritiker, die ein BGE grundsätzlich ablehnen, berufen sich auf Studien aus der Verhaltensökonomie und der Wirtschaftsforschung. Das bedingungslose Grundeinkommen basiere auf der Annahme, dass der Mensch gerne arbeite und gerne gebe, sagt etwa der Verhaltensökonom Dominik Enste vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Dies werde jedoch durch verhaltensökonomische Forschung widerlegt. Demnach zeigten Studien, dass sich nur fünf bis zehn Prozent der Menschen rein altruistisch verhielten, 60 bis 70 Prozent handelten dagegen reziprok altruistisch und etwa 20 bis 30 Prozent egoistisch. Dieses Verhalten finde sich in allen Kulturen und zeitübergreifend.
    Enste geht daher davon aus, dass die Menschen nach der Einführung eines BGE zwar zunächst weiterarbeiten würden, weil ihnen die gesellschaftliche Norm das vorschreibt. Mittelfristig aber würde diese Arbeitsnorm erodieren.
    Diese Statistik zeigt das Ergebnis einer Umfrage in Deutschland zu der Frage, ob sie den hier aufgeführten Aussagen zum Thema Arbeiten zustimmen. Im Jahr 2015 schlossen sich rund 55 Prozent der Befragten der Ansicht an, dass sie auch arbeiten würden, wenn sie das Geld nicht bräuchten. Weitere rund 11 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus.
    Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, verweist auf Umfragen, die zeigten, dass mit der Einführung des BGE 17 Prozent der bisher gearbeiteten Stunden wegfallen würden. "Das würde die Wirtschaftsleistung und damit auch den zu verteilenden Wohlstand in Deutschland massiv reduzieren", warnt Fratzscher. In der Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens sieht Fratzscher ein weiteres Problem, insbesondere bei Modellen, in denen das BGE existierende Sozialhilfen ersetzen soll. Ein solches BGE sei "blind gegenüber den unterschiedlichen Bedürfnissen jedes Einzelnen". Auch Verteilungsgerechtigkeit sei durch ein BGE nicht zu erreichen.
    Ähnlich äußerst sich auch der Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge. Das BGE tue so, als ob alle Menschen die gleichen Bedarfe hätten, was nicht der Fall sei. Zudem werde es an der sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland nichts ändern. Vielmehr berge ein Modell, in dem je nach Bedarf zum Grundeinkommen dazuverdient werden könne, die Gefahr, dass der Niedriglohnsektor noch breiter werde, weil Unternehmen wegen der Unterstützung des Staates noch weniger Lohn zahlen könnten.
    Dass ein BGE tatsächlich für ärmere Schichten nachteilig sein könnte, zeigt eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). In ihr wurde durchgerechnet, wie sich ein BGE, das viele Sozialleistungen ersetzt, in Finnland, Frankreich, Großbritannien und Italien auswirken könne. In der Modellrechnung profitiert vor allem die Mittelschicht, in den ärmeren und reicheren Einkommensgruppen verlieren dagegen viele Menschen Geld. Bei den ärmeren Einkommensgruppen liegt das daran, dass die aktuellen nicht bedingungslosen Sozialleistungen umfangreicher sind als ein mögliches BGE. Die Mittelschicht profitiert der OECD zufolge, weil sie vorher keinen Zugang zu solchen Leistungen hatte.
    Einen weiteren nachteiligen Aspekt benennt der Sozialarbeiter Raedi Meri. Arbeit sei auch für die Eingliederung in die Gesellschaft enorm wichtig, so Meri, der sich in Bonn um die Integration von Jugendlichen und jungen Familien mit Migrationshintergrund kümmert. Die Jobs für diese Menschen seien selten attraktiv, umso wichtiger sei es, dass sie Geld für Arbeit bekämen statt fürs Nichtstun.
    Warum wird das BGE in der Coronakrise zum Thema?
    Die Debatte um die Einführung eines BGE hat durch die Coronakrise neuen Schwung bekommen. Grund sind die für viele Menschen jetzt schon spürbaren Auswirkungen der Pandemie: Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Einkommenseinbußen und -ausfälle.
    Seit März wurde in drei unterschiedlichen Petitionen an den Bundestag die Einführung eines BGE gefordert – zumindest in zeitlich begrenzter Form, um die Folgen der Coronakrise abzumildern. In einem Aufruf forderten mehr als 20 Organisationen und 160 Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Kirchen und Zivilgesellschaft eine ernsthafte Debatte über das BGE. Schon vor der Coronakrise befürworteten laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung rund 50 Prozent der Deutschen ein Grundeinkommen.
    Ein Transparent mit der Aufschrift "Grundeinkommen! Nehmt's von den Reichen" hänft in Berlin an einem unsanierten und besetzten Haus in der Linienstrasse im Bezirk Mitte.
    Corona belebt Debatte um bedingungsloses Grundeinkommen
    Eine bedingungslose Existenzsicherung für alle – ohne Anträge, ohne Bedürftigkeitsnachweis. Das wird in drei Petitionen an den Deutschen Bundestag gefordert. Die Vorschläge sind so unterschiedlich wie umstritten.
    Das zeigt: Der eher der politischen Linken zuzuordnende Utopieentwurf eines BGE ist zu einem breit diskutierten Modell geworden. Nach Ansicht von Michael Bohmeyer, Unternehmer und Vorsitzender des Vereins "Mein Grundeinkommen", hat das damit zu tun, dass sich gerade in der Krise immer mehr Menschen die Frage stellten, wie wir als Gesellschaft in Zukunft leben wollten. Gäbe es das BGE bereits, würde es die Coronakrise als Wirtschaftskrise "in dieser dramatischen Form" nicht geben, glaubt der Ökonom und Philosoph Philip Kovce:
    "Weil das Grundeinkommen exakt jene unbürokratische, ja unbedingte Existenzsicherung darstellt, die unzähligen Menschen dieser Tage fatalerweise fehlt."
    Die Coronakrise zeige deutlich, dass die "alten Modelle" nicht mehr funktionierten, merkt dazu die Psychologin und Publizistin Adrienne Goehler an. Daher sei es nun notwendig, "Corona und Klimawandel und die Angst der Menschen, ins Nichts zu stürzen, zusammendenken".
    Welche Erfahrungen gibt es mit dem BGE?
    Eines der bislang größten Modellprojekte mit einer Art Grundeinkommen wurde in Finnland durchgeführt. Zwischen Januar 2017 und Dezember 2018 erhielten 2.000 zufällig ausgewählte arbeitslose Finninnen und Finnen jeden Monat steuerfrei und ohne Bedingungen 560 Euro. Die finnische Sozialversicherungsbehörde wollte unter anderem herausfinden, ob das Grundeinkommen einen positiven Beschäftigungseffekt hat.
    Der im Mai 2020 vorgelegte Abschlussbericht kommt zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall war: Das Grundeinkommen half den Empfängern nicht dabei, wieder Arbeit zu finden. Allerdings hatte es einen positiven Effekt auf deren Wohlbefinden. Die Bezieher erlebten weniger psychischen Stress und waren zufriedener mit ihrem Leben. Sie empfanden ihre wirtschaftliche Situation auch als positiver.
    Traktor beim Schneeräumen, Ylläs, Lappland, Finnland, Europa.
    Finnlands Experiment mit dem Grundeinkommen
    Das bedingungslose Grundeinkommen wirkt sich positiv auf die Gesundheit von Arbeitslosen aus, beschleunigt aber nicht deren Rückkehr auf den Arbeitsmarkt.
    Über ähnliche Erfahrungen berichtet auch der Gründer und Vorsitzende des Vereins "Mein Grundeinkommen", Michael Bohmeyer. Der Verein sammelt Spenden und verlost dann zwölfmonatige Grundeinkommen in Höhe von 1.000 Euro, um herauszufinden, wie sich Menschen verhalten, wenn sie jeden Monat Geld bekommen, ohne dafür etwas leisten zu müssen. Mehr als 600 solcher Grundeinkommen hat der Verein inzwischen vergeben.
    "Viele Leute sagen, dass sie besser schlafen, dass sie weniger Alltagsleiden haben", sagt Bohmeyer. Die Menschen würden mit dem weitermachen, was sie vorher getan hätten, also auch weiterarbeiten. Aber sie würden sich weiterentwickeln, etwa durch Fortbildungen. "Sie schaffen mehr und sind dabei weniger gestresst, einfach weil durch dieses zusätzliche Geld auf einmal ein bisschen mehr Freiraum entsteht, und der entsteht gar nicht unbedingt real, sondern vor allem im Kopf", so Bohmeyers Fazit.
    Einschätzungen aus der Wirtschaftsredaktion
    Birgid Becker aus der Dlf-Wirtschaftsredaktion mit ihrer Einschätzung, wo die größten Problemfelder bei der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland liegen könnten.

    Sozialversicherungssystem

    Ein zentrales Problem bei der Installation eines BGE ist die Frage, wie dieses neben und mit dem gegenwärtigen Sozialversicherungssystem oder statt des gegenwärtigen Sozialversicherungssystems existieren soll. Ein BGE könnte zwar die zum Teil aus Steuern, zum Teil aus Beitragen finanzierten Leistungen bei Arbeitslosigkeit ersetzen. Eine Organisation, die bei unerwünschter Erwerbsarbeitslosigkeit hilft und vermittelt, die bei Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen hilft, bräuchte es trotzdem.

    Krankenversicherung

    Wenn mit dem BGE nicht zugleich auch ein neues staatliches, steuerfinanzierten Gesundheitswesen eingerichtet würde, müsste es bei einem beitragsfinanzierten Krankenversicherungssystem bleiben oder das gegenwärtige System steuerfinanziert werden. In allen Varianten ist die nicht unerhebliche Finanzierungslast zusätzlich zum BGE zu tragen, oder aber das BGE müsste so hoch sein, dass davon Beiträge zur Krankenversicherung gezahlt werden können.

    Rentensystem

    Besonders problematisch verhalten sich aber BGE und gesetzliches Rentensystem zueinander. Da das BGE lebenslang bezogen wird, müssten auf lange Sicht Rentenzahlungen ganz entfallen oder additiv zum BGE gezahlt werden. Bereits gezahlte Rentenbeiträge begründen aber individuelle Rentenansprüche, deren spätere Auszahlung nicht gestoppt werden kann, ohne in Kollision mit grundgesetzlich geschützten Eigentumsrechten zu geraten. Auch wenn die Zahlung von Rentenbeiträgen wegen Einführung eines BGE gestoppt würde, müssten doch die erworbenen Ansprüche für die Dauer etwa einer Generation weiterhin ausgezahlt werden. Zu den Finanzierungsnotwendigkeiten eines BGE kämen noch einmal erhebliche Summen bis zur letztlichen Auflösung von Rentenansprüchen hinzu.