Samstag, 20. April 2024

Archiv

Sozialstandards in der IT-Fertigung
Öffentliche Stellen sollen faire Computer einkaufen

Öffentliche Auftraggeber sollen beim Einkauf von IT-Ausrüstung stärker auf soziale Standards bei den Hersteller achten. Eine entsprechende EU-Richtlinie verpflichtet auch Deutschland zu einer sozial verantwortlichen Beschaffungspolitik. Inzwischen liegt ein Gesetzesentwurf vor, der noch im Dezember im Bundestag beschlossen werden soll.

Von Kai Rüsberg | 18.11.2015
    Eine Hand bedient eine Computermaus.
    Deutschland muss die EU-Richtlinie bis April 2016 in nationales Recht umsetzen. (AFP / Robyn Beck)
    Frauen zwischen 18 und 25 Jahren, ledig, sind bei Fabrikmanagern die beliebteste Gruppe von Arbeitern in China. Und dafür gibt es einen einfachen Grund, sagt Sheung So von der Hongkonger NGO Labour Education and Service Network: Sie arbeiten hart, ausdauernd lange und klagen nicht.
    Doch spätestens seit sich 2010 und 2013 mehrere Selbstmorde beim Produzenten der Apple iPhones ereigneten, entstand auch in Europa eine Diskussion um soziale Verantwortung beim Einkauf von IT-Ausrüstung. Seitdem habe sich zwar einiges verbessert, aber es gibt weiter Probleme bei den Zulieferern, sagt So:
    "Es geht um Lohnhöhe und Absicherung von Krankheit, Arbeitsstunden, soziale Betreuung, Arbeitssicherheit und flexibilisierte Anstellungsverträge wie der Arbeitseinsatz von Studenten."
    Offiziell sind die Arbeitszeitregelungen in China oftmals nicht weit hinter europäischen Standards. Doch die Arbeiter selbst verlangen Überstunden. Bis zu 80 pro Monat sind üblich, berichtet So. Der Grund: Der Mindestmonatslohn von 300 Euro reiche nicht zum Überleben.
    Beschaffer in die Pflicht nehmen
    Heide Rühle setzt sich seit mehr als zehn Jahren für europaweit gültige Sozialstandards ein. Als grüne Europaabgeordnete hat sie bis 2014 an einer EU-Richtlinie mitgearbeitet, die Städte, öffentliche und andere staatliche Stellen zu einer sozial verantwortlichen Beschaffungspolitik verpflichtet:
    "Wenn man sich anschaut, um welches Volumen es geht, es sind 19 Prozent des BSP in Europa. Da geht es um Hunderte Millionen von Euro. Da ist es wichtig, dass diese Aufträge nicht zustande kommen, in dem man die geltenden Gesetze nicht berücksichtigt. Da legen wir Wert drauf: Im Arbeitsrecht, Umweltrecht und Sozialrecht eingehalten werden."
    Deutschland muss diese EU-Richtlinie bis April 2016 in nationales Recht umsetzen. Inzwischen liegt ein Gesetzesentwurf vor, der noch im Dezember im Bundestag beschlossen werden soll. Darin sind Schwellenwerte vorgesehen, sodass nur große Aufträge betroffen sind.
    "Wir haben Wert darauf gelegt, dass nicht der billigste den Zuschlag bekommt. Der billigste verletzt meist Gesetze, arbeitet nicht so seriös. Wenn einer sehr billig anbietet, dann muss auch geprüft werden, ob er die Gesetze eingehalten hat. Wenn nicht, ist er draußen. Dumping ist ausgeschlossen."
    Nur größere Aufträge sind betroffen
    Der Haken: Das Gesetz gilt erst ab Ausschreibung von deutlich mehr als 100.000 Euro bei Dienstleistungen und deutlich höheren Summen bei Bauaufträgen oder Anschaffungen. Selbst größere Kommunen werden diese Ausschreibungssummen nur wenige Male im Jahr erreichen. Annellie Evermann arbeitet für die Nichtregierungsorganisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung - WEED. Sie kritisiert, dass der vorliegende Gesetzesentwurf die bereits in einigen Ländern geltenden Vorschriften aushöhlen könnte.
    "Ein großer Punkt ist, dass das deutsche Gesetz den Handlungsspielraum der Länder möglicherweise einschränkt."
    Umstritten ist auch, wie Kommunen, Behörden und Lieferanten beurteilen sollen, ob bei einem asiatischen Anbieter soziale und ethische Standards eingehalten werden. Eine solche Entscheidung muss am Ende auch vor Gericht überprüfbar sein. Zusätzlich wird daher die Einrichtung von Kompetenzstellen gefordert, die Informationen sammeln und beraten können. Trotz der Kritik ist Evermann aber froh, dass soziale Standards nun bei Ausschreibungen eingefordert werden können.
    "Die Verbesserung ist, dass Fair Trade jetzt da ist, dass man soziale Kriterien einfordern kann. Das wird in der Praxis auch eine Verbesserung bringen."