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Späte Anerkennung für Landschaftsmaler

John Constable verkörpert mehr noch als William Turner die britische Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts. Denn Constable widmete sich nahezu ausschließlich der Darstellung von Gegenden seiner Heimat. Vor 175 Jahren ist der Naturalist gestorben.

Von Carmela Thiele | 31.03.2012
    "Dem Bischof gefällt Dein Bild bis auf die Wolken, wie er sagte. Er bevorzugt einen klaren blauen Himmel."

    "Die Kathedrale von Salisbury vom Garten des Bischofs gesehen" war ein Auftragsbild und doch ein echter "Constable". Dunkle Wolken kündigen Regen an, doch der helle Turm der gotischen Kirche ragt nur umso klarer in den Himmel. John Constable stellte es 1823 in der Royal Academy aus und fertigte dem Bischof erst Jahre später eine Replik mit den gewünschten Änderungen an. Dabei hätte er dringend Geld gebraucht. Seine Frau Marie war an Tuberkulose erkrankt, sieben Kinder waren zu versorgen.

    Der 1776 in East-Bergholt, Suffolk geborene Sohn eines Getreidehändlers kam über Umwege zur Malerei. Bevor er an der Royal Academy studierte, absolvierte er zunächst im Familienunternehmen eine Ausbildung als Müller. Als angehender Künstler orientierte er sich an den Landschaften der Niederländer und Italiener. Doch bald vertraute er nur noch seiner eigenen Beobachtungsgabe.

    "Es gibt einen Kanal und viel emsiges Treiben in solch einer Szene, wo vier oder fünf Boote vorbeifahren, mit Hunden, Pferden, Jungen und Männern und Frauen und Kindern, und am besten von allem, alte Holztüren, Wasserpflanzen, Weidenstümpfe, Riedgräser, alte Netze, und und und …"

    Der Maler beschreibt mit sichtlichem Vergnügen seinem Freund John Fisher die Details eines Werks, das eines seiner wichtigsten Bilder werden sollte. Der Titel, "Das springende Pferd", bezieht sich auf ein Treidel-Pferd mit Reiter, das im Begriff ist, über das Gatter einer kleinen Brücke neben dem Fluss zu setzen. Das Thema der ländlichen Szene ist wie das seines noch berühmteren "Heuwagens" völlig unspektakulär.

    "Alte verrottete Wälle, schlammige Pfosten, Mauerwerk. Ich liebe diese Dinge. Solange ich male, werde ich nicht aufhören, solche Orte zu malen."

    Nicht nur seine Themen, auch die Art und Weise, wie "Das springende Pferd" gemalt war, provozierte um 1825 das britische Publikum und verwehrte Constable lange die Aufnahme als Mitglied in die Royal Academy. Spätere Generationen wussten dagegen sein Werk zu schätzen. In seiner großformatigen Ölskizze gelang es Constable mit ein paar mit dem Spachtel aufgetragenen Farbtupfern, im Wind zitternde Blattkaskaden zu vergegenwärtigen. Berühmt sind auch seine Wolkenstudien, die er auf einer Anhöhe in der Nähe Londons, in Hampstead Heath anfertigte, oder die von fein abgestuften Blau- und Lila-Tönen durchtränkten Strandbilder, die in Brighton entstanden. Gegen Ende seines Lebens schrieb er:

    "Malerei ist Wissenschaft und sollte als Untersuchung der Gesetze der Natur betrieben werden. Warum kann dann also nicht die Landschaftsmalerei als Abteilung der Naturphilosophie betrachtet werden, in der die Bilder Experiment sind?"

    "Constable ist sicher ein Maler, der wie kein Zweiter zum Wesen der Dinge und zum Wesen der Natur vordringt. Und das teilt sich auch dem modernen Betrachter ganz unmittelbar mit. Das ist große Naturmalerei, es ist aber vor allen Dingen ganz große Ölmalerei in der besten Tradition, die wir im Abendland zu bieten haben. Als Ahnherrn sind wirklich Tizian, Tintoretto und Rubens zu nennen …"

    … urteilt der Kunsthistoriker Christopher Conrad von der Staatsgalerie Stuttgart, wo 2011 erstmals in Deutschland eine Werkschau des Malers zu sehen war.

    Am 31. März 1837 starb John Constable, ohne zu Lebzeiten die Bestätigung erhalten zu haben, die ihm gebührt hätte. Heute steht der Naturalist mehr noch als William Turner für die britische Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts. Seine Werke erfreuen sich gerade in England immenser Popularität. Berühmt sind vor allem seine Ölskizzen, deren offene Struktur an Werke von Tizian und Rembrandt anknüpft. Constables Augenmerk galt vor allem der Harmonie des ländlichen Lebens und den atmosphärischen Veränderungen des Himmels, dem Licht und der Luft, welche jeden beobachteten Moment einzigartig machen.