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Späte Ehrung für Hitler-Attentäter
Ein Denkmal in Georg Elsers Geburtsort

1939 verübte Georg Elser ein Attentat auf Adolf Hitler. Fast genau 80 Jahre später wird in seinem Geburtsort Hermaringen ein Denkmal für den Widerstandskämpfer enthüllt. Bis zu dieser späten Würdigung war es ein langer Weg, und es gab Widerstände.

Von Uschi Götz | 04.11.2019
Denkmal für den Widerstandskämpfer Georg Elser in Berlin.
In Berlin gibt es bereits ein Georg-Elser-Denkmal (imago / IPON)
Der Hermaringer Gemeinderat Hans-Dieter Diebold bückt sich, wischt Laub weg, ein Stolperstein ist jetzt zu sehen, darauf deutlich zu lesen: "Hier wohnte Georg Elser".
"Georg Elsers Geburtshaus stand hier auf der Fläche, wo jetzt die ehemalige Tankstelle steht und ein heutiger Gebrauchtwagenhändler."
Gleich am Ortseingang von Hermaringen stand das Haus. In einer bis heute ländlich geprägten Umgebung nicht weit von Ulm entfernt. Am 4. Januar 1903 wurde hier Georg Elser geboren. Ein Jahr später heiratete die Mutter den im nahen Königsbronn lebenden Vater Ludwig Elser. Mutter und Kind zogen zum Vater.
"Immer wieder einmal stehen hier Leute", sagt Gemeinderat Diebold:
"Auch welche, die Blumen niederlegen und hier speziell und ausdrücklich wegen dem Stolperstein nach Hermaringen kommen."
Im Schatten von Stauffenberg
Mitgliedern des Georg-Elser-Arbeitskreises aus dem Kreis Heidenheim war das zu wenig, schon lange forderten sie ein Denkmal.
"Georg Elser ist zwar in Hermaringen geboren, aber sein Geburtsort hat sich nicht sonderlich drum gekümmert. Und wir haben vom Georg-Elser-Arbeitskreis immer wieder einmal Druck gemacht."
Erzählt Gerhard Oberlader vom Arbeitskreis. Die professionell vorgehenden Freizeit-Historiker haben bereits in Königsbronn eine Erinnerungsstätte und ein Denkmal initiiert. Dank ihres Engagements hat Georg Elser mittlerweile einen Platz in den Geschichtsbüchern gefunden. Lange Zeit stand der Widerstandskämpfer von der Ostalb im Schatten etwa von Claus Schenk Graf von Stauffenberg. In Hermaringen mussten sie dicke Bretter bohren.
"Wir haben auch angeboten, dass wir Geld spenden, es hat sich lange nichts getan."
Straßenname und Stolperstein
Von "alten Zöpfen" war noch vor einigen Jahren die Rede in Hermaringen, berichtet die Heidenheimer Zeitung. Und man solle die Vergangenheit endlich einmal ruhen lassen. Mit knapper Mehrheit ringt sich 2014 laut Bericht der Zeitung der Gemeinderat zu dem Beschluss durch, dass man ein Elser-Denkmal grundsätzlich "begrüße und unterstütze".
"Für uns war es, glaube ich, nicht unbedingt wichtig, bis dato zumindest nicht unbedingt wichtig, mit einem Denkmal in dieser Art an Elser zu erinnern."
Erklärt Hermaringens parteiloser Bürgermeister Jürgen Mailänder:
"Ich denke, 35 Jahre Georg-Elser-Straße, das zeigt ja auch, dass man sich mit seinem berühmten Sohn schon früher einmal beschäftigt hat. Und vielleicht hat man da auch nach dem Stolperstein zunächst einmal gedacht, das reicht für so einen kleinen Ort als Erinnerungskultur für den Georg Elser. Berlin ist ja auch größer, in München steht auch ein riesen Ding. Aber nichtsdestotrotz haben wir uns doch jetzt halt entschlossen dazu, doch noch hier am Rathausplatz etwas Zusätzliches zu machen."
Vor knapp fünf Jahren wurde in der 2.200 Einwohner zählenden Gemeinde eine Projektgruppe ins Leben gerufen, um ein Denkmal für Georg Elser auf den Weg zu bringen. Gemeinderat Diebold gehört mit zur Gruppe.
Studenten in Ulm kannten Georg Elser nicht
"Und von Anfang an war uns wichtig, ich nenne es einmal: den Bildungsaspekt und was das Denkmal auch in der heutigen Zeit uns sagen soll."
Die Projektgruppe beschließt vor allem, junge Menschen miteinzubeziehen. Studenten der Ulmer Hochschule für Kommunikation und Gestaltung werden beauftragt, Ideen für ein Denkmal zu liefern. Doch die jungen Menschen haben Geschichtslücken:
"Denen wir auch zunächst einmal Georg Elser, ich nenne es mal so, beibringen durften."
Sie erfahren: Der sogenannte Hitler-Attentäter ist Schreiner und Mitglied beim kommunistischen Roten Frontkämpferbund, dort aber nicht sehr aktiv. Den Nationalsozialismus lehnt er radikal ab, konsequent verweigert er den Hitlergruß. 1938 beschließt er, Hitler und die NS-Führungsriege in die Luft zu sprengen, um einen Weltkrieg zu verhindern. Akribisch bereitet er ein Attentat vor. Am Abend des 8. November 1939 hält Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller eine Rede. Planmäßig explodiert dort um 21.20 Uhr ein von Elser versteckter Sprengsatz. Acht Menschen sterben, es gibt über 60 Verletzte. Doch Hitler ist früher als geplant abgereist und bleibt unbeschadet.
Ausschnitt Wochenschau: "Der Führer hatte die Versammlungsstäte kurze Zeit vor der Katastrophe verlassen. Wäre die Kundgebung wie üblich verlaufen, so hätte der Mordplan sein Ziel erreicht."
Verhaftet und hingerichtet
Bei seiner Flucht in die Schweiz wurde Elser noch am selben Tag verhaftet, kurz darauf auch seine Eltern und Verwandten. Am 9. April 1945 wird der Widerstandskämpfer im Konzentrationslager Dachau hingerichtet.
In seiner Heimat schweigt man fortan über den Attentäter, die Familie schämt sich. In einem SWR-Fernsehinterview bekannte Georg Elsers Neffe Franz Hirth:
"Es war nach dem Krieg ein Tabu. Meine Mutter hat gesundheitlich darunter gelitten. Als Bub habe ich mich geschämt, den Namen Elser auszusprechen, heute bin ich stolz. Auf diese Tat."
Das Bild zeigt das Denkmal für Georg Elser, eine aufrecht stehende Betonscheibe mit einem Ausschnitt. Daneben eine Holzscheibe, die den Ausschnitt füllen würde.
"Ein Teil des Ganzen und doch anders", heißt der Entwurf der Studentin Nina Seliger, nach dem das neue Denkmal gefertigt wurde (Rathaus Hermaringen)
Die Geschichte um Elser musste auch die Studentin Nina Seliger auffrischen. Ihr Entwurf für das Denkmal mit dem Namen "Ein Teil des Ganzen und doch anders" wurde umgesetzt und steht nun zentral vor dem Hermaringer Rathaus. In wenigen Stunden wird Bundespräsident Steinmeier das Denkmal seiner Bestimmung übergeben. Achtzig Jahre nach dem Attentat in München.
"Die Zeit ist reif"
Eine dunkelgraue wuchtige Betonplatte mit einem fensterartigen Ausschnitt steht einem viereckigen Holzblock gegenüber. Dieser Holzblock symbolisiert Georg Elser und hat die Maße des Ausschnitts, der in der Betonplatte fehlt. Auszubildende der Bau-Innung aus Aalen haben dabei einen Teil der Skulptur gefertigt.
"Die Zeit war jetzt reif" sagt der frühere Hermaringer Gemeinderat Wolfgang Lindel, auch er Mitglied der Projektgruppe. In der Projektgruppe sei es zur Hälfte um Georg Elser gegangen:
"Und die anderen 50 Prozent, und da geht es uns ja allen so, ist einfach, darauf aufmerksam zu machen, für die Zukunft: Was ist geschehen? Und was ist gerade mit braunem Gesockse wieder im Gange! Das waren die Beweggründe."