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Später Erfolg vor dem Schweizer Bundesgericht

Als im April 1990 zum dritten Mal die Abstimmung über das Frauenwahlrecht im Kanton Innerrhoden abschlägig beschieden wurde, gab es für die Befürworter nur noch einen Weg: den Gang vor das Bundesgericht. Und sie bekamen Recht. "Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist in allen Bereichen zu akzeptieren", urteilten die Richter.

Von Vera Hummel | 03.01.2012
    Die Gegend am Fuße des Bergs Säntis gilt in der Schweiz als konservativ und etwas hinterwäldlerisch. Vereinzelt liegen Hütten und Höfe in einer weichen Hügellandschaft. In den Dörfern und Kleinstädten kennt man sich, Tradition und Brauchtum sind hier noch fest verankert. Gleichberechtigung von Mann und Frau? Daran war lange Zeit nicht zu denken. Appenzell Innerrhoden war der letzte Kanton der Schweiz, der das Frauenstimmrecht einführte. Gerade einmal 20 Jahre ist es her, dass Frauen hier zum ersten mal an der Wahl für ihre Landesregierung teilnehmen durften. Der Kantonspolitiker Hans Höhener erinnert sich an die Argumente, die damals gegen das Frauenstimmrecht sprachen.

    "Man hat eigentlich in der Diskussion von den Gegnern immer wieder gehört: Es gibt eine Familie, eine Stimme, es gibt eine Tradition, die den Männern eigentlich diese Aufgabe zugeordnet hat, Frauen haben andere Aufgaben in der Gesellschaft, die sind damit verteilt.""

    Doch es gab auch Befürworter des Frauenstimmrechts: Die "Gruppe für Innerrhoden", eine Gemeinschaft aus etwa 100 Männern und Frauen, kämpfte viele Jahre lang für die Gleichberechtigung. Zwei Mal waren sie bereits gescheitert, als es im April 1990 zum dritten Mal zur Abstimmung über das Frauenwahlrecht kam: Sollen Frauen an der "Landsgemeinde", vergleichbar mit unseren Landtags- und Kommunalwahlen teilnehmen dürfen? Entscheiden durften das - natürlich - nur die Männer. Und die Mehrheit sagte: Nein! Jetzt gab es für die Befürworter nur noch einen Weg: der Gang vor das Bundesgericht. Da es rechtlich unklar war, ob Frauen dafür überhaupt legitimiert waren, wurden zwei Beschwerden eingereicht: eine von Frauen und eine von Männern. Auch der heute 60-jährige Josef Manser beteiligte sich daran.

    "Die Ablehnung hat natürlich Enttäuschung und ein Stück weit auch Wut ausgelöst und uns bekräftigt: Jetzt gehen wir den Rechtsweg. Wir sahen gar keine andere Möglichkeit und wir waren uns klar, dass es ein Menschenrecht ist und wir in einem demokratischen Staat muss ein Grundrecht für alle gelten auch in den Kantonen und Gemeinden."

    Im November 1990 dann die Entscheidung des Bundesgerichts in Lausanne: "Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist in allen Bereichen zu akzeptieren" - so lautete der Richterspruch. Frauen durften ab sofort in dem Kanton wählen. Ein später, aber eindeutiger Erfolg. Dass Frauen an der Landsgemeinde teilnehmen und abstimmen dürfen, ist mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden. Dennoch: Noch immer sind Frauen in der Kantonspolitik unterrepräsentiert. Unter den sieben Mitgliedern der Kantonsregierung ist Antonia Fässler die einzige Frau. Da sieht sie Nachholbedarf.

    "Für mich wäre wünschenswert, wenn mehrere Frauen in der Regierung wären, es gibt, denke ich, andere Dynamik auch in Gremien, wenn eine, zwei, drei Frauen mitwirken. Es braucht eine gewisse Zeit,das ist das eine und man stellt schon fest, dass eine gewisse Stagnation schon vorhanden ist und ich glaube das hat mit dem Interesse an diesen Fragestellungen auch zu tun, dass Männer sich eher damit befassen."

    Vor allem befassen sich Männer schon länger als 20 Jahre mit der Politik. Der Verein "Frauenforum" will die fehlende weibliche Erfahrung auf diesem Gebiet nachholen. Mit Hilfe von Vorträgen, Seminaren und Coachings sollen Frauen ermutigt werden, den Schritt in die Politik zu wagen. Monica Dörig vom "Frauenforum" ist davon überzeugt, dass dieses Engagement wichtig ist.

    "Also ich denke in Appenzell Innerrhoden wird den Frauen immer noch ein bisschen weniger zugetraut als den Männern, weil sie ja auch nicht auf so viel Erfahrung zurückgreifen können und umgekehrt ist es sehr schwierig, Frauen überhaupt zu motivieren, sich für eine Wahl aufstellen zu lassen. Und was ich auch feststelle, was mir immer wieder leid tut, dass ich das Gefühl habe, junge Frauen interessieren sich nicht mehr für Politik. Ich denke Frauen müssen sich immer noch ein bisschen mehr beweisen als Männer."