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Spanien
Die Konservativen und die Konkurrenz von rechts

Sinkende Umfragewerte, der Umgang mit Rechtsaußen, die Frage nach dem politischen Kurs: Die spanische Volkspartei PP stand vor einem Jahr vor großen Herausforderungen – und orientierte sich selbst nach rechts. Ein Vorbild für die CDU, die sich in einer ähnlichen Lage befindet?

Von Oliver Neuroth | 11.03.2020
Wahlkampf in Spanien: Unterstützer der rechtsextremistischen Partei Vox.
Wahlkampf in Spanien 2019: Unterstützer der Rechtsaußenpartei Vox (picture alliance / NurPhoto)
Pablo Casado lächelt am Abend des 28. April 2019 bemüht in die vielen Fernsehkameras. Dem Chef der konservativen Volkspartei PP dürfte zum Weinen zu Mute gewesen sein, denn seine Partei hat ihren Stimmenanteil bei der Parlamentswahl fast halbiert – von 33 auf knapp 17 Prozent. In absoluten Zahlen: Die PP verlor die Unterstützung von rund dreieinhalb Millionen Spaniern.
Die Partei müsse wiederaufgebaut werden, Stein für Stein, nach diesen komplizierten Monaten, sagt Casado. Kompliziert war für die PP vor allem der Erfolg von Vox, einer Rechtsaußen-Partei, gegründet von ehemaligen PP-Mitgliedern, die in Spanien einen rasanten Aufstieg hingelegt hatte. Tausende bisherige PP-Anhänger gaben bei der Wahl Vox ihre Stimme, die Partei holte aus dem Stand zehn Prozent.
PP ging auf die Rechtsaußenpartei zu
Die PP habe die Orientierung in ihrer politischen Strategie verloren, sagt der Madrider Politikwissenschafter Lluis Orriols. Die Partei zeigte zunächst keine Berührungsängste mit Vox. Anders als in Deutschland ging die konservative Volkspartei Spaniens auf die Rechtsaußenpartei zu, schloss Regierungspakte mit ihr in Regional- und Stadtparlamenten.
"In Spanien haben die rechten Parteien nie eine Art Sicherheitsabstand voneinander gehalten. Vox ist einfach ein weiterer Akteur, mit dem man nun zusammenarbeitet. Das haben wir inzwischen schon in vielen Landesteilen gesehen."
So regiert die PP zum Beispiel im südspanischen Andalusien gemeinsam mit Vox und im Rathaus von Madrid. Gleichzeitig versuchte die PP, Vox thematisch auf Augenhöhe zu begegnen. Soll heißen: radikaler aufzutreten, im politischen Spektrum weiter nach rechts zu rücken.
Streitthema Katalonien
PP-Chef Casado spitzte seine Rhetorik zu und griff Ministerpräsident Sanchez von den Sozialisten in einem Ton an, den man bis dahin eher von Vox gewohnt war.
"Der Regierungschef ist der größte Verräter, den es in Spanien gibt. Er ist der größte Verräter der ganzen spanischen Geschichte, völlig unfähig zu regieren. Er ist illoyal und begeht Hochverrat an den Interessen unseres Landes."
Es ging um Katalonien und Sanchez' Bereitschaft, mit den Unabhängigkeitsbefürwortern in einen Dialog zu treten. Mit der Katalonien-Krise ist Vox groß geworden: Sie betont so konsequent wie keine andere Partei die Einheit Spaniens. Anders als bei ultrarechten Parteien in anderen europäischen Ländern ist die Migration für Vox eher ein Nebenthema.
Annäherung nach rechts gescheitert
Die Annäherung an Vox hat der konservativen Volkspartei PP kaum genutzt. Bei der Neuwahl des spanischen Parlaments im vergangenen November holte die Partei zwar gut 20 Prozent der Stimmen – ein Plus von vier Prozentpunkten – doch Vox legte noch stärker zu und kam auf 15 Prozent. Für Politologe Orriols steht fest:
"Der Versuch, Vox bei Themen anzugreifen, die sie wiederum gesetzt haben, ist sehr schwierig. Die Konfrontation nach dem Motto: 'Wer ist der Radikalere?' ist eine Strategie ohne Zukunft."
Ein konkretes Rezept, wie konservative Parteien in Europa mit der Bedrohung von rechts umgehen sollten, gebe es nicht, sagt der Politikwissenschaftler. Nach seinen Worten können sie höchstens versuchen, die gesellschaftlichen Probleme aufzugreifen, die zum Erfolg der populistischen Kräfte geführt haben. Der Kurs der spanischen PP jedenfalls, sich den Ultrarechten politisch anzunähern, ist fehlgeschlagen: Bei ihren aktuellen Wahlergebnissen wackelt selbst der Status "Volkspartei".