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Spanien
Geplatzter Immobilienblase folgen Geisterstädte

Es war ein beispielloser Bauboom: Vier Millionen Wohnungen entstanden zwischen 2001 und 2008 in Spanien. Doch als die Immobilienblase platzte, gingen Investoren und Baufirmen dutzendweise pleite. Zurück blieben halbfertige und unbewohnte Geistersiedlungen - auch in Andalusien.

Von Julia Macher | 11.08.2014
    Wenn Admiración Aguilar in ihre Zweitwohnung nahe Atarfe, im Norden der andalusischen Sierra fährt, dann tut sie das nur, um zu kontrollieren, ob noch niemand eingebrochen ist. Gewohnt hat sie in der Ferienanlage mit Pool und eigenem Golfplatz noch nie: Nachdem die Unternehmerin die Schlüssel für ihr Appartement ausgehändigt bekommen hatte, merkte sie, dass die Anlage nicht an das städtische Kanalisationsnetz angeschlossen war:
    "Für mich war diese Wohnung eigentlich meine Altersvorsorge. Die Miete war garantiert und deckte fast die ganze Hypothek – ohne diesen Extra-Vertrag hätte ich das doch nie gemacht. Heute, ohne die Mieteinnahmen, ist das eine riesige finanzielle Belastung. Wie die Stadt überhaupt die Lizenz vergeben konnte, weiß ich nicht. Wir haben den Fall jedenfalls vor Gericht gebracht."
    Das Urteil gegen die Stadtverwaltung ist in letzter Instanz noch nicht gesprochen, aber der Bauträger ist pleite – und ohnehin längst über alle Berge, von den Mauern der Ferienanlage bröckelt der Putz. Immerhin, fügt Admiración Aguilar zynisch an, sei ihr Appartement zumindest fertig geworden. Von den Nachbarsiedlungen steht nur das Tragwerk.
    Dass hier, mitten im Grün der Sierra, knapp zehn Kilometer vom Ortskern entfernt, überhaupt eine kompakte Anlage mit viergeschossigen Wohnungen gebaut werden durfte, ist für Rosa Félix, parteilose Stadträtin von Atarfe, ein Skandal – und ein klassisches Beispiel für Immobilienspekulation.
    "Man hat versucht, aus Grundstücken mit so wenig Ausgaben wie möglich den größt möglichen Profit herauszuholen. Wo 100 qm bebaut werden durften, wurden 1000 Quadratmeter gebaut und dieses Muster hat sich wiederholt und wiederholt. Wenn die Straßen dafür enger gemacht werden mussten, wurden sie eben enger gemacht. Für Sozialwohnungen, Grünflächen und städtische Einrichtungen dagegen gab es keinen Platz. Das war das Prozedere aller Städteplanungen in den Jahren des Booms."
    Allein 2006 vergab die 16.000-Einwohner-Gemeinde Atarfe 3.500 Baulizenzen; in den Schubladen lagen Pläne für Siedlungen für 70.000 Menschen. Ein wirtschaftlicher und ökologischer Wahnsinn, der nur möglich war durch großzügiges Auslegen oder bewusstes Umgehen der bestehenden Richtlinien: In Atarfe stehen Teile der Siedlung auf Boden, der als ökologisch besonders schützenswert ausgewiesen ist. Und den 18-Loch-Golfplatz genehmigte man als zwei kleine Golfplätze, an der Regionalregierung vorbei.
    Gesichtslose Wohnanlagen im ganzen Land
    Der andalusische Ort ist kein Einzelfall. Im ganzen Land wurden in den Jahren des Booms gesichtslose Wohnanlagen hochgezogen. Nun fragen sich Stadtplaner: Was tun mit den Geistersiedlungen? Denn bewohnt sind die wenigsten. Marta Gutierrez von der Architektenkammer Granada:
    "Im Stadtgebiet kann man über Umwidmung nachdenken, sich überlegen, Geschäfte anzusiedeln und Arbeitsplätze zu schaffen. Aber die meisten dieser Wohnanlagen sind so weit entfernt von allem, dass man da schwer nur etwas Neues ansiedeln kann. Natürlich ist Abriss eine Option. Bisher wird aber nur punktuell darüber gesprochen. Man verweigert sich einfach der Einsicht, dass Abriss kein Rückschritt, sondern ein Schritt nach vorne sein kann, hin zu einem anderen Modell."
    SAREB, die staatliche "Bad Bank", in der auch die Schulden vieler für den Immobilienboom mitverantwortlichen Sparkassen stecken, hat in ihrem Geschäftsplan bereits gut 100 Millionen Euro für den Abriss zurückgelegt. 130 Millionen Euro sind es für die Instandhaltung, 133 Millionen für den Weiterbau.
    Bei den Eigentümern sind solche Szenarien alles andere als populär.
    Das sei doch trotz allem eine gute Investition in einer schönen Siedlung, sagt Eigentümerin Celia Rodríguez, irgendwann kehre dort bestimmt wieder Leben ein. Ihr Mann teilt ihren Optimismus nicht. Als das Mikrofon aus ist, seufzt er: "Wenn sie das Ding abreißen, auch gut - dann bin ich diesen Albtraum los."