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Spanien
Investigative Amateure gegen Eliten

Eine kleine Gratiszeitung in Katalonien sorgt mit Korruptionsenthüllungen für Furore und will nun die Presselandschaft aufmischen.

Von Ralf Hutter | 01.03.2014
    Ein Felsen im Meer vor der Küste Kataloniens, auf der eine katalanische Flagge im Wind weht.
    Eine Küste Kataloniens (picture alliance / dpa / Alexei Danichev)
    "Die Geschichte der Zeitschrift 'Café amb llet' ist bemerkenswert. Es war eine lokale Zeitschrift, die über das informierte, was in den Dörfern einer Gegend Kataloniens passierte. Albano und Marta, die Herausgeber, hatten dabei keinerlei Spezialthema. Dann aber begannen sie, Angelegenheiten der Krankenhäuser der Gegend zu untersuchen, in Blanes und Calella. Sie bemerkten die Intransparenz in diesen öffentlichen Krankenhäusern, und Unstimmigkeiten bei bestimmten Haushaltsposten. Sie begannen, nachzuforschen und dazu zu veröffentlichen. Das geschah in einem sensiblen Moment für das katalanische Gesundheitssystem, und für das spanische."
    Güell meint die Privatisierungen und Einsparungen, die seit 2010 landesweit zu Kämpfen im öffentlichen Gesundheitssystem führen. Die Berichterstattung von 'Café amb llet' schlug da ein wie eine Bombe. Die von einem Englisch-Studenten und einer Krankenschwester gemachte Zeitung brachte ab 2011 ans Licht, dass nicht einmal das Regionalparlament befugt ist, alle Verwaltungsvorgänge im katalanischen Gesundheitssektor einzusehen.
    Güell kontaktierte 'Café amb llet' nach dem Erscheinen des erwähnten Videos, um sich zusammenzutun. In diesem Video finden Leute aus hohen Wirtschafts- und Politikkreisen kritische Erwähnung. Einer von ihnen verklagte 'Café amb llet' wegen Rufschädigung und erwirkte vor Gericht die erwähnte Geldstrafe, die viele Fachleute überraschte und zu einer empörten Erklärung von Reporter Ohne Grenzen führte. Das kämpferische Paar entschied sich daraufhin für eine ungewöhnliche Spendenkampagne, wie der 37-jährige Albano Fachin berichtet:
    "Wir sagten: Anstatt die 10.000 Euro zu sammeln, um die Strafe zu bezahlen, sammeln wir sie, um ein Buch zu produzieren, und jeder, der zehn Euro gibt, kriegt ein Buch. Alles, was wir in dem Video nicht erklären konnten, werden wir in dem Buch erklären. Mit allen Dokumenten."
    Dorfzeitung mit großen Scoops
    Der Überschuss aus dem Buchverkauf sollte für die Geldstrafe reichen. Die Spenden wurden über eine der üblichen Online-Plattformen für Crowdfunding gesammelt. Die Aktion wurde ein überwältigender Erfolg.
    "In zwölf Stunden hatten wir die 10.000 Euro. Nach sechs Tagen hatten wir 24.000 Euro."
    Das im Frühjahr 2013 erschienene Buch umfasst 350 Seiten. Die 5000 Exemplare seien so gut wie weg, sagt Fachin. Das für die Geldstrafe eingeplante Geld wird nun in das nächste große Projekt gesteckt: Anfang Februar hat 'Café amb llet' ein Crowdfunding für eine temporäre starke Ausweitung ihrer Auflage gestartet. Vier Spezialausgaben der Zeitung sollen in mehreren Regionen Kataloniens verbreitet werden, um kritische Informationen aus verschiedenen Politik-Bereichen zu streuen, die die großen Zeitungen nicht bringen. Jeweils 145.000 Exemplare sollen gedruckt werden, die höchste Auflage Kataloniens. Die dafür nötigen 25.000 Euro waren schon am neunten Tag nach Start der Kampagne zusammen.
    Wie nötig alternative Informationsquellen sind, zeigt gerade die Geschichte von 'Café amb llet', hält Redakteur Albano Fachin fest.
    "Es ist sehr traurig, dass die Hauptquelle für all diese Dinge, die im Gesundheitssektor passieren, eine Dorfzeitschrift ist."