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Spanien
Katalanen vor Unabhängigkeitsabstimmung

Die Katalanen sollen am Sonntag über eine Unabhängigkeit von Spanien abstimmen, obwohl das spanische Verfassungsgericht das Referendum für verfassungswidrig erklärt hat. Doch die Regionalregierung in Barcelona lässt sich davon nicht beirren: Sie wirbt mit einer Telefonaktion für die verbotene Volksabstimmung.

Von Hans-Günter Kellner | 07.11.2014
    Ein Felsen im Meer vor der Küste Kataloniens, auf der eine katalanische Flagge im Wind weht.
    Am Sonntag will die Regionalregierung Kataloniens trotz Verbots das Unabhängigkeitsreferendum durchführen (picture alliance / dpa / Alexei Danichev)
    Rund 50 Aktivisten sitzen in einem kleinen Saal in der Innenstadt von Barcelona und telefonieren. Sie informieren die Katalanen über das Unabhängigkeitsreferendum am Sonntag. Anonym, sie sehen die Nummer nicht, die ein Computer wählt, und stellen sich nur mit dem Vornamen vor. So auch Francesc im Telefonat:
    "Wir wollen in Katalonien entscheiden, ob es weiter gehen soll so wie bisher. Uns geht es ja nicht gerade gut. Oder ob wir etwas verbessern wollen. Wir Freiwillige sind überzeugt, bei einer massiven Teilnahme könnte es besser werden."
    Francesc Homs ist Sprecher der katalanischen Regionalregierung. Was wäre, wenn Politiker der Volkspartei eine ähnliche Telefonaktion gegen das Referendum starten würden? Carme Forcadell, Vorsitzende der Katalanischen Nationalversammlung und eine der Organisatorinnen der Aktion, wird kurz wütend:
    "Wir rufen die Leute nicht an, um ihnen zu sagen, was sie wählen sollen. Außerdem ist die Partei der Demokratischen Konvergenz Kataloniens von Homs nicht wie die Volkspartei. Die Volkspartei ist ja fast rechtsextrem. Herr Homs repräsentiert die Mehrheitspartei Kataloniens. Er wurde gewählt. Man kann diese Partei nicht mit der Volkspartei verwechseln."
    Nur Emotionen und keine konkreten Vorstellungen?
    Doch das ist der einzige Moment, in dem die 58-Jährige am Besprechungstisch zwischen Liveschalten mit spanischen TV-Anstalten und Zeitungsinterviews kurz irritiert wirkt. Carme Forcadell ist zurückhaltend. Zeitungen nennen sie die Heilige Johanna der Unabhängigkeit, doch sie wehrt abwehrend die Hände:
    "Ich bin eine ganz normale Frau, die denkt, dass die Unabhängigkeit das beste für ihr Land ist und für alle, die wir hier in Katalonien leben. Im Augenblick stehe ich der Nationalversammlung vor. Aber das Wichtigste ist nicht das Amt, sondern die Kraft der Bewegung und der Menschen."
    Sie war das 12. Mitglied der Katalanischen Nationalversammlung, in der mehrere Strömungen, die für die Unabhängigkeit stritten, im März 2012 zusammenfanden. Heute hat die Organisation 50.000 Mitglieder. Das Ziel der Bewegung:
    Katalanisch ist keine offizielle Amtssprache in Europa
    "Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir viele sein. Und wir müssen Druck machen. Die Leute zu mobilisieren wird uns die Unabhängigkeit bringen. Wir hatten ja schon einen Richtungswechsel in unserer Regierung. Bis 2012 setzte sie auf die Autonomie Kataloniens innerhalb des spanischen Staats, jetzt strebt sie die Unabhängigkeit an. Aufgrund unseres Drucks."
    Gegner werfen ihr vor, nur Emotionen anzusprechen, aber keine konkreten Vorstellungen von einem eigenen Staat zu haben. Den Menschen solle es besser gehen, sagt sie energisch, ihre Ohrringe pendeln dabei von einer Seite auf die andere: Spanien ist ein Monolith, sagt sie, die Regierenden im fernen Madrid hätten für kulturelle Vielfalt kein Gespür, insbesondere für die katalanische Sprache nicht, für die sie sich als Dozentin viele Jahre lang eingesetzt hat. Dabei erlebt Katalanisch eine beachtliche Renaissance, viele junge katalanische Autoren schreiben heute katalanisch. Aber:
    "Wir mussten das immer gegen den Staat machen. Katalanisch ist keine offizielle Amtssprache in Europa, weil Spanien das nicht wollte. Im Kino, in der Wirtschaft, in der Justiz wird praktisch kein Katalanisch gesprochen. Natürlich haben wir Schritte nach vorne gemacht. In der Demokratie war das doch selbstverständlich.
    Dass auch die spanische Verfassung vom Schutz der unterschiedlichen Sprachen Spaniens spricht und viele Steuergelder für die Förderung des Katalanischen verwendet werden, lässt sie nicht gelten. Es seien die Steuern der Katalanen. Dieselbe Verfassung untersage jetzt ja auch das Referendum. Trotzdem soll es stattfinden. Notfalls ohne Beteiligung der Regionalregierung. Ihr Ziel aber wird Carme Forcadell dann noch nicht erreichen:
    "Nein, Katalonien wird am Sonntag nicht unabhängig sein. Wenn wir wählen dürfen, ist das schon ein Erfolg. Aber mit dieser Befragung hätten wir noch kein demokratisches Mandat. Und die Unabhängigkeit wollen wir in Abstimmung mit Spanien und der Europäischen Union erreichen. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen."