Donnerstag, 25. April 2024

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Spanien nach der Wahl
"Ein Erfolg für die Wissenschaft"

Spanien hat gewählt - welche Koalition sich bilden wird, ist allerdings noch unklar. Für Marc Reznicek vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) in Madrid ist das aber auch irrelevant: Er erwartet in jedem Fall ein positives Ergebnis für die Wissenschaft, denn alle Parteien hätten vor der Wahl einen Pakt für die Wissenschaft in ihr Programm aufgenommen.

Marc Reznicek im Gespräch mit Kate Maleike | 21.12.2015
    Studenten sitzen in einem Hörsaal bei der Erstsemesterbegrüßung der Universität Koblenz-Landau im April 2014 im Hörsaal.
    Vom neuen Wissenschaftsminister erwartet Marc Reznicek Nachwuchsförderung. (dpa / picture-alliance / Thomas Frey)
    Kate Maleike: Spanien hat gestern gewählt, und heute sind die Nachrichten davon beherrscht, dass es wohl schwierig werden wird mit der Regierungsbildung. Zwar hat Ministerpräsident Rajoy mit seiner konservativen Volkspartei PP die meisten Sitze gewonnen, aber die absolute Mehrheit wurde verfehlt. Und deshalb muss jetzt eine geeignete Koalition gefunden werden. Mit besonderem Interesse wird das auch an den Hochschulen in Spanien verfolgt, denn die massiven Sparkurse der letzten Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Tausende vor allem junge Wissenschaftler haben das Land verlassen, doch es gibt auch großen Rückkehrwillen. Marc Reznicek leitet seit Oktober 2013 in Madrid das Büro des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Guten Tag!
    Marc Reznicek: Einen wunderschönen guten Tag!
    Maleike: Forschung und Hochschulen in Spanien haben im Zuge der allgemeinen Krise - ich habe das gerade schon gesagt - und des Sparkurses, der verordnet wurde, einen enormen Weggang an Wissenschaftlern, an jungen Leuten verkraften müssen. Welche Regierungskoalition wünscht man sich deswegen für die Wissenschaft?
    Reznicek: Die Wissenschaft steht eigentlich vor den gleichen Problemen wie die gesamte Gesellschaft. Es ist sozusagen eigentlich nicht genau klar, was möglich ist, aber es ist relativ unklar, was die einzelnen Koalitionen umsetzen würden. Insgesamt ist das eigentlich ein Erfolg für die Wissenschaft, denn alle Parteien haben jetzt im Vorfeld dieser Wahlen einen Pakt für die Wissenschaft in ihren Programmen mit aufgenommen. Das heißt, alle sind bereit, mit den anderen Parteien zusammen ein großes Konzept dafür auszuarbeiten für die nächsten Jahre, nicht nur für die Bildung in der Hochschule, sondern eben auch für die Forschung einen gemeinsamen Punkt zu finden. Und insofern können wir, glaube ich, sagen, dass es egal ist, ob wir jetzt eher eine große Koalition finden, was wirklich etwas Besonderes wäre in Spanien, oder eine eher rechtsgerichtete oder eher linksgerichtete - für die Wissenschaft kommt, glaube ich, am Ende immer ein positives Ergebnis dabei heraus.
    Wunsch nach mehr politischer Unabhängigkeit
    Maleike: Was stimmt so hoffnungsvoll? Wie sieht dieser Pakt aus, also in der Breite?
    Reznicek: Spanien hat ja ein großes Problem im Bereich der langfristigen Planung. Das ist von der Föderation der Wissenschaftsgesellschaften hier vor einiger Zeit angemahnt worden, und alle Parteien haben sich dazu bereit erklärt, diese nachhaltige Planung auf jeden Fall in der zukünftigen Legislation umzusetzen. Zum Beispiel soll es darum gehen, eine nationale Forschungsförderungsagentur einzurichten. Die wurde tatsächlich in einem ersten Modell jetzt auch von der Regierung vor wenigen Tagen umgesetzt. Die soll 2017 ihre Arbeit aufnehmen, und ein wichtiger Bestandteil soll da sein, dass über die Jahresgrenze hinaus gilt, auch noch auf lange Sicht, für zum Beispiel Infrastruktur oder für das Halten von Forschern in Spanien eingesetzt werden kann. Und ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass alle sich bereit erklärt haben, die politische Unabhängigkeit der Forschungsförderung in Spanien stärker zu betonen, und das soll sozusagen durch diese Wissenschaftsagentur geschehen, wobei da auch von unterschiedlichen Parteien unterschiedliche Lösungen gefunden werden. Der Vorschlag der Volkspartei im Moment ist eigentlich noch nachbesserungswürdig aus der Sicht zum Beispiel der Hochschulrektorenkonferenz in Spanien, die da noch mehr politische Unabhängigkeit wünscht.
    Maleike: Die Rückkehrbereitschaft hatte ich vorhin schon angesprochen, die ist bei vielen jungen Wissenschaftlern durchaus da, sagen Sie?
    Reznicek: Ja. Der DAAD hat eine starke Zusammenarbeit zu zum Beispiel den spanischen Wissenschaftlern in Deutschland. In der Krise sind sehr viele junge Nachwuchswissenschaftler ausgewandert, weil sie im spanischen System durch die starken Kürzungen keine Möglichkeit mehr hatten, im System zu bleiben. Und trotzdem ist es so, dass wir jetzt sehen, dass wir, wenn wir mit diesen Vertretern im Ausland sprechen, immer wieder gefordert wird, auch durch Initiativen, die jetzt gemeinsam mit dem spanischen Ministerium für Wirtschaft, wo die Wissenschaftsförderung angesiedelt ist, vorangetrieben. Und da wird immer gefordert, neue Stellen zu schaffen und neue Stipendien zu kreieren, um eben dieser sehr rückkehrwilligen Elite nach Spanien eine Möglichkeit zu geben.
    40 spanische Unis unter den 1.000 besten der Welt
    Maleike: Es ist aber tatsächlich gar nicht so, dass alles ausgeblutet ist, zum Glück, es gibt große Potenziale. Können Sie mal einen Bereich nennen, der vielleicht relativ gut überlebt hat, wo man sehen kann, wo das Potenzial der spanischen Wissenschaft liegt?
    Reznicek: Wenn man einfach sich die Zahlen anschaut, dann ist trotz der ganzen Kürzungen Spanien immer noch eines der zehn Länder mit dem höchsten wissenschaftlichen Output. Und wenn man zum Beispiel mal sich Hochschulrankings ansieht, dann kann man sehen, dass von den 50 spanischen Unis, von den öffentlichen, 40 unter den 1.000 besten Unis in der Welt, von 20.000 immerhin, angesiedelt sind. Und auch im außeruniversitären Bereich hat Spanien ein ganz exzellentes Forschungsnetzwerk, zum Beispiel den nationalen Forschungsrat, der eigentlich zumindest in relativen Zahlen mit dem Max-Planck-Institut mithalten kann. Da ist also ein großes Fundament, auf dem Spanien aufbauen muss und kann und wo eine zukünftige Regierung auch durchaus die Möglichkeit hat, Potenziale auszunutzen. Wichtig wäre jetzt, dass diese Chance nicht vergeben wird.
    Maleike: Bei einer bestimmten Beziehung, glaube ich, muss man auch noch mal anknüpfen, denn Spanien ist nach wie vor bei den deutschen Studierenden das Erasmus-Land Nummer eins. Also, im letzten Jahr allein haben über 5.300 Studierende ein Semester an einer spanischen Hochschule verbracht, und die Beliebtheit ist ungebrochen. Ist das auch ein Indikator dafür, dass es weiter aufwärts geht?
    Reznicek: Auf jeden Fall kann man daran sehen, dass das Interesse Deutschlands und der deutschen Hochschulen und eben auch der deutschen Studierenden an Spanien ungebrochen ist. Wenn man sich zum Beispiel auch mal anschaut, wie viele Hochschulkooperationen Deutschland mit Spanien abgeschlossen hat, dann ist Spanien auf der zweiten Stelle hinter Frankreich, und zwar weltweit, das heißt, sowohl vor den USA als auch vor Großbritannien. Das ist sozusagen ein ganz wichtiges Glied darin, Spanien an die deutschen Hochschulen heranzuholen. Und was wir jetzt zum Beispiel auch gesehen haben, mit dem DAAD haben wir ein Programm, um die Anbahnung strategischer Partnerschaften zwischen Spanien und Deutschland zu fördern, und in dem Zusammenhang haben wir jetzt eine Delegationsreise von 20 Universitätsrektoren und -kanzlern im März in Spanien empfangen dürfen, und die haben wir in Kontakt gebracht sowohl mit der spanischen Hochschulrektorenkonferenz als auch mit verschiedenen Rektoren, und da sehen wir jetzt auch schon die ersten Rückläufe, die da tatsächlich ein sehr positives Bild von Spanien für die Deutschen gezeigt hat.
    "Für den Nachwuchs sorgen"
    Maleike: Was sollte denn Ihrer Meinung nach die erste Tat des neuen spanischen Wissenschaftsministers oder der neuen Wissenschaftsministerin sein?
    Reznicek: Ganz wichtig ist bestimmt, für den Nachwuchs zu sorgen, das heißt, die spanischen Studierenden haben in den letzten Jahren ganz massiv mit Studiengebühren kämpfen müssen. Die Studiengebühren sind deutlich nach oben gegangen. Gleichzeitig ist durch die wirtschaftliche Lage die Menge der Bewerber für Studienbeihilfen deutlich gestiegen, sodass für jeden einzelnen die Studienbeihilfehöhe deutlich gesunken ist. Und ich denke, da muss man ansetzen, denn ansonsten geht dem spanischen System der Nachwuchs verloren. Und gleichzeitig sollten auch für den Nachwuchs in der Wissenschaft neue Instrumente geschaffen werden, und zwar direkt, um die Möglichkeit zu haben, die jungen Leute wieder einzustellen. Also, wir haben eine Nachbesetzungsquote, die von zehn Prozent 2012 bis 2015 auf jetzt 50 Prozent erhöht wurde. Das heißt, jetzt darf jeder zweite ausscheidende Professor nachbesetzt werden. Und ich denke, eine ganz wichtige Sache wäre hier, diese Quote abzuschaffen beziehungsweise zu erhöhen, damit das spanische System nicht auf lange Sicht ausgeblutet wird.
    Maleike: Spanien nach der Parlamentswahl - was steht an für die Hochschulen im Land. Das waren Einschätzungen von Mark Reznicek. Er leitet in Madrid das Büro des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Danke für das Gespräch!
    Reznicek: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.