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Spanien
Regierungsbildung mit Hürden

Die beiden großen Parteien, Volkspartei und Sozialisten, kommen seit der Wahl in Spanien nur noch auf knapp über 50 Prozent der Stimmen. Dafür sind die linke Podemos und die liberalen "Die Bürger" hinzugekommen. Sozialisten und Liberale haben gestern zwar ein gemeinsames Regierungsprogramm vorgestellt – doch kommen beide Parteien auf keine Regierungsmehrheit.

Von Hans-Günter Kellner | 25.02.2016
    Der Chef der spanischen Sozialisten, Pedro Sanchez (li), und der Chef der liberalen Partei Ciudadanos, Albert Rivera (re).
    Der Chef der spanischen Sozialisten, Pedro Sanchez (li), und der Chef der liberalen Partei Ciudadanos, Albert Rivera (re). (PIERRE-PHILIPPE MARCOU / AFP)
    Mal wieder ist eine Pressekonferenz angesetzt im spanischen Parlament. Seitdem sich der Kongress im Januar konstituiert hat, vergeht kaum kein Tag, ohne dass ein Politiker vor die Kameras tritt. Doch Entscheidendes wird dabei selten verkündet. Paula Pérez, Parlamentskorrespondentin der Internetplattform "Estrella Digital", hat schon tiefe Ringe unter den Augen:
    "Die Politiker wiederholen seit Wochen immer wieder das Gleiche. Bis tief in die Nacht sitzen wir hier. Die Situation ist total blockiert. Jetzt unterschreiben Sozialisten und Liberale ein Regierungsprogramm. Da stehen auch viele interessante Reformen drin. Aber die sind völlig irrelevant, so lange diese beiden Parteien keine Mehrheit haben. Das ist pures Theater."
    Feierlicher Rahmen bei der Vorstellung des Regierungsprogramms
    Dann tritt Albert Rivera vor die Mikrofone. Er ist Sprecher der neuen liberalen Partei "Die Bürger", die bei den Wahlen auf knapp 14 Prozent kam. Der Rahmen ist feierlich, die große Eingangshalle des Abgeordnetenhauses ist ganz im Jugendstil gehalten, im Hintergrund ein Bild von Menschen, die sich umarmen:
    "Wir wollen mit diesem Regierungsabkommen die Chancengleichheit garantieren, gute Arbeitsplätze schaffen, den Menschen Lösungen für ihre Probleme anbieten. Dies soll ein parteienübergreifendes Abkommen für die Bildung und Hochschulen und auch für die Renten sein. Wir wollen diese Themen aus dem Parteienstreit heraus holen. Und mit einer Verfassungsänderung wollen wir die auch die allgemeine Gesundheitsfürsorge garantieren."
    Rivera spricht von einem neuen Wirtschaftsmodell für Spanien, geprägt von Innovation, Wissenschaft, von Erleichterungen für Selbstständige und Start-ups. Sozialistenchef Pedro Sánchez, vom König mit der Regierungsbildung beauftragt, hebt hingegen hervor:
    "Die Arbeitsmarktreform der Volkspartei wird rückgängig gemacht. Wir werden ein neues Statut für die Arbeiter ausarbeiten, ein Beschäftigungsprogramm gegen die Arbeitslosigkeit und den Mindestlohn anheben. Die 700.000 Haushalte, die überhaupt kein Einkommen haben, sollen Sozialhilfe bekommen. Wir wollen die Steuern progressiver gestalten, den Reichtum umverteilen sowie eine Reichensteuer einführen."
    Mit wem er das umsetzen will, sagt er hingegen nicht. Denn auch mit den Liberalen sind die Sozialisten weit von einer Regierungsmehrheit entfernt. Bei kritischen Nachfragen wird Sánchez schroff:
    "Ich würde als Grundregel für diese Pressekonferenz jetzt erst mal festhalten, dass es hier um dieses Abkommen geht, nicht um andere Parteien. Dies ist ein offenes Abkommen. Die Spanier wollen dringend eine neue Regierung, einen Wandel. Und wer sagt, das sei kein Abkommen mit linken Inhalten, der soll es erst mal lesen und mir sagen, auf welche Punkte er sich konkret bezieht."
    Podemos erteilt dem Programm eine Absage
    Die Sozialisten hoffen, die Abgeordneten der linken Podemos könnten sich am Mittwoch im Parlament enthalten und so die Wahl von Sánchez zum neuen Regierungschef ermöglichen. Denn auch mit Podemos verhandeln die Sozialisten über ein zweites, gemeinsames Regierungsprogramm. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz erteilt Podemos-Sprecher Iñigo Errejón den Sozialisten jedoch eine Absage:
    "Jede Partei darf mit allen Parteien sprechen – auch gleichzeitig. Aber die Abkommen müssen doch miteinander vereinbar sein. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, man wolle die Rechte der Arbeiter verbessern und auf der anderen Kündigungen erleichtern. Das haben die letzten beiden Regierungen schon gemacht. Das Ergebnis sind mehr Kündigungen und schlechtere Arbeitsbedingungen."
    Die Verhandlungen zwischen Sozialisten und Podemos sind damit geplatzt, und Pedro Sánchez wird nächste Woche bei seiner Wahl zum Regierungschef voraussichtlich scheitern. Doch auch die Empörung von Errejón hat etwas Inszeniertes. Denn in Wahrheit will auch Podemos nach einem vorläufigen Scheitern von Sánchez weiterverhandeln. Zeit dafür gibt es reichlich: Neuwahlen wären erst Ende Juni. Parlamentskorrespondent Fernando García von "La Vanguardia" kommentiert das mit einem Achselzucken:
    "Es ist so viel Lärm um nichts! Es ist gut, dass die Leute jetzt täglich vor die Presse treten. Das hatten wir früher nicht. Aber wenn sie in Wirklichkeit nichts zu sagen haben und es keine Fortschritte zu vermelden gibt, und das einen Tag nach dem anderen, sind wir Parlamentsjournalisten schon sehr frustriert. Und dass es jetzt wahrscheinlich zwei Monate lang so weitergeht, macht es nicht besser."